Sie sind überall – in der Formel 3, der Formel E, der GP3-Serie und der IndyCar Racing League: Die Karosserien des italienischen Rennwagenherstellers Dallara Automobil aus Varano de Melegari bei Parma.
Die Mission des 1972 gegründeten Familienunternehmens: Möglichst leichte, möglichst aerodynamische Autos mit der größtmöglichen Geschwindigkeit bauen.
Und das klappt auch heute noch: "Unser schnellstes Auto hat 1500 PS, macht in der Spitze 450 Stundenkilometer, hat einen 16 Zylinder-Motor und einen 100 Liter-Tank, der bei Höchstgeschwindigkeit nach neun Minuten leer ist. Allerdings kommt man in der Zeit ziemlich weit", wie CEO Andrea Portemoli bei einer Veranstaltung der Business School IMD vor CEOs und Managern sagt. Das Ganze hat natürlich seinen Preis: 2,5 Millionen Euro kostet ein solches Exemplar.
Die Geschichte von Dallara
Der Ingenieur Gian Paolo Dallara arbeitet zunächst bei Ferrari und Maserati, später auch bei Lamborghini und De Tomaso.
Für De Tomaso entwickelt Dallara seinen ersten Formel 1-Wagen.
Dallara gründet sein eigenes Unternehmen Dallara Automobil. Das Unternehmen konzentriert sich darauf, leichte, aerodynamische Karosserien zu bauen und bezieht die Motoren von Herstellern wie Ferrari, Maserati und Lamborghini.
Dallara sind die ersten, die Karbon und Fiberglas bei einem Rennwagen verwenden. Das macht die Autos mit einem Mal leichter, aber auch sicherer.
Ein Karbon-Wagen aus dem Hause Dallara gewinnt erstmals die italienische F3.
Dallara setzen als erste einen Windkanal ein, mit dessen Hilfe sich die Aerodynamik der Autos um bis zu 20 Prozent erhöhen lässt. Ein Nachfolger dieses ersten Windkanals steigert die Windschnittigkeit sogar um 50 Prozent.
Dallara hat sich einen Namen gemacht, das Unternehmen gibt sich einen neuen Hauptsitz und kauft einen neuen Windtunnel.
Dallara ist mit seinen Modellen sowohl in der Formel 1, als auch bei der Formula Super Nissan vertreten.
Das Unternehmen hat 107 Mitarbeiter, keine Schulden und macht einen Umsatz von 30 Millionen Euro, zwölf bis 15 Prozent davon sind Gewinn.
Ein Simulator, in dem ein Rennfahrer Autos probe fahren kann, die es noch gar nicht gibt, wird Wirklichkeit.
Dallara eröffnet ein neues Werk in Indiana (USA), wo in einem JointVenture mit IndyCar Experiences Indycars hergestellt werden.
Alle Teams der Formula E verwenden Karbon-Karosserien von Dallara.
Wagen des Unternehmens fahren in der Formel 1, für Dallara arbeiten 380 Menschen, die Einnahmen belaufen sich auf gut 7 Millionen Euro.
Doch die Abnehmer sind da: 2016 wird das knapp 400 Mitarbeiter starke Unternehmen planmäßig rund 70 Millionen Euro einnehmen. Dass das Geschäft so gut läuft, ist dem Gründer Gian Paolo Dallara zu verdanken, der sich im Alter von 70 die Frage stellte, was als nächstes auf sein Unternehmen zukommen werde. Er traf eine mutige Entscheidung: Vor rund neun Jahren stellte er einen CEO ein, der mit der Automobilbranche nichts zu tun hatte – Portemoli war zuvor vor vier Jahre lang Chef von IBM Italien – und stellte sein Geschäftsmodell um.
Zwar baut das Unternehmen immer noch Karosserien für Rennwagen, die Kernkompetenzen haben sich jedoch verändert. Sie lauten nun Konzeptdesign, Leichtbauweise, Aerodynamik, Dynamik und Labortests von Prototypen. Letzteres ist die entscheidende Veränderung, die letztlich den Wettbewerbsvorteil bringt.
Autos werden erst verkauft, dann geplant
Ursprünglich haben Dallara und sein Team erst ein Konzept für in neues Modell und dann das Design entwickelt – was kommt wo hin, wie soll welche Lampe aussehen, kommt ein Motor nach hinten oder zwei nach vorne? "Dann haben wir einen Prototyp entwickelt und den anschließend getestet. Das dauert Jahre, ist enorm teuer und ineffektiv", sagt Portemoli. "Heute verkaufen wir unseren Kunden ein Konzept, das wir im virtuellen Rahmen getestet haben. Wir verkaufen quasi nur noch das mathematische Modell. Erst anschließend bauen wir das tatsächliche Auto."
Ein Beispiel: Je nach Rennstrecke und Witterung braucht es andere Reifen, damit der Rennwagen auch bei hohen Geschwindigkeiten nicht die Bodenhaftung verliert. Also liefert Pirelli 30 verschiedenen Reifen zum Ausprobieren – allerdings mittlerweile auf einem USB-Stick anstatt in einem Lkw. Und anstatt unzählige Reifensätze auf der Rennstrecke zu verheizen, wandern die Daten über die einzelnen Reifen in einen Supercomputer, der mit einem Fahrzeugsimulator vernetzt ist, in dem ein professioneller Rennfahrer sitzt. Der testet die virtuellen Reifen in einem virtuellen Auto auf der virtuellen Strecke – sowohl bei Sonnenschein, als auch bei Regen.
"Ich kann die Reifen wechseln, während er fährt, ich kann sogar das ganze Auto wechseln", sagt Portemoli. Insgesamt lassen sich im Simulator 60.000 verschiedene Parameter verändern. Die Daten für den Simulator erhebt Dallara direkt auf der Rennstrecke: "300 unserer Autos nehmen weltweit jedes Wochenende an Rennen Teil – wir haben unglaubliche Mengen an Daten, um die Wirklichkeit abzubilden", so Portemoli.
Von der Idee zum Wagen in neun Monaten
Von der Idee bis zum fertigen Wagen auf der Rennstrecke vergehen dank dieses Verfahrens nur noch neun Monate. Das bedeutet: Während die Konkurrenz vier Autos baut, baue sein Unternehmen acht. Die Technik liefert eine kleine Computerfirma aus den USA – anstatt Branchengrößen wie IBM & Co.
Die großen Firmen hätten den Autobauern immer wieder erklärt, dass es unmöglich sei, einem professionellen Fahrer vorzugaukeln, dass er ein echtes Auto mit 200 Stundenkilometern durch eine echte Kurve lenkt, während er in der Realität acht Meter über der Erde in einem Simulator sitzt. "Dann haben wir 14 junge Ingenieure beauftragt, die nicht wussten, dass es unmöglich ist - und die haben es gemacht."
Neben der Zeitersparnis bringt das Verfahren Dallara vor allem eines: weniger Kosten. "Als wir mit Bugatti zusammen gearbeitet haben, hat Bugatti 15 Prototypen in Crashtests verheizt und trotzdem musste noch nachjustiert werden. Wir haben jedes Einzelteil als solches und anschließend alle Teile zusammen getestet und dann einen Prototypen gebaut", erzählt der Dallara-Chef. "Wenn so ein Prototyp 2,5 Millionen kostet, ist das eine ganz ordentliche Ersparnis."
Der Traum des Gründers
Trotzdem ging die Umstellung vom klassischen Fahrzeugbau hin zum virtuellen Prototypen nicht ohne Komplikationen ab, denn schließlich arbeiten bei Dallara Fahrzeugbauer und keine Computerspezialisten. "Die Mitarbeiter sind immer der Schlüssel", sagt der CEO. Spätestens, wenn das Virtuelle ende und es wieder um das klassische Ingenieurshandwerk gehe.
"Derjenige, der programmieren kann, kann sich das fertige Produkt nicht vorstellen und der, der sich das Produkt vorstellen kann, kann keine Simulation programmieren", sagt Portemoli. Nichtsdestotrotz kommen 93 Prozent der neuen Mitarbeiter von der Uni, wie er sagt. "Wir brauchen ständig frische Ideen." Und die kommen nun mal von Menschen und nicht durch den Einsatz von Technologie.
Und was sind die nächsten Innovationen aus dem Hause Dallara? Zunächst einmal will Geschäftsführer Portemoli nichts anderes, als Träume wahr machen: "Am 16. November wird unser Gründer 80 Jahre alt. Seit 50 Jahren wünscht er sich einen straßentauglichen Wagen, den jeder kaufen kann, so wie einen Bugatti oder einen Ferrari. Und zu seinem Geburtstag erfülle ich ihm diesen Wunsch."
Gedacht ist dieses erste Roadcar für den solventen Kunden, der mit Frau oder der Freundin einen romantischen Trip in die Berge machen und danach zum Fisch essen an den Genfer See fahren möchte – "und der anschließend beim Autorennen jeden schlägt – und ich meine jeden."
Die ersten Kunden haben schon bestellt – und bezahlt. Und das ganz ohne auch nur ein Bild des Prototypen gesehen zu haben. Das nennt man Kundenbindung.