Telematik im Fuhrpark Der Spion im Dienstwagen

Telematik ist eines der großen Themen für den modernen Fuhrpark. Fuhrparkmanager bekommen hilfreiche Daten digital serviert. Die digitale Petze verrät aber auch Dinge über Sie als Fahrer, die unangenehm werden können.

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Telematik: Der Spion in der Flotte. Quelle: PR

Mehr Effizienz, mehr Transparenz, mehr Sicherheit – durch Telematik. Für viele Fuhrparkleiter ist es das neue Zauberwort. Zwar ist Telematik kein neues, sondern eigentlich sogar schon ein recht altes Thema, aber die voranschreitende Digitalisierung im Auto ist eine Art Jungbrunnen. Sie macht die moderne Telematik für deutlich mehr Fuhrparkmanager interessant.

Das zeigt sich auch in den Zahlen: Das Marktforschungs- und Beratungsinstitut Dataforce, das sich schwerpunktmäßig mit dem deutschen Flottenmarkt beschäftigt, hat in knapp 28.500 Interviews Unternehmen zum Thema befragt. Das Ergebnis: Innerhalb von nur einem Jahr ist der Anteil der Unternehmen, die Telematik-Systeme nutzen um drei Prozentpunkte auf inzwischen fast knapp 21 Prozent gestiegen.

„Der Telematik-Markt ist in den vergangenen Jahren rasant gewachsen“, sagt Dataforce-Account-Manager Christian Spahn. „Parallel dazu hat auch die Anzahl der Anbieter stark zugenommen.“ Neben einigen großen Hauptakteuren mit ganzheitlichen Lösungen und Angeboten, treten immer wieder zahlreiche kleine Unternehmen und Start-ups mit dem Fokus auf Teillösungen in den Telematik-Markt ein.

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„Telematik basiert auf Daten, die im Fuhrpark bereits gesammelt werden können oder sogar bereits gesammelt werden, aber bislang den Fuhrpark nicht verlassen“, beschreibt es Daniel Thielen von CarMobility, der Telematik-Tochter der Volkswagen Financial Services AG.

Genau das wollen die Anbieter von Telematik-Lösungen nun ändern. Ideen, Angebote und Möglichkeiten gibt es genug und das Interesse der Fuhrparkmanager ist da: Mehr als jeder Zweite befragte Fuhrparkleiter (mit mindestens zehn Fahrzeugen) ist laut Dataforce grundsätzlich bereit, mehr Geld für entsprechende Telematik-Systeme in die Hand zu nehmen. Derzeit nutzen knapp 21 Prozent der Unternehmen Telematik-Systeme. „Mit steigender Fuhrparkgröße spielen diese Lösungen für Fuhrparkmanager eine immer wichtigere Rolle“, sagt Spahn. So kommen etwa digitale Tachographen oder GPS-Ortungssystemen zum Einsatz. Die Dataforce-Analyse zeigt: Je größer der Fuhrpark, desto größer auch die Bereitschaft in Telematik zu investieren. „Fast die Hälfte der Großflotten ab 100 Fahrzeugen haben solche Systeme im Einsatz“, sagt Spahn. Bei kleineren Flotten seien es gut zehn Prozent – Tendenz steigend.

Kein Wunder, sagt Henning Schick, Director Sales Europe beim Fuhrparkmanager ARI Fleet Germany. „Schließlich bietet modernes Flottenmanagement dank der Digitalisierung mehr und mehr Möglichkeiten.“

Mit Telematik bares Geld sparen

Aufgrund der Vielfalt an gebotenen Optionen, gilt: Wer sich für Telematik-Lösungen interessiert, sollte genau abstecken, was tatsächlich im eigenen Fuhrpark benötigt wird. „Es gibt viele Möglichkeiten ein Netzwerk für das Fuhrparkmanagement aufzubauen“, sagt Thielen von CarMobility. „Viele standardisierte Systeme befinden sich auf dem Markt – wie sie sich für den eigenen Fuhrpark individualisieren lassen ist der spannende Aspekt“, lautet deshalb der Tipp von Henning Schick von ARI Fleet.

Eines der beliebtesten und bereits vielfach genutzten Angebote ist ein Reporting-Tool, das einen Überblick über Daten wie Verbrauch und Reichweite liefert – alle gewonnen aus der Telematikbox. „Im Idealfall öffnen Sie Ihr Programm und sehen sofort wie es in diesem Monat um den Verbrauch der Flotte steht – im Vergleich zur vergangenen Woche, zum vergangenen Monat, zum vergangenen Jahr“, so Schick.

Werden diese Reportings zudem auch noch automatisiert erstellt und wöchentlich verschickt, bietet sich für den Fuhrparkmanager die größtmögliche Transparenz bei Verbrauch und Co. „Fuhrparkmanager sitzen momentan etwas blind im Büro – höchstens mithilfe der Tank- und Werkstattquittungen können sie sich mit einer gewissen Verspätung einen Überblick verschaffen“, sagt Christoph Ludewig, Geschäftsführer der Mercedes-Benz Connectivity Services. „Alleine schon die Möglichkeit diese Daten zeitnah abrufen zu können, schafft Transparenz. Wenn wir diese Daten nun auch noch auszuwerten, schaffen wir dadurch auch noch einen konkreten Nutzen.“

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Ein Beispiel für ein ganz konkretes Einsparpotenzial durch die digitalisierte Flottenüberwachung: Der Reifendruck sämtlicher Flottenfahrzeuge könnte digital überwacht werden. Stimmt an einem Dienstwagen der Druck nicht, erfolgt eine automatisierte Meldung. Ein sinnvolles System, bedenkt man, dass ein falscher Reifendruck den Verbrauch eines Autos deutlich erhöhen kann. Laut dem TÜV Süd kosten schon 0,2 Bar zu geringer Druck im Stadtverkehr bis zu fünf Prozent Sprit. 0,5 Bar können einen Liter pro 100 Kilometer kosten und zudem die Sicherheit bei höheren Geschwindigkeiten gefährden. Ein entsprechendes Warn-System wäre also durchaus lohnenswert – insbesondere bei größeren Flotten.

Das haben die Fuhrparkleiter erkannt. Laut der Dataforce-Analyse nutzen 36 Prozent der befragten Fuhrparkmanager die Messwerte über den Kraftstoff- und CO2-Verbrauch. Bei rund 32 Prozent kommen in der Flotte Systeme zur Routenoptimierung und zur Anzeige von fälligen Reparaturen zum Einsatz.

Diejenigen, die bislang noch ohne Telematik-Lösung arbeiten, werfen ihren neugierigen Blick ebenfalls besonders auf solche Systeme, die ihnen eine Überwachung von Reparatur- und Wartungsintervallen ermöglichen.

Die digitale Petze fährt mit


Theoretisch können neben Wartungszeitpunkt und Verbrauch aber auch Verkehrsverstöße und Fahrverhalten mithilfe des Telematik-Systems überwacht und gemeldet werden. Auch eine Art Schadenmanagement könnte vollständig digitalisiert erfolgen. In diesem Fall erkennt die Telematik-Box etwa auch Rempler und kann eine automatische Meldung machen. Bei solchen Systemen zur Fahrstilaufzeichnung scheint es aber teilweise ein Akzeptanzproblem zu geben, stellten die Dataforce-Analysten in ihren jüngsten Auswertungen fest: „Entgegen dem allgemeinen Trend zur intensiveren Nutzung ruderten mittlere Flotten bei der Nutzung zurück“, sagt Spahn.

Werden noch mehr derartiger Daten aus der Telematik-Box im Dienstwagen ins Reporting-Tool integriert und ausgewertet, ermöglicht das unter Umständen sogar ein sehr weitreichendes digitales Warn-System – etwa vor Missbrauch im Fuhrpark: die sogenannten Alert-Systeme. Sie sind für ARI-FLEET-Telematik-Experte Schick ein echter Gewinn für das Fuhrpark¬management: „Wenn beispielsweise im letzten Monat fünf Fahrer viel mehr getankt haben als sie hätten verbrauchen können, dann bekommt der Fuhrparkmanager einen Hinweis.“ Der Fuhrparkmanager bekommt quasi einen Spion im Dienstwagen – in seinem Auftrag.

Geofencing – wo ist der Dienstwagen?

Das heißt, mehr Kontrolle für den Fuhrparkleiter – genau dafür interessieren sich die Organisatoren der deutschen Fuhrparks. Laut der Dataforce-Analyse sind Fuhrparkmanagern, die bereits über entsprechende Telematik-Lösungen verfügen, vor allem weitreichende Systeme zur GPS-Ortung wichtig. Geofencing ist hier das entscheidende Stichwort. Dank GPS-Geräten und vielfältiger Funktechnik ist die Ortung der Firmenwagen für Fuhrparkmanager mittlerweile kein Problem mehr. So können beispielsweise Dienstwagen auf diese Weise gefunden und Poolfahrzeuge abends überprüft werden, ob sie auf dem Parkplatz stehen, wie sie sollten. War der Mitarbeiter unerlaubt mit dem Auto im Ausland? Dies lässt sich mithilfe eines vernetzten GPS-Systems auch ohne Blitzer-Knöllchen aus den Niederlanden oder Österreich feststellen.

Was sind die größten Herausforderungen für einen Flottenmanager?

Abgesehen von der Kontrolle hat Geofencing für Fuhrparkmanager aber noch einen rein organisatorischen Vorteil, der den buchhalterischen Aufwand verringert: Mithilfe des Geofencings kann eine automatische Meldung gemacht werden, wenn der Dienstwagen beim Kunden eintrifft und den Kunden auch wieder verlässt. „Somit könnte automatisch die Besuchszeit eingetragen und abgerechnet werden – ohne dass der Mitarbeiter einen Finger rühren muss“, erläutert Ludewig vom Mercedes-Benz Connectivity Services. Dadurch könnte das Geofencing sogar das elektronische Fahrtenbuch ein Stück weit automatisieren.

Fuhrparkmanager müssen beim Einsatz der digitalisierten Telematik-Lösungen allerdings genau abwägen – denn die Kontrolle, Transparenz und Effizienz durch die Datenverwertung hat ihren Preis – nicht nur finanziell. Durch den Spion im Dienstwagen in Form der Telematik-Box, droht der gläserne Dienstwagenfahrer. „Im Zuge der zunehmenden Digitalisierung haben wir es mit Daten zu tun, von denen Fahrzeugnutzer und Fuhrparkmanager häufig gar nichts wissen“, warnt Rechtsanwalt Lutz D. Fischer. „Das sind ganz neue Herausforderungen für den Datenschutz im Fuhrparkmanagement.“

Risiko: der gläserne Dienstwagenfahrer

Auch die Dataforce-Analysten sehen im Datenschutz ein ganz zentrales Thema für Telematik. „Die wenigsten Fuhrparkmanager wollen ihre Firmenwagenfahrer überwachen und diese sich überwachen lassen“, so Spahn.

Dieses Problem sehen auch die Telematik-Anbieter und versuchen den Dienstwagenfahrern zumindest eine gewisse Kontrolle über ihre Privatsphäre im Auto zu bieten. „Als Arbeitnehmer möchte ich wissen, was passiert mit meinen Daten und besonders als Dienstwagenfahrer“, sagt Ludewig von Daimler. „Deshalb verbleiben sie auch erst einmal beim Kunden und er kann individuell bestimmen, welche weitervermittelt werden – und welche nicht.“ Beim Angebot des Mercedes-Benz Connectivity Services sollen Dienstwagenfahrer ihre Daten deshalb per App verwalten können. In der zugehörigen App könnten Dienstwagenfahrer auf „Privatfahrt“ umstellen, woraufhin die Daten anonymisiert und nicht detailliert aufgezeichnet würden, so Ludewig.

Digitalisierung im Fuhrpark: Grauzone für den Datenschutz

„Bei den Fahrzeugdaten gibt es derzeit noch keine klare Rechtsprechung“, macht auch Thielen von Volkswagens CarMobility deutlich. Deshalb würden im „Fleet Connected“-Prozess derzeit Daten zwar mithilfe der Telematikbox vom Projektpartner TomTom gesammelt, aber dann ausschließlich dem Kunden zur Verfügung gestellt – nur er darf sie auch speichern und verwenden. Der Dienstwagenfahrer könne über eine App einstellen und überprüfen, welche Daten übermittelt werden. Personenbezogene Daten seien tabu, sagt Volkswagens Telematik-Experte.

Vergleichbare Schritte dürften bei allen Telematik-Dienstleistern thematisiert und angegangen werden. Doch welche Daten sollten Fuhrparkmanager letztendlich speichern und wo wird es datenschutzrechtlich heikel? Eine Grauzone mit Klärungsbedarf.

Sammelt und vor allem speichert die Telematik-Box im Firmenwagen viele Daten, bewegen sich Fuhrparkmanager datenschutzrechtlich auf dünnem Eis. Der Tipp des Rechtsexperten deshalb: „Hier gilt es, sparsam mit den Daten umzugehen“, sagt Fischer. Eine Option sei es, dass Personalabteilungen sich von Mitarbeitern mit Dienstwagen Einwilligungserklärungen unterschreiben lassen, die die Speicherung und Verarbeitung von Daten gestatten. „Eine solche Einwilligung ist immer ein Rechtfertigungsgrund solche Daten verarbeiten zu dürfen.“ Problematisch bleibe rechtlich aber, dass der Dienstwagenfahrer damit eine Einwilligung für Daten erteile, von denen er möglicherweise gar nichts weiß.

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