Dienstwagen-Psychologie Was der Dienstwagen über seinen Fahrer aussagt

Die deutschen Dienstwagen-Favoriten. kommen von Volkswagen, Audi, BMW und Mercedes-Benz. Quelle: imago images

Der Firmenwagen ist ein Statussymbol und Statement – vor allem innerhalb des Unternehmens. Ein Psychologe erklärt, welches Modell was über Sie aussagt – und welche Hürden dem Traum-Dienstwagen im Weg stehen.

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Dieser Artikel erschien erstmals im im Februar 2017 bei der WirtschaftsWoche.

Beim Gehaltsgespräch geht nichts mehr? Dann reden Sie mit Ihrem Vorgesetzten doch über einen Dienstwagen. Auch wenn sich das Mobilitätsverhalten ändert und das eigene Auto gerade in der jüngeren Bevölkerung an Bedeutung verliert, sind Firmenwagen in Deutschland nach wie vor beliebt – ob als Incentive oder als Statussymbol auf Rädern.

Für den Arbeitgeber kann sich das lohnen: Wenn der Arbeitnehmer den Dienstwagen auch privat nutzen darf, gilt er als Teil der Vergütung. So reduzieren sich Bruttogehalt und damit auch Lohnnebenkosten um den geldwerten Vorteil des Fahrzeugs. Zudem kann der Arbeitgeber Anschaffung und Unterhalt des Wagens als Betriebsausgaben abschreiben.

Auf den Arbeitnehmer hingegen kommen nach der Grundsatzentscheidung für einen Firmenwagen wichtige Fragen zu: Ersetzt der Dienstwagen das eigene Auto vollständig oder benötige ich noch einen Zweitwagen? Soll der geldwerte Vorteil der Privatfahrten nach der Ein-Prozent-Regelung oder mit einem Fahrtenbuch für die Steuer erfasst werden? Und nicht zuletzt: Welches Modell ist meiner Position im Unternehmen angemessen?

Beim Dienstwagen-Modell grenzen oft unternehmenseigene Richtlinien die Auswahl ein. Manchmal stehen nur zwei oder drei Modelle zur Wahl, in anderen Unternehmen muss es ein silberner Kombi eines deutschen Herstellers mit Dieselmotor sein, der ins Budget passt. Ist die Wahlmöglichkeit so klein, ist laut Rüdiger Hossiep die interne Wirkung gegenüber Kollegen wichtiger als das Bild nach außen. „In Unternehmen neigen die Mitarbeiter dazu, das Etikett ihres Dienstwagens nach innen zu tragen, nicht nach außen“, sagt der Professor für Wirtschaftspsychologie an der Ruhr-Universität Bochum (RUB).

Der Chef ist der Maßstab

Der oberste Maßstab ist meist der Chef oder direkte Vorgesetzte – schließlich will man nicht unangenehm auffallen. „Es wäre schon fast Blasphemie, wenn man als Angestellter einen Jaguar fährt, während der Chef einen Mercedes hat – auch wenn das Auto des Chefs größer und teurer ist“, sagt Hossiep. Ein ausgefalleneres Auto als der Chef ist nach wie vor ein No-Go.

Sind zum Beispiel lediglich Fahrzeugklasse und Preisobergrenze vorgeschrieben, gibt es neben dem Auto des Chefs noch einen weiteren wichtigen Punkt: Können Sie sich selbst mit der Marke und dem Modell identifizieren? In seinen jahrelangen Forschungen hat Hossiep eine Datenbank aufgebaut, mit der er nicht nur die passende Automarke für einen Fahrer bestimmen, sondern auch psychologisch begründete Aussagen über einzelne Baureihen oder gar Modell-Varianten treffen kann.

Um das Profil eines Autofahrers zu bestimmen, fragen die RUB-Forscher die Meinung in Bereichen wie „Fühlen & Erleben“, „Ausdruck des Selbst“ oder auch die Selbsteinschätzung des Fahrstils ab. Aus insgesamt 13 Faktoren ergibt sich so ein Profil, das die Ansprüche an Werte wie Beständigkeit, Performance, Image, Faszination, Gelassenheit und Design erfasst – sowohl für das Fahrzeugmodell als auch für den Fahrer. Je geringer die Abweichung, desto besser passt das Auto zum Fahrer.

So werden die Dienstwagen-tauglichen Limousinen, Kombis und zum Teil auch SUV der deutschen Premium-Hersteller in den Vergleichstests der Fachpresse als immer ähnlicher und austauschbarer beurteilt. Die Nase hat der vorne, der gerade frisch auf dem Markt ist und in der Momentaufnahme die modernste Technik bietet.

Die Profi-Tester stützen ihre Aussagen auf Messewerte zu Verbrauchs- und Fahrleistungen oder den subjektiven Qualitätseindruck im Innenraum. Dabei mögen in der Tat immer ähnlichere Ergebnisse zustande kommen. Das heißt aber noch lange nicht, dass die Fahrer von Dienstwagen-Modellen wie dem Audi A6, BMW 5er oder der Mercedes E-Klasse keinen Unterschied mehr zwischen ihren Fahrzeugen machen. Im Gegenteil.

Gerade zwischen dem Audi A6 und der E-Klasse hat Hossiep starke Abweichungen bei einzelnen Werten festgestellt. Wer eine E-Klasse fährt, legt im Vergleich zur Kundschaft des A6 und teilweise auch des 5ers deutlich mehr Wert auf Beständigkeit, Funktionalität und Gelassenheit. Das Interesse an Performance und Aggressivität liegt beim E-Klasse-Fahrer hingegen nahe der Null-Linie – hier erreicht aber der A6-Fahrer die höchsten Werte. Weniger wichtig sind ihm hingegen Individualität und vor allem die Gelassenheit.

Warum BMW viele 3er-Fahrer verliert

Den Fahrern eines BMW 5ers sind Image, Design und Stolz wichtig – insgesamt sind die Ausschläge aber weniger extrem als bei Audi oder Mercedes. Dennoch sind die Ergebnisse für den 5er sehr interessant, vor allem wegen der Unterschiede zum kleineren 3er. Beim Audi A4 und der Mercedes C-Klasse ähneln die Psychogramme denen der größeren Modelle, nicht so bei BMW. Hier zählen andere Werte – der Fahrer eines 3ers legt viel mehr Wert auf Performance, Faszination und Unabhängigkeit.

„Das erklärt, warum BMW die Kunden vom 3er häufig nicht auf den 5er behalten kann“, sagt Hossiep. „Die gehen eher auf einen Audi A6 oder bleiben beim 3er.“

In Unternehmen stellt sich die Frage nach dem Wechsel der Fahrzeugklasse aber meist nicht – es sei denn, es gab eine Beförderung. Doch selbst dann ist der Chef der Maßstab. „Anders sieht es aus, wenn der Chef selbst Benzin im Blut und einen außergewöhnlichen Firmenwagen hat“, sagt der Wirtschaftspsychologe. Dann gibt es unter Umständen mehr Freiheiten. Es ist aber immer noch Vorsicht geboten: „Will man dem Chef nacheifern, können das wiederum Kollegen negativ sehen.“

Wegen der Neid-Debatte bleiben viele bei den Dienstwagen-Klassikern – mit den Bestsellern aus dem Hause Volkswagen bleibt man unter dem Radar. Passat und Golf sind so verbreitet, dass sie kaum auffallen. Dass sich das auch viele Fahrer wünschen, zeigt das RUB-Psychogramm eines VW Golf: Lediglich bei Beständigkeit und Funktionalität gibt es einen leicht positiven Ausschlag, bei Individualität einen leicht negativen. Ansonsten liegen Werte wie Performance, Unabhängigkeit und Stolz nahe der Gleichgültigkeit.

Unauffällige, aber gefällige Autos mit moderner Ausstattung haben sich als Dienstwagen zu einem wichtigen Verkaufssektor für die Autoindustrie entwickelt. Wie auch bei den Gesamt-Zulassungen liegt auch Volkswagen bei den Dienstwagen laut dem Firmenwagenmonitor 2016 von COP CompensationPartner mit einem Anteil von 28,3 Prozent vorne. Mit den Marken Audi (18,7 Prozent) und Skoda (8,3 Prozent) stellt der VW-Konzern mehr als die Hälfte der in Deutschland zugelassenen Firmenwagen. Am Vertrauen der deutschen Fuhrparkmanager in den Konzern konnte auch der Dieselskandal nichts ändern – in den Vorjahren kam das Markentrio auf ganz ähnliche Werte.

Abgasskandal kann sich erst später auswirken

Teilweise verhindern aber auch Liefer- und Leasingverträge den schnellen Markenwechsel. So kann es noch etwas dauern, bis eine geänderte Nachfrage auch bei den Dienstwagen-Marktanteilen sichtbar wird – falls nicht die unternehmenseigenen Fuhrpark-Vorschriften im Weg stehen. „Bei Dienstwagen haben wir ein hohes Maß an Trägheit“, sagt Hossiep. „Es gibt eine enorme Verzögerung, bis in Unternehmen die Dienstwagenrichtlinien an die Nachfrage angepasst werden.“

Das erklärt auch, warum sich Autobauer wie Hyundai und Kia oder Jaguar im Premiumsegment trotz vergleichbarer Modelle und Konditionen auf dem Dienstwagenmarkt schwer tun – zumindest bei Unternehmen. Selbstständige sind da natürlich freier in der Marken- und Modellwahl, aber auch hier stehen Hürden im Weg. „Jaguar haftet noch das alte Image an, schöne aber unzuverlässige Autos zu bauen“, so der Wirtschaftspsychologe. „Der Eigentümerwechsel und auch die Qualität der neuen Modelle haben sich nicht bei allen Verbrauchern, die theoretisch für einen Jaguar infrage kommen, festgesetzt.“

Das könnte auch eine andere Marke im Dienstwagen-Sektor vorerst ausbremsen, bei der Hossiep gerade einen Frühindikator für Wachstum sieht. In dem ebenfalls erhobenen „Involvement Index“ erfasst der Psychologe, wie stark Autofahrer über ihre Marke diskutieren – also eine emotionale Verbundenheit zeigen. „Alfa Romeo ist stark im Kommen. Da sehen wir in unseren Daten einen Frühindikator“, sagt Hossiep. „Sie waren dramatisch abgeschmiert, explodieren aber derzeit regelrecht – wenn auch auf recht niedrigem Niveau.“

Die italienische Marke, die etwa mit der Mittelklasse-Limousine Giulia und dem angekündigten SUV Stelvio für den Fuhrpark infrage kommen würde, gehört im Involvement-Index 2016 nach Land Rover zu den stärksten Gewinnern. Doch Alfa muss noch lange weiter wachsen, um die starken Verluste der vergangenen Jahre wieder auszumerzen.

Bis dahin bleibt es bei den deutschen Dienstwagen-Favoriten. Und die sind nach wie vor Volkswagen, Audi, BMW und Mercedes-Benz.

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