Durch Klagen auf Schadenersatz könnte in den USA sogar eine dreistellige Milliardenstrafe anfallen, sagt Thomas Möllers, Juraprofessor an der Universität Augsburg und einer der führenden deutschen Kapitalmarktexperten, im Gespräch mit der WirtschaftsWoche.
Ein – noch immer zu befürchtender – Rückruf würde schon in den USA teuer werden. Zudem hat VW nach Worten von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt auch Abgas-Manipulationen auch in Europa eingeräumt. "Es wurde uns mitgeteilt, dass auch in Europa Fahrzeuge mit 1,6 und 2,0-Liter Dieselmotoren betroffen sind von den in Rede stehenden Manipulationen", sagte der CSU-Politiker. Eine Liste der in die Abgas-Affäre einbezogenen Dieselautos soll bald vorliegen.
Kaum vorzustellen, wenn tatsächlich alle elf Millionen Wagen mit den "auffälligen" Motoren vom Typ EA 189 weltweit zurückgerufen werden müssten. Denn die Mängel lassen sich nicht, wie bei früheren Millionen-Rückrufen, mit wenigen Euro pro Fahrzeug beheben. Fällig würden wohl, so sagen VW-Insider, Maßnahmen im Bereich von mindestens 1000 Euro.
Die Imageschäden
In ihrer Dimension sind die langfristigen Folgen noch unabsehbar. Für die in den USA als „Clean Diesel“ beworbenen manipulierten Fahrzeuge muss sich VW definitiv etwas überlegen.
Im Ansehen der Amerikaner ist die Marke VW insgesamt bereits deutlich gesunken. Das geht aus Messungen der Marktforscher von YouGov hervor, die die tägliche Konsumentenstimmung messen und so herausfinden, wie positiv oder negativ eine Marke ganz aktuell wahrgenommen wird. Während der Autobauer in diesem Buzz-Index vor dem Skandal zwischen 10 und 11 Punkten lag, stürzte er bis Mittwoch auf -2 ab. So schlecht stand VW seit mindestens 2009 nicht mehr da.
Wie lange dieses Negativimage hält – und wie es sich auf die Kunden außerhalb der USA überträgt, hängt maßgeblich davon, ab wie sich VW jetzt verhält, welche Vorwürfe noch auftauchen – und ob die Kunden durch Rückrufe direkt betroffen sind. Dauern wird es in jedem Fall.
"Krisen sind immer dreigeteilt", sagt Frank Roselieb, geschäftsführender Direktor des Krisennavigators, einem Institut für Krisenforschung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. "Sie haben die akute Krisenphase, die dauert im Durschnitt 15,3 Tage." In diesem Zeitraum tagen die Krisenstäbe regelmäßig. Nach rund zwei Wochen beginnt die längerfristige Aufarbeitung, in der die Kommunikation neu begonnen, Fragen zu Produkt und rechtlichen Aspekten geklärt werden müssen. "Diese Phase der Nachbereitung dauert meistens zwei bis drei Jahre", so Roselieb. "Und dann kommt die ganze Marktnachbetreuung, die zehn bis 15 Jahre dauern kann."
Probleme in den USA
Als wären die Folgen der Abgas-Affäre nicht schwer genug zu bewältigen, hat Volkswagen in den kommenden Jahren andere Probleme vor der Brust. Auch ohne Dieselgate wäre es für den Konzern schwer geworden.
Vermintes Gelände – Volkswagen und die USA
In China, dem wichtigsten Automarkt der Welt, stampft VW ein Werk nach dem anderen aus dem Boden. In den USA zählt Europas Branchenprimus erst eines, vieles läuft dort noch nicht rund. Eine Chronologie.
VW-Chef Martin Winterkorn spricht zur Automesse in Detroit erstmals von einem neuen SUV-Modell speziell für die USA.
Nach 31 Monaten auf steilem Expansionskurs muss Volkswagens Kernmarke für den April 2013 erstmals wieder rückläufige Verkäufe melden. Seitdem finden die Wolfsburger nicht in die Spur.
Im schwelenden Streit um einen Betriebsrat für das einzige US-Werk von Volkswagen in Chattanooga droht der mächtige Konzernbetriebsrat damit, weiteres Wachstum dort zu blockieren.
Michael Horn löst Jonathan Browning als Chef von Volkswagens US-Sparte ab. Medien spekulieren, Browning müsse wegen der Verkaufszahlen gehen. Volkswagen nennt „persönliche Gründe“.
Winterkorn kündigt das neue SUV-Modell für 2016 an. „Amerika ist der weltweit härteste Automarkt“, räumt er ein. Als mögliche Produktionsorte gehen Chattanooga und Mexiko ins Rennen.
Die VW-Mitarbeiter in Chattanooga votieren gegen den Vorschlag, sich von der US-Autogewerkschaft UAW vertreten zu lassen. Damit kann VW zumindest vorerst nicht die vom Betriebsrat geforderte Arbeitnehmervertretung nach deutschem Vorbild aufbauen.
Betriebsratschef Bernd Osterloh meldet sich zu Wort. Er könne sich „durchaus vorstellen“, dass ein weiterer Standort in den USA „nicht unbedingt wieder in den Süden gehen muss“.
VW teilt mit: Der Cross Blue geht nach Chattanooga.
VW zeigt auf der Messe in Detroit neben dem bereits bekannten großen Geländewagen Cross Blue eine Coupé-Variante. Martin Winterkorn verspricht, in den USA wieder in den Angriffsmodus zurückkehren zu wollen.
Die Verkäufe gerade der Marke VW fallen nach den beiden schlechten Jahren 2013 und 2014 in den USA noch einmal schlechter aus. Von Januar bis August verkaufte in den USA 238.100 Autos und damit 2,8 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum.
Quelle: dpa, scc
Bislang baut der Konzern Autos, die in den USA keine Begeisterungsstürme auslösen – trotz Millioneninvestitionen in den Bau eines Werkes in Tennessee. Zuletzt lag der Marktanteil bei knapp mehr als zwei Prozent. 2012 waren es noch drei. VW hatte etwa der Nachfrage nach leichten offenen Kleintransportern, den Pick-ups, lange nichts entgegenzusetzen und fuhr bislang Toyota, GM, Ford und Chrysler hinterher.
Ein siebensitziges SUV-Modell, das den US-Bedürfnissen besser entsprechen soll, kommt erst im kommenden Jahr auf den Markt. Wie VW seine Strategie in den USA nach dem Dieselgate neu ausrichtet, steht derzeit in den Sternen.