Daimler und Renault-Nissan Macht Daimler wieder den Chrysler-Fehler?

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Machtkampf bei Renault hätte auch Daimler getroffen

„Kooperationen hat es in der Autobranche schon immer gegeben, aber es waren nicht sehr viele erfolgreich“, sagt Stefan Bratzel. „Für eine tiefe Zusammenarbeit muss man seinen Partner gut kennen. Das haben die Unternehmen im Fall Daimler und Renault-Nissan geschickt eingefädelt.“ Soll heißen: Das Portfolio den beiden Kernmarken überschneidet sich kaum mit dem der Stuttgarter, und der direkte Konkurrent Infiniti ist wegen seiner Stückzahlen nur ein vermeintlicher Wettbewerber. Dennoch können am Rande der Modellpalette, wie etwa beim Kleintransporter Citan, oder bei der Technik Synergien erzielt werden. Einen kleinen Diesel mit rund 110 PS brauchen beide Parteien – ob nun als Einstiegsmotor oder Top-Modell in einem Kleinwagen.

Man ergänzt sich, ohne sich gegenseitig zu behindern. In der unterschiedlichen Ausrichtung mit unterschiedlichen Kundengruppen der beiden Konzerne sieht CAM-Leiter Bratzel aber auch ein Risiko. „Wenn man sich an einen Partner bindet, der eine andere Dynamik erfährt, steigt das Risiko“, so Bratzel. Eine solche Dynamik zeichnete sich in den vergangenen Wochen bei Renault ab: Der französische Staat, mit 19,7 Prozent an Renault beteiligt, forderte eine Fusion des französischen Autobauers mit Nissan – und wollte das gegen den Willen der Allianz selbst mit einem doppelten Stimmrecht durchboxen. In dem sich anbahnenden Konflikt wurde verbal scharf geschossen. So rüffelte der französische Wirtschaftsminister Emmanuel Macron Renault-Nissan-Chef Ghosn, er sei nur ein Angestellter und kein Anteilseigner.

Chefwechsel bei Renault würde auch Daimler treffen

Für Auto-Experte Bratzel hatte der Konflikt das Potenzial, bis zur Machtprobe zu eskalieren, an deren Ende die Frage nach dem Chef gestellt werden könnte. Für diesen Freitag war bereits eine außerordentliche Aufsichtsratssitzung anberaumt. Doch Macron lenkte ein – Frankreich verzichtet auf seine Forderung, senkt seinen Anteil auf 15 Prozent und verliert somit das eigens eingeführte doppelte Stimmrecht. Die Frage nach dem Chef wurde letztlich nicht gestellt. Ein Abgang von Ghosn hätte auch für Daimler Folgen gehabt. „Die obersten Ebenen müssen sich verstehen, um Konflikte in der operativen Zusammenarbeit zu lösen“, sagt Bratzel. So gab es etwa bei dem Citan anfänglich Probleme mit einer schlechten Crashtest-Bewertung und auch beim Gemeinschaftsprojekt Smart-Twingo knirschte es – doch beides konnten die Spitzenmanager ausräumen. „Hätte Ghosn bei Renault-Nissan gehen müssen, wäre das für die Kooperation mit Daimler kritisch gewesen, aber nicht das garantierte Ende.“ Schließlich könnte sich Daimler-Chef Zetsche auch mit einem möglichen Nachfolger gut verstehen.

 

Doch soweit ist es im aktuellen Fall nicht gekommen. Stattdessen stehen bereits die nächsten Projekte an. Bis Ende des Jahrzehnts will Daimler für Südamerika sein erstes Pickup-Modell auf den Markt bringen – die Technik spendet hier der seit Jahren erfolgreiche Nissan Navara. Außerdem soll die kommende Generation des Elektro-Smart den Antrieb des Renault Zoë erhalten. Und schließlich soll die Produktion von Mercedes- und Infiniti-Kompaktwagen im mexikanischen Aguascalientes anlaufen. Die Carlos-Dieter-Show kann also weitergehen.

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