Dieseldebatte auf der IAA Wie die Autoindustrie das E-Auto ins Rampenlicht schiebt

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China erhöht den Druck

Doch wie dieser Übergang gestaltet werden soll, darauf gibt auch die IAA keine abschließende Antwort. Bereits im Vorfeld der Branchenmesse wurde die Zukunft von Diesel- und Elektroautos ungewohnt scharf diskutiert. „Dass die deutschen Hersteller auf den Diesel gesetzt haben, hat dazu geführt, dass immer größere, schwerere und leistungsstärkere Fahrzeuge produziert werden konnten“, sagte Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD). „Zugleich gilt es aber, das Schadstoffproblem bei Feinstaub und Stickoxiden zu lösen, was nur mit höheren Kosten möglich ist.“ Autos mit Verbrennungsmotor werde man Mitte des Jahrhunderts nur noch sehr vereinzelt im Straßenbild sehen. „Das sind dann echte Oldtimer.“

Indirekte Kritik dafür gab es unter anderem aus Wolfsburg. „Die Debatte orientiert sich nicht immer an Fakten“, sagte VW-Entwicklungsvorstand Ulrich Eichhorn vor Beginn der Messe. „Das Problem Stickoxid haben wir mit den neuen Motoren gelöst. Damit werden die künftigen Grenzwerte auch auf der Straße erfüllt.“

Die Zukunftskonzepte der Autobauer
Audi Aicon Quelle: Audi
Mini Electric Concept Quelle: Mini
BMW iVision Dynamics Quelle: BMW
Audi Aicon Quelle: Audi
Honda Urban EV Concept Quelle: Honda
Mercedes-AMG Project One Quelle: Daimler
Mercedes Concept EQA Quelle: Daimler

Ein Problem für Eichhorn und seine Kollegen in Stuttgart, Ingolstadt und München: Sie werden mit derartigen Aussagen oft nicht mehr ernst genommen. „Die Glaubwürdigkeit der Autobauer hat gelitten“, sagt Wolfgang Bernhart, Auto-Experte bei Roland Berger. „Daher ist es jetzt wichtig, offen und nicht so emotional zu kommunizieren – auch wenn das im Bundestagswahlkampf nicht einfach ist.“

Verbietet Peking bald Benzin und Diesel?

Doch nicht nur der Wahlkampf und mögliche Entscheidungen der nächsten Bundesregierung oder so mancher Oberbürgermeister stellen die Autobauer vor große Herausforderungen. Fernab der Frankfurter Messehallen und deutschen Entwicklungszentren könnten die jüngst präsentierten Zeitpläne wieder über den Haufen geworfen werden – in China. Bereits die Ankündigung einer sehr kurzfristigen Elektroauto-Quote für den absatzstärksten Automarkt der Welt brachte die europäischen Hersteller in große Bedrängnis. Und bald könnte ein noch viel größeres Problem drohen: Eine 100-prozentige E-Auto-Quote, sprich das Verbot von neuen Verbrennern.

Am vergangenen Wochenende sprach Vizeindustrieminister Xin Guobin laut der staatlichen Nachrichtenagentur „Xinhua“ bei einem Autoforum in Tianjin über den beschlossenen Verkaufsstopp für Verbrennungsmotoren in Großbritannien ab 2040. „Das Ministerium hat ebenfalls mit entsprechenden Untersuchungen begonnen“, sagte Xin. Eine Aussage, die Sprengkraft hat.

Die wichtigsten Premieren der IAA

An Zeitplänen werde noch gearbeitet und Xin ist sich bewusst, dass „diese Maßnahmen sicherlich tief greifende Veränderungen für die Entwicklungen unserer Autoindustrie“ mit sich bringen. Nicht nur der in China ohnehin kaum verbreitete Diesel ist damit angezählt, sondern auch der Benziner. Die Regierung in Peking hat in der Vergangenheit nicht den Eindruck gemacht, der Industrie kulante Übergangsfristen gewähren zu wollen. Statt 2040 wie in Großbritannien oder Frankreich könnte das Verbrenner-Aus in China deutlich früher kommen.

Vollkommen auf Elektro umgestiegen ist bis dahin keiner der europäischen Großkonzerne. Kleinere Hersteller wie Volvo und Jaguar Land Rover wollen ab 2020 nur noch Hybridmodelle und reine Elektroautos verkaufen. Bei VW und Co wird das alleine wegen der höheren Stückzahlen länger dauern. Immerhin hat Daimler jetzt angekündigt, dass Smart ab 2020 nur noch reine E-Autos anbieten wird – für manche Beobachter aber auch ein längst überfälliger Schritt. Bei Kleinwagen, die vornehmlich in der Stadt eingesetzt werden, ist das schon möglich. Bei großen Mercedes-Kombis, die auch hunderte Kilometer am Stück über die Autobahn fahren können müssen, noch nicht.

Die SUV-Festspiele von Frankfurt
VW Polo Quelle: Volkswagen
VW T-Roc Quelle: Volkswagen
Skoda Karoq Quelle: Skoda
Audi A8 Quelle: Audi
Porsche CayenneIn Frankfurt stellt Porsche die bereits dritte Generation des SUV-Modells Cayenne vor. Trotz zahlreicher Änderungen am Alu-Kleid folgt die Neuauflage der Linie des Vorgängers. Anfangs bietet Porsche nur zwei erstarkte Turbo-Benziner mit 340 PS (plus 40 PS) und 450 Newtonmetern sowie 440 PS (plus 20 PS) und 550 Newtonmetern. Der Cayenne S schafft es in unter fünf Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100. Im Dezember ist bereits Marktstart für den mindestens 75.000 Euro teuren Fünf-Meter-Riesen. Auf der Messe zeigte Porsche auch noch den Cayenne Turbo, der aus einem Vierliter-V8-Biturbo 550 PS schöpft. Quelle: Porsche
BMW X3 Quelle: BMW
Jaguar E-Pace Quelle: Jaguar Land Rover

Gegen ein festes Ablaufdatum für Verbrennungsmotoren, wie sie in anderen Ländern bereits beschlossen oder in der Diskussion sind, wehren sich neben den deutschen Autobauer auch die Zulieferer. Bosch-Chef Volkmar Denner sprach sich für mehr Offenheit in der Debatte um die Antriebstechnik aus. „Wir brauchen wieder diese differenzierte Diskussion, diese Offenheit bezüglich unterschiedlicher Lösungspfade“, sagte Denner der Deutschen Presse-Agentur. „Harte Ziele setzen, aber die Wege zum Ziel offenlassen.“ Die Debatte dürfe nicht einseitig auf die Elektromobilität verengt werden. Es gebe durchaus eine Zukunft für den Verbrennungsmotor, nicht nur für eine Übergangszeit.

Doch wie lange dauert dieser Übergang? Welche Technologie setzt sich am Ende wirklich durch? Und muss die Regierung jetzt schon eingreifen, wie es andere Länder vormachen? „Die Politik sollte keinen Termin für das Aus von Verbrennungsmotoren setzen“, sagt Unternehmensberater Bernhart. „Dennoch sollte jedes Unternehmen eine Roadmap haben, wie man die aktuellen und künftigen Vorgaben erfüllen will. Wenn Unternehmen diesen Weg nicht selbst bestimmen, werden sie zu Getriebenen.“

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