Das Ende der Autohändler BMW setzt auf Autokauf vom heimischen Sofa

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Unter Druck

Welche Autobauer gut verkaufen - und welche nicht
Dunkle Wolken über dem europäischen Automarkt: Die Zahl der verkauften Autos in der Europäischen Union ist im Februar um 10,5 Prozent auf 795 482 gefallen, wie der europäische Branchenverband Acea mitteilte. So wenig Fahrzeuge wurden in dem Monat noch nie verkauft. Bereits im Januar war der Absatz auf ein Rekordtief in diesem Monat gefallen. Über die ersten beiden Monate des Jahres gesehen fiel der Absatz um 9,5 Prozent auf 1,681 Millionen Autos. In Deutschland sanken die Verkäufe um 10,5 Prozent und damit noch deutlicher als im Krisenland Spanien (minus 9,8 Prozent). In Frankreich lag das Minus bei 12,1 Prozent und in Italien bei 17,4 Prozent. Quelle: dpa
Unter den großen Herstellern verbuchte der angeschlagene französische Peugeot-Citroen-Konzern mit minus 13,3 Prozent den schärfsten Rückgang. Statt wie im Vorjahresmonat 72.191 Autos verkaufte Peugeot diesen Mai nur 64.034 Wagen. Auch Citroen verlor kräftig: Von 60.479 Neuzulassungen im Mai 2012 ging es runter auf 51.157. Quelle: AP
Auch der Fiat-Konzern verlor im zweistelligen Prozentbereich, um elf Prozent ging es bei den Neuzulassungen bergab. Insgesamt wurden im Mai nur 56.155 Autos der Kernmarke Fiat neu zugelassen. Auch bei den anderen Marken Lancia/Chrysler, Alfa Romea und Jeep liefen die Geschäfte schlecht - an den Vorjahresmonat reichte keine Marke heran. Insgesamt verlor die Gruppe 0,4 Prozentpunkte beim Marktanteil. Quelle: REUTERS
Renault Quelle: dapd
Opel Quelle: dpa
Volkswagen Quelle: dapd
BMW Quelle: dpa

Doch die Realität sieht anders aus. Vielen Händlern steht wegen schrumpfender Umsätze das Wasser bis zum Hals. "Mit dem Verkauf von Neufahrzeugen sind in Deutschland bereits seit Jahren kaum noch Gewinne zu erzielen", sagt Thomas Brede, Autohandelsexperte der Berliner Unternehmensberatung Unitcell. Zahlreiche Händlerbetriebe seien von der Insolvenz bedroht und müssten von den Herstellerkonzernen jedes Jahr mit Millionenzahlungen gestützt werden. "Und für die Zukunft ist keine Besserung in Sicht." Trotz guter Konjunkturlage in Deutschland verkauften die hiesigen Autohändler in den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres 120.000 Neuwagen weniger als im Vorjahr.

Dieses niedrige Niveau wird nach Ansicht der Unternehmensberatung AlixPartners der neue Normalzustand in Deutschland. Nach Berechnungen des Instituts für Automobilwirtschaft (IFA) an der Hochschule Nürtingen-Geislingen sind deshalb bis 2025 über 100.000 Arbeitsplätze in Autohandel und Werkstätten bedroht. IFA-Leiter Willi Diez rechnet mit einer "neuen Konsolidierungswelle" im Autohandel. In sieben Jahren seien von den heute rund 8.000 rechtlich und wirtschaftlich selbstständigen Autohändlern wohl nur noch 4.500 übrig.

Teure Dependancen

Im Vergleich zu Audi und Daimler steht der Vertrieb von BMW in Deutschland besonders unter Druck. Während die Schwaben im vergangenen Jahr knapp ein Prozent und Audi sogar sechs Prozent mehr Neuwagenzulassungen verbuchten, ging die Zahl bei BMW und Mini um über vier Prozent zurück. Auch in den ersten sechs Monaten dieses Jahres musste sich BMW seinen Konkurrenten geschlagen geben.

Geschichte des Niedergangs

Besonderen Handlungsbedarf haben BMW und Daimler in ihren Niederlassungen ausgemacht, also den konzerneigenen Autohäusern. Sie haben über die Jahre gigantische eigene Vertriebsstützpunkte aufgebaut, die voll in der Konzernrechnung zu Buche schlagen. 34 Mercedes-Benz-Niederlassungen mit 140 Betrieben und 16.000 Mitarbeitern sind im Lauf der Jahrzehnte in Deutschland entstanden. In den 20 BMW-Niederlassungen mit ihren 43 Betriebsstätten arbeiten immerhin 6.500 Mitarbeiter.

Der Grund für den Vertrieb in Eigenregie ist einfach. Besitzt der Hersteller die Hoheit über die Verkaufsstätten, kann er ihnen seine Fahrzeuge einfach aufzwingen. Dadurch hat sich deren Anteil am Gesamtabsatz in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt. Das Absatzproblem wird dadurch aber nicht gelöst, sondern nur verlagert. "Das Werk stellt uns 1.000 Autos auf den Hof, auch wenn wir nur 200 brauchen", moniert ein Verkäufer der BMW-Niederlassung München. Das nagt an der Profitabilität des Gesamtkonzerns.

Der Kern des Problems liegt jedoch tiefer, nämlich in den anderen Gehaltsstrukturen der Niederlassungen im Vergleich zu den selbstständigen Autohäusern. Denn wer in einer konzerneigenen Verkaufs- und Werkstatt arbeitet, hat Recht auf sämtliche Sonderzahlungen im Mutterkonzern. Bei BMW etwa erhalten die Beschäftigten an der Verkaufs- und Reparaturfront die gleichen Sonderzahlungen wie der Bandarbeiter in der Autofabrik: Gewinnbeteiligung, Urlaubsgeld, erhöhtes Weihnachtsgeld, Sonderleistungen wie Betriebsrenten. Mitarbeiter bei unabhängigen BMW-Händlern arbeiten 40 Stunden pro Woche, bei den Niederlassungen nur 36 Stunden. Und anders als in den Konzerndependancen sind bei den selbstständigen Händlern die Verträge vieler Mitarbeitern befristet. Bricht das Geschäft ein, wird das Autohaus überzählige Beschäftigte leichter los.

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