Elektroautos Ist das Ihr neuer Dienstwagen?

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Ganz bequem im Premiumsegment

Klaus Baumgärtner, Chef von 500 Computerspezialisten bei Bridging IT, wirkt müde an diesem Sommervormittag auf der A6 bei Mannheim, während sein Wagen leise im Verkehr mitschwimmt. Am Wochenende hat er mit seinen beiden Söhnen einen spontanen Trip nach Bordeaux unternommen, 1300 Kilometer rein elektrisch mit dem Tesla – kein Problem. Vier Mal musste Baumgärtner auf dem Weg an den Atlantik an die Ladesäule, „etwa alle 350 Kilometer“, sagt er, „das würde ich auch mit einem Verbrenner tun; ich will ja nicht 1300 Kilometer am Stück durchheizen.“

Tesla hat seine Schnellladesäulen in ganz Westeuropa über die Autobahnen verteilt; spätestens alle 150 Kilometer können Kunden dort nachladen – egal, in welche Richtung sie unterwegs sind. Mit bis zu 135 Kilowatt schießen die Lader die Elektronen in die Lithium-Ionen-Akkus: drei bis elf Mal schneller als die Konkurrenz. So ist selbst der größte derzeit erhältliche Autoakku in gut 30 Minuten wieder fast voll. „Wenn man mit leerem Akku liegen bleiben will, muss man sich dumm anstellen“, sagt Baumgärtner.

Pause bei einem Burger King auf der A6 zwischen Mannheim und Stuttgart auf dem Weg nach München. Das würde der Wagen zwar laut Bordsystem knapp schaffen. Aber Baumgärtner hat sich angewöhnt, die Ladestopps effizient in seinen Arbeitsalltag zu integrieren: Während der 14 Minuten, die der Tesla an der Säule hängt, um ganz voll zu laden, checkt Baumgärtner seine Mails auf dem iPhone. Dort informiert ihn eine App über den Ladefortschritt des Autos. Das Bordsystem – eine Kombination aus Navi und Akkustandkontrolle – zeigt die nächsten freien Ladeplätze auf dem Weg nach München an. Und die übernächsten, falls wir diese auslassen wollen.

22 E-Autos, davon 18 Tesla Model S, haben Baumgärtners IT-Berater in ihrer Dienstwagenflotte, jeder sechste Firmenwagen ist dort ein Stromer. Die Außendienstler nutzen ihre Tesla „wie jeden anderen Dienstwagen“, sagt Flottenmanager Dirk Braun. Soll heißen: Auch für Langstrecke, auch privat am Wochenende, sie fahren an die See und in den Skiurlaub. Das klappt? „Das klappt“, sagt Braun. Zwar bräuchten die Tesla wegen der halbstündigen Ladephasen auf Langstrecken wie von Hamburg nach München knapp eine Stunde länger als ein Verbrenner. „Aber spätestens nach zwei Stunden ohne Mails wird der gemeine Vertriebsmitarbeiter eh nervös.“

Fast eine Million Kilometer sind die Tesla in der Flotte gefahren, im Dezember 2014 startete Bridging IT das Projekt. „Prämisse war, dass sich die E-Autos voll in den Alltag integrieren lassen“, erklärt Braun. Kein Mitarbeiter soll eine Telefonkonferenz verlegen, weil er noch laden muss; keiner soll am Wochenende extra tanken fahren, um Montagfrüh mit vollem Akku zum Kunden zu starten.

Keiner will zurück zum Verbrenner

Für die Daten der Mannheimer interessierten sich viele Unternehmen, sagt Braun. Er hat das Projekt ab 2013 über Monate minutiös geplant. 40 Mitarbeiter hat Braun angeschrieben, gut die Hälfte sagte sofort zu. Alle mussten sich zu Hause eine Ladewandbox installieren, die zu 100 Prozent mit Ökostrom versorgt wird. Sie müssen 150 Euro im Monat aus eigener Tasche zuzahlen. „Das ist der Gutteil der Differenz zur Leasingrate eines Audi A6 oder BMW 5er“, erklärt Braun, „wir wollten nicht alles auf Firmenkosten leisten.“ Trotzdem: Keiner will zurück zum Verbrenner.

Einer der mittlerweile überzeugten Fahrer ist Gunnar Felgentreu, ein Hardcore-Vertriebler der alten Schule, immer im Dienste des Kunden, zu Hause auf der Autobahn, gerne auf der linken Spur. An die 70.000 Kilometer fährt er pro Jahr. Seit gut anderthalb Jahren voll elektrisch. „CO2 kannte ich früher nur aus dem Chemieunterricht“, sagt Felgentreu, doch als die Kinder kamen, kam auch das Umdenken in Gang. „Ich will mich später, wenn vielleicht die Auswirkungen des Klimawandels gravierend sind, nicht von meiner Tochter fragen lassen: ‚Papa, was hast du eigentlich dagegen getan?‘“

Sportwagenartiges Äußere stößt auf Kritik

Anfangs habe er nur Bedenken wegen des sportwagenartigen Äußeren der Autos gehabt, sagt er. „Wir haben in Schwaben und Bayern viele Kunden aus der Autoindustrie, da macht man sich schon Gedanken.“ Meist bleibt es beim süffisanten Flachsen: „Euch muss es ja gut gehen.“ Einmal nur rief ihn der Vorstand eines Kunden an. Er möge sein Auto doch „nicht so prominent in der Nähe des Haupteingangs“ parken. Als Felgentreu entgegnete, dort sei aber die einzige Ladesäule für E-Autos auf dem Firmengelände, kam der Vorstand aus seinem Büro gelaufen. „Der wollte nicht glauben, dass das ein Elektroauto ist.“

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