Zum einen die Autokonjunktur selbst: Noch ist unklar, ob die Lage so positiv wie zuletzt bleibt. Zwar ist zumindest der deutsche Automarkt auch im Januar erneut um drei Prozent gewachsen, doch die skeptischen Stimmen mehren sich. Der Zulieferer Bosch hatte vergangene Woche kein einfaches Jahr für die Autobranche prognostiziert. „Die Folgen des VW-Skandals sind final nicht abzuschätzen“, sagte Bosch-Chef Volkmar Denner.
Hinzu kommt die Unsicherheit in China. Daimler habe zuletzt Geschick bewiesen, sagte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach. Es sei aber nicht davon auszugehen, dass die Wachstumsraten so hoch wie zuletzt ausfielen. Statt dem überproportionalen Zuwachs von 32,6 Prozent dürfte sich auch der Daimler-Boom in Fernost abkühlen – für den chinesischen Markt erwarten Experten ein Plus von rund fünf Prozent.
Auch die Lage im Lkw-Geschäft dürfte sich angesichts der Konjunkturprobleme in wichtigen Märkten wie Brasilien nicht entspannen. Die Truck-Sparte ist mit einem prognostizierten Umsatz von 37 Milliarden Euro das zweite Standbein des Konzerns nach Mercedes-Benz Cars (82,8 Milliarden Euro). Die Analysten gehen jedoch davon aus, dass die Trucks das Ebit von 2015 in den kommenden beiden Jahren nicht erreichen können.
Kosten für E-Klasse-Premiere drücken Quartalsgewinn
Bei den Autos dürfte die Bilanz zumindest im zweiten Quartal des laufenden Geschäftsjahres eine kleine Delle bekommen. Der Gewinn des Pkw-Geschäfts dürfte nach Einschätzung von Jürgen Pieper, Analyst beim Bankhaus Metzler, durch die Einführung der neuen E-Klasse geschmälert werden.
Teure Werbeanzeigen und Vertriebsaktionen werden notwendig. Solange es keine Probleme und Verzögerungen bei dem Produktionsanlauf des neuen Modells gibt, sind die Analysten für das Gesamtjahr optimistisch: Konzern-Umsatz (plus 5,7 Milliarden Euro) und -Ebit (760 Millionen Euro) werden zulegen – beides getrieben durch die Auto-Sparte.
Über allen Prognosen über das Geschäftsjahr 2015 hinaus schwebt jedoch die Unsicherheit der Abgas-Diskussion, die der VW-Skandal losgetreten hat. Neue Testverfahren, Grenzwerte und Zulassungsvorschriften könnten die Entwicklungs-Etats und Absatzpläne der Autobauer stark belasten.
"Bei uns wird nicht betrogen"
Daimler haben die offiziellen Nachmessungen bislang kalt gelassen. „Bei uns wird nicht betrogen, bei uns wurden keine Abgaswerte manipuliert“, sagte Zetsche jüngst. „Die Vertreter des Kraftfahrt-Bundesamtes waren zwei Tage bei uns und es wurden Autos getestet. Dabei sind nach meiner Kenntnis keine auffälligen Abgaswerte gemessen worden.“
Wer Zetsche beerben könnte
Seit 2013 ist Wolfgang Bernhard (53) Vorstand von Daimler Trucks und Daimler Buses. Seine Zusammenarbeit mit der Daimler-Benz AG begann bereits 1990, als Mitarbeiter von McKinsey. In den Jahren von 1992 bis 2004 war Bernhard direkt für den Autohersteller tätig, wechselte dann aber zu VW - 2009 kehrte er zu Daimler zurück.
Hubertus Troska (54) wurde 1960 in Bilbao (Spanien) geboren und ist heute Vorstand fürs Chinageschäft beim Daimler. Seine Tätigkeit für den Autobauer begann 1988 als Manager der Vertriebsorganisation.
Ola Källenius (44) ist Leiter des Vertriebs und Marketings. Nach verschiedenen Stationen beim Daimler, unter anderem als Werkleiter in Tuscaloosa (USA), Bereichsleiter des Powertrain-Einkaufs oder Tätigkeiten für McLaren Automotive, besitzt Källenius umfassende Kenntnisse der Vertriebsstrukturen und des Produktportfolios.
Der studierte Wirtschaftsingenieur Bodo Uebber stieß im Jahre 2001 zur DaimlerChrysler Services AG. 2004 wurde er Nachfolger von Manfred Gentz und bekleidet bei Daimler die Position des Vorstands für Finanzen und Controlling.
Ganz dem Generalverdacht entziehen, kann sich aber auch Zetsche nicht: Im Januar musste Daimler den französischen Behörden wegen hoher Abgaswerte bei Straßentests Rede und Antwort stehen. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) forderte diese Woche sogar den Entzug der Zulassungsgenehmigung für ein beliebtes Mercedes-Modell – bei Tests in einem niederländischen Institut sollen die Stickoxid-Grenzwerte bei niedrigen Prüftemperaturen dramatisch überschritten worden sein. Am Mittwoch gab die DUH weitere Details bekannt: Demnach räumte Daimler im firmeninternen Intranet ein, dass "Anpassungen an die jeweiligen Betriebsbedingungen" stattfänden, "die den Wirkungsgrad beeinflussen". Damit gebe Daimler zu, eine Abschalteinrichtung zu verwenden, prangert die DUH an.
Trotz der vielen Fragezeichen bei Abgaswerten, China und Konjunktur kann sich der Daimler-Chef einer Sache sicher sein: Sein Vertrag dürfte bald um weitere drei Jahre verlängert werden. Und die drei Jahre sind dieses Mal keine Abmahnung. Bei Daimler gilt das 62. Lebensjahr für Vorstandsmitglieder „als Orientierung“ für den Abschied. Genau dieses Alter hat der Daimler-Boss jetzt erreicht.
In den drei Jahren nach seiner letzten Vertragsverlängerung kommt auf Zetsche und den Aufsichtsrat eine weitere, sehr wichtige Aufgabe zu: Einen geeigneten Nachfolger für den charismatischen und branchenweit geschätzten Vorstandschef zu finden.
Eine Herausforderung, die der Konkurrenz zuletzt nicht gut gelungen ist. Nicht nur deshalb dürften die Chefetagen aus München, Ingolstadt und Wolfsburg ganz genau nach Stuttgart schauen. Der Stern glänzt wieder. Die Frage ist nur wie lange.