Elektroauto als Dienstwagen Wenn der Chef sein E-Auto mit den Mitarbeitern teilt

Aachens Oberbürgermeister Marcel Philipp hat sein privates E-Auto zum Dienstwagen seiner Mitarbeiter gemacht. Sie können den Wagen per App dienstlich nutzen. Zukunftsmusik oder die verrückte Idee eines Einzelnen?

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Aachens Oberbürgermeister Marcel Philipp Quelle: Stadt Aachen/Andreas Schmitter

Mit dem Elektroauto quer durch Aachen – für Oberbürgermeister Marcel Philipp ist das die ideale Fortbewegung. Dafür setzt er sich ein – und nutzt dazu selbst private Mittel. Der Dienstwagen Philipps, der seit 2009 im Aachener Rathaus regiert, ist zwar „nur“ ein Plug-in-Hybrid. Doch die Zukunftsvision Philipps ist klar: ein emissionsfreier Dienstwagen soll folgen. Privat ist der CDU-Politiker schon so weit. Sein eigenes Auto hat einen reinen Elektroantrieb.

Als Oberbürgermeister hat er sich zum Ziel gesetzt, dass in der Aachener Innenstadt ausschließlich elektrische Fahrzeuge unterwegs sind. Und das lieber heute als morgen. Dafür will er Vorbild sein – und die Aachener Stadtverwaltung soll mitziehen. Für sie hat er ein Sharing- und Elektromobilitätskonzept entwickeln lassen, dass die Dienstwagen reduzieren und emissionsfrei machen soll. Dazu gehört, dass er sein privates E-Auto den Mitarbeitern der Aachener Verwaltung als Dienstwagen zur Verfügung stellt. Im Interview spricht der Rathaus-Chef über seine Motivation, die Erfahrungen und Herausforderungen des Projekts.

WirtschaftsWoche Online: Herr Philipp, Sie sind als Oberbürgermeister sowohl in Ihrem Plug-in-Hybrid-Dienstwagen als auch einem reinen E-Auto, das Sie privat fahren, unterwegs – wieso?
Marcel Philipp: Zunächst einmal ist Aachen eine Stadt der kurzen Wege. Es macht hier nicht allzu großen Sinn, Fahrzeuge zu nutzen, die für große Reichweiten ausgelegt sind, wenn man nur kurze Strecken fährt. Und da wir aufgrund der Talkessel-Lage Aachens eine große Diskussion über die Luftverschmutzung in unserer Stadt haben, will ich hier ein Vorbild sein. Mir ist es sehr wichtig dazu beizutragen, die bestmögliche – emissionsarme, wenn nicht sogar emissionsfreie – Fortbewegung zu organisieren.

Zur Person

Ein Plug-in-Hybrid als Dienstwagen des Oberbürgermeisters ist noch nicht alltäglich – war es leicht, den als Dienstwagen durchzusetzen?
Das war überhaupt kein Problem! Das Problem ist eher, dass wir uns eigentlich eine bessere Elektro-Reichweite gewünscht hätten, als wir sie bekommen haben. Immerhin kann mein Dienstwagen in der Stadt 30 bis 40 Kilometer elektrisch gefahren werden, aber wenn ich den ganzen Tag in der Stadt mehrere Termine habe, dann stößt der Wagen schnell an seine Grenzen. Da würde ich mir mehr Flexibilität beim rein elektrischen Antrieb wünschen. So weit sind wir noch nicht, ich denke aber dass die Autoindustrie in den nächsten Monaten bis Jahren diese Nachfrage erfüllen können wird.

Ist das auch der Grund, warum Ihnen der reine Stromer als Dienstwagen noch nicht reicht?
Genau. Als Oberbürgermeister muss ich viele Termine in der Region Aachen-Maastricht-Lüttich wie auch Termine im Rheinland wahrnehmen. Dann geht es auch bis nach Köln, Bonn oder Düsseldorf und darüber hinaus. Für diese Strecken gibt es faktisch noch keinen adäquaten elektrischen Wagen, der diese Aufgabe übernehmen könnte.

Fakten zu Aachen

Nun greifen Sie an anderer Stelle aber auf Ihr Privatfahrzeug zurück, der wiederum ein reines Elektroauto ist...
Richtig. Für die kurzen Strecken innerhalb der Stadt ist das tatsächlich die angenehmste, günstigste und für die Luftreinhaltung beste Möglichkeit, sich fortzubewegen. Auch das ist natürlich für mich auf den Vorbildcharakter ausgelegt. Ich bin davon überzeugt, dass wir die Lebensqualität in großen Städten massiv verbessern können, indem wir einen hohen Anteil rein elektrischer und damit emissionsfreier Fahrzeuge nutzen. Damit reduzieren wir sowohl den Lärm, als auch den Schadstoffausstoß und beides zusammen genommen macht einen erheblichen Effekt in der Innenstadt aus.

Begründet sich in dieser Vorbildrolle Ihre ganz persönliche Motivation?
In erster Linie ja. Hier in Aachen haben wir aber im Bereich der Forschung auch eigene gute Projekte, in denen die Elektromobilität neu gedacht, entwickelt und inzwischen auch produziert wird. Damit steckt für mich als Oberbürgermeister natürlich auch ein wirtschaftliches Interesse dahinter, wenn ich die Elektromobilität forciere.

Ein Elektroauto als Dienstwagen

Ein Hybrid oder E-Auto als Dienstwagen – sind Sie damit eine seltene Ausnahme oder einfach ein Mann der ersten Stunde?
Ich erlebe es im Gespräch mit Kollegen aus anderen Städten so, dass jeder über das Thema nachdenkt, spricht und versucht, Konzepte zu entwickeln. Zugleich nehme ich aber auch wahr, dass wir am Forschungsstandort Aachen einen gewissen Vorsprung haben – sowohl bei der Entwicklung von Fahrzeugen, als auch bei der Entwicklung von Digitalisierungskonzepten.

Ist es denn grundsätzlich ein schwieriger Schritt, die Nutzung von Hybrid- und Elektrofahrzeugen zu verwirklichen?
Ein Effekt, wenn jemand ein Elektroauto zum ersten Mal fährt, ist die Begeisterung von der Art des Fahrens. Ich glaube, diese Begeisterung entsteht sehr schnell und steckt an. Viel mehr Überzeugung bedarf es dabei dann nicht mehr. Das Ganze muss allerdings auch wirtschaftlich sein und wenn ein Elektroauto viele tausend Euro teurer ist als ein Wagen mit Verbrennungsmotor, dann ist die Argumentation zugunsten des E-Autos häufig schwierig. Ich glaube jedoch, dass wir gerade die Schwelle erreichen, an der Elektromobilität wirtschaftlich wird. Wenn die Deutsche Post ein Fahrzeug hier in Aachen produzieren lässt, dass rein elektrisch fährt und wirtschaftlicher ist als Diesel und Benziner, dann glaube ich, wird jedem deutlich, dass die Preisunterschiede langsam zerfallen und man sich demnächst auch aus Wirtschaftlichkeit mit Elektromobilität beschäftigen sollte.

Nun sorgen Sie als Chef im Rathaus auch dafür, dass sich Ihre Mitarbeiter in der Verwaltung mit Elektromobilität beschäftigen, indem Sie Ihnen Ihr privates Elektroauto als Dienstfahrzeug tagsüber zur Verfügung stellen. Wie kamen Sie auf diese Idee?
Mein privates Elektrofahrzeug würde tagsüber überwiegend im Parkhaus stehen, wenn ich es nicht selber benötige. Insofern stelle ich es zu bestimmten Zeiten den Mitarbeitern zur Verfügung. Dafür trage ich es in ein Buchungssystem ein. Mithilfe der Software kann sich jeder Mitarbeiter über das Smartphone so unter anderem mein Elektroauto oder ein Elektrofahrrad individuell für Dienstfahrten buchen. Das sind wenige Klicks, geht ganz unkompliziert und einfach – und mein Privatwagen steht weniger rum.

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Viele dürften sich fragen, warum gibt ein Oberbürgermeister sein privates E-Auto für solche Zwecke her...
Eine Grundsatzfrage für mich ist: Wie können wir die Innenstadt vor der Überlastung durch zu viele Fahrzeuge schützen? Eine Antwort darauf ist die Sharing-Economy. Sie bietet viele Konzepte. Wenden wir einige in der Verwaltung an, können wir die Anzahl der Fahrzeuge in der Aachener Innenstadt halbieren. Die Mitarbeiter müssen nicht mit dem eigenen Pkw Dienstfahrten erledigen, können das Privatauto also im besten Fall sogar zu Hause stehen lassen und den öffentlichen Nahverkehr nutzen, denn vom Büro aus können sie mit den Dienstwagen unterwegs sein. Das verbessert die Situation in unserer Innenstadt immens – sowohl Verkehrsaufkommen als auch die Luftqualität.

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Wie sind die Reaktionen auf Ihr Sharing- und E-Mobilitätskonzept?
Wir hatten eine sehr lange Vorbereitungszeit mit verschiedenen Testphasen, mit denen wir sehr gute Erfahrungen gemacht haben. Zum einen zeigte sich, dass das Sharing-Konzept mit Elektromobilität wirtschaftlich sinnvoll ist. Zum anderen ist es eine komfortable Art, Dienstfahrten zu organisieren. Natürlich greifen wir auch in Besitzstände ein – und hier gibt es auch immer wieder Unstimmigkeiten. Die gehören meiner Meinung nach aber zum Wandlungsprozess dazu.

Und wie ist es für Sie, wenn Sie nach der Arbeit zu Ihrem Privatwagen kommen...
Dann ist manchmal der Sitz anders eingestellt oder die Spiegel verändert. Dann merke ich, dass mein Auto heute von jemand anderem benutzt worden ist, der nicht meine Körpergröße hat. Das ist schon erst einmal merkwürdig. Wenn man aber einmal den Schalter im Kopf umgelegt hat, dass man ein Auto nicht nur für sich besitzen muss, dann klappt das ganz gut.

Ich glaube, dass es sich in den großen Städten ohnehin etabliert, dass man auf Autos zugreift, die einem nicht selber gehören – warum sollte ich das nicht auch mit dem eigenen Fahrzeug tun. Und das hat zudem den Vorteil, dass man sich dazu zwingt, den eigenen Wagen immer aufgeräumt zu halten.

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