Am gefährlichsten für die Audi-Führung erscheint ein Vorfall aus dem Jahr 2015. Audi wollte damals den Q7 auch in Hongkong vermarkten, doch das wuchtige Auto konnte die dort geltenden Abgasvorschriften nicht einhalten. Es sei, so berichtete Weiß’ Anwalt Hans-Georg Kauffeld vor Gericht, zu einer hitzigen Diskussion in einem der sogenannten Steuerkreise gekommen. Vertriebsmanager hätten gefordert, dass Audi beim Abgasausstoß betrügt. Weiß habe sich jedoch gewehrt. Schließlich habe ein Vorgesetzter von Weiß gesagt: „Ich kann den Uli (Ulrich Weiß) voll verstehen. Der braucht eine Lebensversicherung.“ Gemeint war wohl: Weiß fordere den schriftlichen Segen des Vorstands.
Aktionärsverteilung der Volkswagen AG
Die von den Familien Porsche und Piëch kontrollierte PSE hält 52,2 Prozent der Volkswagen-Stammaktien.
Quelle: Unternehmen, eigene Recherchen
Das Land Niedersachsen ist in Besitz von 20,0 Prozent der Stammaktien. Damit hat die Staatskanzlei bei wichtigen Entscheidungen – etwa einer Kapitalerhöhung – ein Vetorecht, da bei Volkswagen solche Entscheidungen mit 80 Prozent der Stimmen plus einer Aktie getroffen werden müssen. Weitere Vorzüge für das Land Niedersachsen wurden nach einem EuGH-Urteil 2007 gestrichen.
Die Kataris haben sich im Zuge der Porsche-Übernahme 2009 mit 17 Prozent der Stammaktien eingekauft. Den Anteil hält der Staatsfonds bis heute, es sitzen auch zwei Vertreter Katars im Aufsichtsrat.
10,8 Prozent der Stammaktien befinden sich in Streubesitz.
Der Vorgesetzte sei deshalb nach dem Meeting zum Audi-Vorstand gegangen und habe die gewünschte Erklärung eingeholt. Weiß solle den manipulierten Motor bereitstellen, so habe der Topmanager handschriftlich notiert. Für den Fall, dass der Betrug in Hongkong auffliegt, solle der Vertrieb Rückstellungen bilden. Damit sollten dann mögliche Rückrufe oder Strafen bezahlt werden. Dieses Vorgehen sei mit ‚G, E, EG, GQ‘ abgestimmt, so heißt es laut Kauffeld in der Notiz vom 28. Juli 2015, die die Unterschrift von Weiß’ Vorgesetzten trägt. ‚G‘ soll für Stadler gestanden haben, ‚E‘ für den früheren Audi-Vorstand Hackenberg, ‚EG‘ und ‚GQ‘ für die weiteren Audi-Manager.
Audi bestreitet eine Verwicklung von Stadler in den Abgasskandal und verweist auf interne Ermittlungen und Ermittlungen von US-Behörden, die nichts Belastendes für Stadler ergeben hätten. Audi-Insider betonen, dass die bei dem Arbeitsgerichtsverfahren beschriebenen Abläufe sich mit ihren Erfahrungen decken. „Das ist eher ein normaler als ein ungewöhnlicher Vorgang bei VW“, so ein Insider. Denn in aller Regel hätten Techniker nicht den Mut, das Risiko von fragwürdigen oder besonders gewagten Aktionen selbst zu tragen.
Wenn es aber bei Audi so lief, warum soll es bei der Konzernschwester Porsche und deren Chef Müller anders gelaufen sein?
Seit 2015: Vorstandschef des VW-Konzerns
Fünf Jahre blieb Müller an der Spitze von Porsche, dann machte ausgerechnet Dieselgate im Herbst 2015 den Weg frei für Müller an die VW-Spitze. Dort fiel er durch das Bestreben auf, das Fehlverhalten zu relativieren und den Skandal möglichst schnell zu den Akten legen zu können. Bei der letzten Pressekonferenz von VW erklärte er Dieselgate für weitgehend erledigt, am Folgetag rückten die Münchner Staatsanwälte zu Razzien aus. Sie durchsuchten wegen manipulierter VW-, Audi- und Porsche-Motoren unter anderem Büros bei Audi, VW und der von Volkswagen mit der Aufklärung betrauten Kanzlei Jones Day. Die Kanzlei sollte im Auftrag von VW einen Bericht über die Hintergründe des Dieselskandals verfassen – doch der soll, anders als zuvor von Müller versprochen, nicht veröffentlicht werden.
Die Machtverteilung in der Porsche SE
Der Familienzweig von Ferdinand Piëch hält 14,7 Prozent der PSE-Anteile.
Der Familienzweig von Ferdinands Bruder Hans Michel Piëch hält 14,7 Prozent.
Der Ahorner-Zweig der Familie ist über die Ehe der 2006 verstorbenen Louise Daxer-Piëch mit Josef Ahorner mit dem Clan verbunden. Dieser Familienzweig hält 4,3 Prozent an der Porsche SE. Aus diesem Zweig stammen der Audi-Aufsichtsrat Josef Michael Ahorner und die VW-Aufsichtsrätin Louise Kiesling.
In dieser Stiftung haben die Nachfahren von Ferry Porsche ihre Anteile gebündelt. Zusammen mit Louise Kiesling aus dem Piëch-Clan, die ihre Anteile ebenfalls in die Porsche Stiftung eingebracht hat, kommt dieser Zweig auf 51,7 Prozent an der Porsche SE.
Die Porsche GmbH hält 14,6 Prozent an der Porsche SE. Eigentümer der Porsche GmbH ist die Salzburger Porsche Holding Gesellschaft m.b.H. Die Porsche Holding Salzburg ist nach eigenen Angaben das größte Automobilhandelsunternehmen in Europa und seit März 2011 eine 100-prozentige Tochter der Volkswagen AG.
Der VW-Chef will den Skandal nicht nur mit aller Macht abhaken. Er schreckt auch nicht davor zurück, das Rad zurückzudrehen: Vor einem Jahr wollte Müller seinen langjährigen Weggefährten, den Motorenentwickler Hatz, der wegen Dieselgate beurlaubt worden war, zurück an Bord holen. Begründung: Es sei bei den internen Untersuchungen nichts Belastendes entdeckt worden. Darüber kam es zum Streit mit Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück. Der wollte keine mögliche Schlüsselfigur des Skandals zurückholen, sagt ein Insider. Hück gewann diesen Machtkampf. Hatz verließ später freiwillig das Unternehmen. Müller blieb.