Wenn schon sowohl die Praxis als auch die Theorie des autonomen Fahrens das ganze Projekt schier endlos in die Länge ziehen und die Ingenieure und Anwälte an ihre Schmerzgrenze treiben, so gibt es dennoch Abteilungen innerhalb der Automobilindustrie, die sich aktuell so richtig austoben können. Die Rede ist von den Designern – vor allem den Interieurdesignern.
Eine Zukunft, in der die konservative Platzverteilung (Fahrer und Beifahrer vorn, zwei oder mehr Personen im Fond auf eine oder zwei Reihen verteilt) aufgebrochen werden darf, wirkt wie ein paradiesischer Nährboden für Freigeister und kreative Köpfe. Die Marketingfloskel „Wir haben auf einem weißen Blatt Papier begonnen“ trifft hier zum ersten Mal tatsächlich den Nagel auf den Kopf.
In diesen Situationen möchten die Deutschen autonom fahren
63 Prozent aller Deutschen möchten die Kontrolle beim Einparken abgeben. Das ergab eine repräsentative Umfrage des Digitalverbands Bitkom aus dem Jahr 2015.
45 Prozent möchten im Stau autonom fahren.
Auf der Autobahn möchten 15 Prozent der Befragten die Kontrolle abgeben.
Neun Prozent möchten im Stadtverkehr autonom unterwegs sein.
Sieben Prozent wollen auf allen Straßen die Kontrolle übers Fahren abgeben.
27 Prozent möchten die Kontrolle gar nicht abgeben.
Das autonome Fahren sorgt für ein völlig neues Fahr- und damit auch Komfortgefühl. Ein Gefühl, das durch einen neuen Umgang komplett neue Gestaltungsmöglichkeiten bietet. „Die Wahl der Farben und Materialien im Innenraum eines autonom fahrenden Autos wird immer wichtiger“, weiß nicht nur Serife Celebi, zuständig bei Ford für Farben und Materialdesign. Denn das Auto wird zu einem rollenden Wohn- und natürlich auch Arbeitszimmer.
Und auch bei Mercedes-Benz ist klar: „Wer nur an die Technik denkt, hat noch nicht erkannt, wie das autonome Fahren unsere Gesellschaft verändern wird“, betont Dieter Zetsche, Vorstandsvorsitzender der Daimler AG und Leiter Mercedes-Benz Cars. „Das Auto wächst über seine Rolle als Transportmittel hinaus und wird endgültig zum mobilen Lebensraum.“
Wie weit fortgeschritten dieser Gedanke eines rollenden Arbeitsplatzes schon heute ist, zeigen nicht nur Fahrzeugstudien, sondern auch schon auf den Straßen fahrende Premiumfahrzeuge. Vom gewaltigen Flachbildschirm für eine gelungene Präsentation während der Fahrt, über Schnitt- und Ladestellen für Laptop, Smartphone und auch Spielekonsolen bis hin zum W-Lan-Hotspot für mehrere mobile Endgeräte ist schon heute alles an Bord.
Noch viele Hürden für selbstfahrende Autos
Autopiloten sind in Flugzeugen Standard. Auch in Schiffen übernimmt zumindest außerhalb der Häfen oft der Computer das Ruder. Am Ende geht es auch beim autonomen Fahren um einen Autopiloten, der das Fahrzeug steuert. Doch der Autoverkehr ist komplex. Auf der Autobahn können die Prototypen der Industrie bereits ohne größere Probleme ohne Eingriffe des Fahrers unterwegs sein. Im Stadtverkehr wird es schon schwieriger. Halbautomatische Funktionen sind allerdings inzwischen Alltag. Ob Tempomaten, Einparkhilfen, Stauassistenten oder Abstandsregler - viele Funktionen entlasten den Fahrer bereits. Auch etwa Mähdrescher können längst eigenständig über das Feld fahren.
Eins der wichtigsten Argumente ist die Sicherheit. Die meisten Unfälle gehen auf Fahrfehler zurück. Weit oben in der Statistik: zu hohe Geschwindigkeit, zu geringer Abstand oder Abbiegefehler. Automatisch gesteuerte Autos würden solche Fehler minimieren. Denn Risikofreude, Spaß an der Geschwindigkeit und Selbstüberschätzung kennt ein Computer nicht. Er bremst, wenn der Abstand zu gering wird und nimmt nicht aus Unachtsamkeit anderen die Vorfahrt.
Die Entwicklung ist recht weit fortgeschritten. BMW etwa testet seit Jahren automatisch fahrende Autos, auch auf deutschen Autobahnen. Die Fahrzeuge können auch eigenständig überholen. Solche Tests müssen sich die Hersteller aber von Behörden genehmigen lassen. Audi ließ jüngst zur US-Technikmesse CES einen Wagen „autonom“ rund 900 Kilometer aus dem Silicon Valley nach Las Vegas fahren. Auch Daimler präsentierte auf der CES seine Vision für ein selbstfahrendes Auto der Zukunft. Der silberne Mercedes-Prototyp fuhr autonom auf die Bühne nach einer Tour durch die Wüste und die Hotel-Meile der Glücksspiel-Stadt. Zumindest für die Autobahn können sich manche Hersteller pilotiertes Fahren bereits in fünf bis sieben Jahren vorstellen.
Hier beginnen die Schwierigkeiten jenseits der Technik. Die erste Hürde ist das „Wiener Übereinkommen für den Straßenverkehr“ von 1968, das die Basis für die meisten Verkehrsregelungen ist. Darin gibt es zwar Hinweise zu Zugtieren, aber von selbstfahrenden Autos ist nicht die Rede. Dafür aber davon, dass jedes Auto einen Fahrer braucht, der am Ende verantwortlich ist. Dass Autofahrer am Ende Verantwortung und Kontrolle völlig abgeben werden, gilt eher als unwahrscheinlich. Noch fehlen dafür aber Regeln und Gesetze. Bei den bisher fahrenden Prototypen auf normalen Strecken müssen in Deutschland die Fahrer darauf geschult sein.
Europas größter Versicherer, die Allianz, würde auch selbstfahrende Autos versichern. Allerdings würde sich die Risikoeinschätzung ändern, denn das Risiko verlagere sich vom menschlichen Fehler des Fahrers zum Entwickler der Autopiloten. Allerdings glauben die Versicherer nicht daran, dass es vollständig selbstfahrende Auto geben wird. Ein Fahrer werde auch künftig einen Führerschein brauchen, und das Gefährt im Notfall oder in Situationen wo es nötig ist, kontrollieren zu können.
Sicherlich auch, um Kunden mit immer ausgereifteren Extras zu locken. Doch daneben spielt auch die mögliche Konkurrenz durch andere Spieler eine Rolle. So arbeitet etwa auch der Internetkonzern Google seit einigen Jahren an selbstfahrenden Autos.
Studienfahrzeuge wie der F 015 Luxury in Motion von Mercedes-Benz reizen die Möglichkeiten, die sich in einem fahrerlosen Innenraum ergeben, aber erst richtig aus. So ist die zentrale Idee dieses Forschungsfahrzeugs ein kontinuierlicher Informationsaustausch zwischen Fahrzeug, Passagieren und Außenwelt. Hierzu dienen sechs rundum installierte, harmonisch in die Armaturentafel sowie die Rück- und Seitenwände integrierte Displays, die das Interieur zu einem digitalen Erlebnisraum. Die Passagiere können über Gesten oder Berührung der hochauflösenden Bildschirme intuitiv mit dem vernetzten Fahrzeug interagieren.
In wieweit die phantastischen, rollenden, automobilen Phantasiewelten dann tatsächlich irgendwann einmal Realität werden, bleibt natürlich abzuwarten. Die Nachspielzeiten in der Arbeitswelt könnten aber auf jeden Fall angenehmer werden.