„Eine voll elektrische Flotte lohnt sich innerhalb eines größeren Energiegesamtkonzepts“, sagt denn auch Roland Schüren, Bäckermeister mit BWL-Abschluss aus Hilden. Den Satz hat er schon oft gesagt: zur Lokalpresse, bei der Handwerkskammer, zur Bürgermeisterin. Die Kosten interessieren alle.
Bei der Bäckerei Schüren haben sie das Elektrifizieren ihrer Lieferwagenflotte zur Chefsache erhoben. Schüren fährt ein Tesla Model S, fünf seiner Mitarbeiter fahren kleinere E-Pkws; dazu kommen sieben vollelektrische Kleintransporter für die Backwaren und zwei Twizys; das sind einsitzige Elektro-Quads, ähnlich Kabinenrollern aus den Fünfzigern. „Die dürfen meine Azubis fahren“, sagt Schüren, „auf dem Berufsschulparkplatz sind sie damit natürlich die Kings.“
Schüren will seine Elektroflotte weiter ausbauen. Sein ganzer Stolz sind acht Ladesäulen, säuberlich aufgereiht vor seinem Hildener Stammsitz, überdacht von Solarzellen. Ökologisch vorbildlich. Aber auch ökonomisch? Auf den ersten Blick kann sich Schürens E-Mobilkonzept nicht lohnen: Ein großer, umgebauter Mercedes-Sprinter-Bus kostet 80.000 Euro – 2,5 Mal so viel wie ein baugleicher Diesel. Er schafft gut 180 Kilometer. Für kürzere Touren setzt Schüren die viel günstigeren, aber kleineren Nissan-Elektro-Vans ein. Die kosten etwa 6.000 Euro mehr als die Nissan-Diesel. Weil Schürens Lieferautos enorme Laufleistungen absolvieren, „haben wir die Mehrkosten durch eingesparten Sprit und geringere Wartungskosten nach neun bis zwölf Monaten drin“, sagt Schüren.
Ökonomisch sinnvoll wird die elektrische Backwarenflotte, weil Schüren seinen eigenen Solarstrom erzeugt: eine 185 Kilowatt-Anlage produziert genügend Strom, um Backstube und E-Autos zu betreiben. „Meine Angestellten dürfen ihre Autos hier umsonst laden, aber nicht vor 13 Uhr, da brauche ich den Strom noch in der Bäckerei“, erklärt Schüren. Ab einer Fahrleistung von etwa 40.000 Kilometern pro Jahr lohne sich das E-Auto, so Schüren, wenn man den benötigten Strom mit der eigenen Solaranlage erzeugen kann. „Privatleuten reicht dafür meist eine 10-Kilowatt-Anlage“, sagt Schüren, „die kostet rund 16.000 Euro und kann während ihrer Lebensdauer drei E-Autos nacheinander mit Strom versorgen.“
Schürens Ruf als E-Pionier hat sich im Mittelstand herumgesprochen. Kürzlich erkundigte sich ein Kollege aus Stuttgart bei ihm nach Kosten und Tauglichkeit der E-Flotte. „Der hat seine fünf Filialen alle in der Innenstadt, bei Feinstaubalarm haben seine Diesel Fahrverbot“, erklärt Schüren, „dann bekommt er seine Ware schlicht nicht in die Läden.“
Sind Schürens E-Lieferwagen alltagstauglich? „Theoretisch ja; die längste Tagesstrecke ist 150 Kilometer“, sagt Schüren. In der Praxis ist es wie immer mit der E-Mobilität im Jahre 2016: Nur wenn alle mitdenken, klappt es. Einmal vergaß der Disponent, dass der Fahrer rein elektrisch unterwegs war, und schickte ihn auf dem Weg nach Bochum „noch eben an der Mensa der Uni Wuppertal vorbei“. Liegt ja auf dem Weg. Quasi. Für einen Diesel: ja. Für den E-Mercedes waren das die entscheidenden 13 Kilometer Umweg zu viel: Der Akku lief leer, der Wagen musste eine Stunde an einem Supermarkt per Verlängerungskabel zwischenladen.