Dienstwagen-Psychologie Was der Dienstwagen über seinen Fahrer aussagt

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Warum BMW viele 3er-Fahrer verliert

Den Fahrern eines BMW 5ers sind Image, Design und Stolz wichtig – insgesamt sind die Ausschläge aber weniger extrem als bei Audi oder Mercedes. Dennoch sind die Ergebnisse für den 5er sehr interessant, vor allem wegen der Unterschiede zum kleineren 3er. Beim Audi A4 und der Mercedes C-Klasse ähneln die Psychogramme denen der größeren Modelle, nicht so bei BMW. Hier zählen andere Werte – der Fahrer eines 3ers legt viel mehr Wert auf Performance, Faszination und Unabhängigkeit.

„Das erklärt, warum BMW die Kunden vom 3er häufig nicht auf den 5er behalten kann“, sagt Hossiep. „Die gehen eher auf einen Audi A6 oder bleiben beim 3er.“

In Unternehmen stellt sich die Frage nach dem Wechsel der Fahrzeugklasse aber meist nicht – es sei denn, es gab eine Beförderung. Doch selbst dann ist der Chef der Maßstab. „Anders sieht es aus, wenn der Chef selbst Benzin im Blut und einen außergewöhnlichen Firmenwagen hat“, sagt der Wirtschaftspsychologe. Dann gibt es unter Umständen mehr Freiheiten. Es ist aber immer noch Vorsicht geboten: „Will man dem Chef nacheifern, können das wiederum Kollegen negativ sehen.“

Wegen der Neid-Debatte bleiben viele bei den Dienstwagen-Klassikern – mit den Bestsellern aus dem Hause Volkswagen bleibt man unter dem Radar. Passat und Golf sind so verbreitet, dass sie kaum auffallen. Dass sich das auch viele Fahrer wünschen, zeigt das RUB-Psychogramm eines VW Golf: Lediglich bei Beständigkeit und Funktionalität gibt es einen leicht positiven Ausschlag, bei Individualität einen leicht negativen. Ansonsten liegen Werte wie Performance, Unabhängigkeit und Stolz nahe der Gleichgültigkeit.

Unauffällige, aber gefällige Autos mit moderner Ausstattung haben sich als Dienstwagen zu einem wichtigen Verkaufssektor für die Autoindustrie entwickelt. Wie auch bei den Gesamt-Zulassungen liegt auch Volkswagen bei den Dienstwagen laut dem Firmenwagenmonitor 2016 von COP CompensationPartner mit einem Anteil von 28,3 Prozent vorne. Mit den Marken Audi (18,7 Prozent) und Skoda (8,3 Prozent) stellt der VW-Konzern mehr als die Hälfte der in Deutschland zugelassenen Firmenwagen. Am Vertrauen der deutschen Fuhrparkmanager in den Konzern konnte auch der Dieselskandal nichts ändern – in den Vorjahren kam das Markentrio auf ganz ähnliche Werte.

Abgasskandal kann sich erst später auswirken

Teilweise verhindern aber auch Liefer- und Leasingverträge den schnellen Markenwechsel. So kann es noch etwas dauern, bis eine geänderte Nachfrage auch bei den Dienstwagen-Marktanteilen sichtbar wird – falls nicht die unternehmenseigenen Fuhrpark-Vorschriften im Weg stehen. „Bei Dienstwagen haben wir ein hohes Maß an Trägheit“, sagt Hossiep. „Es gibt eine enorme Verzögerung, bis in Unternehmen die Dienstwagenrichtlinien an die Nachfrage angepasst werden.“

Das erklärt auch, warum sich Autobauer wie Hyundai und Kia oder Jaguar im Premiumsegment trotz vergleichbarer Modelle und Konditionen auf dem Dienstwagenmarkt schwer tun – zumindest bei Unternehmen. Selbstständige sind da natürlich freier in der Marken- und Modellwahl, aber auch hier stehen Hürden im Weg. „Jaguar haftet noch das alte Image an, schöne aber unzuverlässige Autos zu bauen“, so der Wirtschaftspsychologe. „Der Eigentümerwechsel und auch die Qualität der neuen Modelle haben sich nicht bei allen Verbrauchern, die theoretisch für einen Jaguar infrage kommen, festgesetzt.“

Das könnte auch eine andere Marke im Dienstwagen-Sektor vorerst ausbremsen, bei der Hossiep gerade einen Frühindikator für Wachstum sieht. In dem ebenfalls erhobenen „Involvement Index“ erfasst der Psychologe, wie stark Autofahrer über ihre Marke diskutieren – also eine emotionale Verbundenheit zeigen. „Alfa Romeo ist stark im Kommen. Da sehen wir in unseren Daten einen Frühindikator“, sagt Hossiep. „Sie waren dramatisch abgeschmiert, explodieren aber derzeit regelrecht – wenn auch auf recht niedrigem Niveau.“

Die italienische Marke, die etwa mit der Mittelklasse-Limousine Giulia und dem angekündigten SUV Stelvio für den Fuhrpark infrage kommen würde, gehört im Involvement-Index 2016 nach Land Rover zu den stärksten Gewinnern. Doch Alfa muss noch lange weiter wachsen, um die starken Verluste der vergangenen Jahre wieder auszumerzen.

Bis dahin bleibt es bei den deutschen Dienstwagen-Favoriten. Und die sind nach wie vor Volkswagen, Audi, BMW und Mercedes-Benz.

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