Doch die Realität sieht anders aus. Vielen Händlern steht wegen schrumpfender Umsätze das Wasser bis zum Hals. "Mit dem Verkauf von Neufahrzeugen sind in Deutschland bereits seit Jahren kaum noch Gewinne zu erzielen", sagt Thomas Brede, Autohandelsexperte der Berliner Unternehmensberatung Unitcell. Zahlreiche Händlerbetriebe seien von der Insolvenz bedroht und müssten von den Herstellerkonzernen jedes Jahr mit Millionenzahlungen gestützt werden. "Und für die Zukunft ist keine Besserung in Sicht." Trotz guter Konjunkturlage in Deutschland verkauften die hiesigen Autohändler in den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres 120.000 Neuwagen weniger als im Vorjahr.
Dieses niedrige Niveau wird nach Ansicht der Unternehmensberatung AlixPartners der neue Normalzustand in Deutschland. Nach Berechnungen des Instituts für Automobilwirtschaft (IFA) an der Hochschule Nürtingen-Geislingen sind deshalb bis 2025 über 100.000 Arbeitsplätze in Autohandel und Werkstätten bedroht. IFA-Leiter Willi Diez rechnet mit einer "neuen Konsolidierungswelle" im Autohandel. In sieben Jahren seien von den heute rund 8.000 rechtlich und wirtschaftlich selbstständigen Autohändlern wohl nur noch 4.500 übrig.
Teure Dependancen
Im Vergleich zu Audi und Daimler steht der Vertrieb von BMW in Deutschland besonders unter Druck. Während die Schwaben im vergangenen Jahr knapp ein Prozent und Audi sogar sechs Prozent mehr Neuwagenzulassungen verbuchten, ging die Zahl bei BMW und Mini um über vier Prozent zurück. Auch in den ersten sechs Monaten dieses Jahres musste sich BMW seinen Konkurrenten geschlagen geben.
Geschichte des Niedergangs
1998: 65,1
2005: 55,1
2012: 54,6
(in Mrd. Euro)
Quelle: unitcell management consulting
1990: 49
2000: 41
2012: 38
2009: 4,2
2010: 2,5
2011: 3,1
2012: 2,8
(in Prozent vom Umsatz)
1994: 5,8
2000: 4,2
2012: 3,3
(in Stunden/Fahrzeug)
1985: 135
1992: 233
2005: 350
2015: 583 (Prognose)
(je Mitarbeiter und Jahr)
BMW: –13 %
Mercedes: 4 %
Audi: 0 %
(Veränderung zu 2012)
2000:
Hersteller/Niederlassungen: 10
Vertragshandel: 90
2010:
Hersteller/Niederlassungen: 32
Vertragshandel: 68
(in Prozent)
Händler: 87 (-3)
Internet: 66 (+10)
Probefahrt: 63 (-4)
Bekannte: 58 (+8)
Prospekte: 35 (-9)
Testberichte: 30 (-21)
Werbung: 12 (-9)
(in Prozentpunkten)
Besonderen Handlungsbedarf haben BMW und Daimler in ihren Niederlassungen ausgemacht, also den konzerneigenen Autohäusern. Sie haben über die Jahre gigantische eigene Vertriebsstützpunkte aufgebaut, die voll in der Konzernrechnung zu Buche schlagen. 34 Mercedes-Benz-Niederlassungen mit 140 Betrieben und 16.000 Mitarbeitern sind im Lauf der Jahrzehnte in Deutschland entstanden. In den 20 BMW-Niederlassungen mit ihren 43 Betriebsstätten arbeiten immerhin 6.500 Mitarbeiter.
Der Grund für den Vertrieb in Eigenregie ist einfach. Besitzt der Hersteller die Hoheit über die Verkaufsstätten, kann er ihnen seine Fahrzeuge einfach aufzwingen. Dadurch hat sich deren Anteil am Gesamtabsatz in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt. Das Absatzproblem wird dadurch aber nicht gelöst, sondern nur verlagert. "Das Werk stellt uns 1.000 Autos auf den Hof, auch wenn wir nur 200 brauchen", moniert ein Verkäufer der BMW-Niederlassung München. Das nagt an der Profitabilität des Gesamtkonzerns.
Der Kern des Problems liegt jedoch tiefer, nämlich in den anderen Gehaltsstrukturen der Niederlassungen im Vergleich zu den selbstständigen Autohäusern. Denn wer in einer konzerneigenen Verkaufs- und Werkstatt arbeitet, hat Recht auf sämtliche Sonderzahlungen im Mutterkonzern. Bei BMW etwa erhalten die Beschäftigten an der Verkaufs- und Reparaturfront die gleichen Sonderzahlungen wie der Bandarbeiter in der Autofabrik: Gewinnbeteiligung, Urlaubsgeld, erhöhtes Weihnachtsgeld, Sonderleistungen wie Betriebsrenten. Mitarbeiter bei unabhängigen BMW-Händlern arbeiten 40 Stunden pro Woche, bei den Niederlassungen nur 36 Stunden. Und anders als in den Konzerndependancen sind bei den selbstständigen Händlern die Verträge vieler Mitarbeitern befristet. Bricht das Geschäft ein, wird das Autohaus überzählige Beschäftigte leichter los.