Diess wird VW-Chef in Hinterzimmer-Manier: Volkswagen fällt in alte Zeiten zurück

Top-Personalien, wie etwa Vorstandsmitglieder und deren Ressortzuständigkeit, werden in einer Aktiengesellschaft im Aufsichtsrat diskutiert und beschlossen. Nicht so bei VW. Bei Deutschlands größtem Autobauer ist einiges anders: Obwohl der Weltkonzern offiziell eine AG ist, liegt die Mehrheit der Anteile bei zwei Familien. Das merkt man bei einigen Personalentscheidungen, die eher auf dem kurzen Dienstweg in der Manier eines Familienunternehmens beschlossen wurden.

Eigentlich gehörten unter dem neuen Führungsstil von Matthias Müller – Stichwort Kulturwandel – Absprachen wie hier zwischen Martin Winterkorn und Ferdinand Piëch, bei der selbst Wolfgang Porsche nicht involviert ist, der Vergangenheit an. Doch ganz ausgerottet sind sie nicht.

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Der jüngste Coup: Der Aufsichtsrat um den Vorsitzenden Hans Dieter Pötsch (links) hat Herbert Diess (rechts) auf den Chefposten gehievt. In Gesprächen über mehrere Wochen zwischen Pötsch, Wolfgang Porsche, Hans Michel Piëch und Vertretern des Landes Niedersachsen und des Emirats Katar sei die Erkenntnis gereift, dass der Konzern einen personellen Neuanfang an der Spitze brauche. Die Gesprächspartner gehören (nicht alle) dem mächtigen Aufsichtsrats-Präsidium an – der Beschluss für den Chefwechsel soll Berichten zufolge im kleinen Kreis gefallen sein.

Zur parallel zum Chefwechsel verkündeten Neugliederung in verschiedene Markengruppen sagte Herbert Diess: „Die Überlegungen zu Markengruppen gibt es schon länger im Konzern, das ist im Kern nichts Neues. Der jetzt auf dem Tisch liegende Vorschlag wurde in einem engeren Kreis mit allen Stakeholdern beschlossen.“

Dennoch: Erarbeitet wurde er im Hinterzimmer.

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Gerade unter Ferdinand Piëch gehörte das plötzliche Absetzen wichtiger Manager beinahe zum Alltag. Piëch, zunächst Audi-Chef, später bei Volkswagen, sägte den ein oder anderen Nachfolger ab – weil der nicht seine Ansprüche erfüllte oder zu mächtig wurde.

Ein Beispiel ist der frühere Audi-Chef Franz-Josef Paefgen. Dessen Entlassung ging ein Zeitungsinterview des VW-Chefs voraus, in dem er Paefgen „Stillstand“ bei Audi vorwarf. Gemunkelt wird aber, Paefgen sei dem VW-Chef zu erfolgreich geworden. Er wurde zur VW-Tochter Bentley verschoben.

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Angst und Schrecken verbreitete Piëch bei weitem nicht nur in Ingolstadt. Den berühmt-berüchtigten Kostendrücker José Ignacio López warb der VW-Chef zunächst 1993 bei General Motors ab. 1996 ließ Piëch ihn plötzlich fallen, weil Vorwürfe laut geworden waren, López habe Geheimpapiere von GM zu VW mitgebracht. Die Konzerne beendeten ihren Streit mit einem Vergleich.

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2002 wechselte Piëch an die VW-Aufsichtsratsspitze. Als seinen Nachfolger auf dem Posten des Vorstandschefs verpflichtete er Bernd Pischetsrieder. Doch wieder einmal war Piëch unzufrieden. Er und Pischetsrieder kamen nicht miteinander zurecht.

Obwohl der Vertrag des Bayern noch auf der Hauptversammlung 2006 um fünf Jahre verlängert wurde, musste er Ende des Jahres seinen Posten räumen. Piëch stürzte ihn in einer Nacht- und Nebel-Aktion: Als er gefragt wurde, ob Pischetsrieder im Amt bleibt, schwieg Piëch demonstrativ. Kurz darauf holte er Winterkorn.

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Bei Volkswagen sitzt danach einer am Steuer, der eigentlich immer bestens mit Piëch konnte: Martin Winterkorn, zuvor bereits bei Audi Chef von Piëchs Gnaden.

Als sich der Machtkampf zwischen Volkswagen und Porsche nach dem Einstieg des Sportwagenbauers bei den Wolfsburgern immer mehr zuspitzte und die Stuttgarter in die Defensive gerieten, zogen Winterkorn und sein Mentor an einem Strang – und setzten auf die Gegen-Übernahme. Alles besprochen im Hinterzimmer.

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Das brachte Porsche-Chef Wendelin Wiedeking in die Bredouille. Der einst gefeierte Manager war dem VW-Patriarchen und Porsche-Miteigentümer zu mächtig geworden. Zudem war er in Piëchs Augen bei der Übernahme von Volkswagen zu forsch vorgegangen und hatte den VW-Betriebsrat nicht ausreichend eingebunden.

Das Ende vom Lied: Wiedeking musste weichen, Piëch saß danach fester im Sattel denn je. Legendär ist die Art und Weise, wie Piëch nach seiner Entscheidung öffentlich abservierte. Als die Übernahme scheiterte, sagte Piëch auf die Frage von Journalisten, ob Wiedeking sein Vertrauen genieße: „Zurzeit noch. Das ,Noch‘ können Sie streichen.“

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Das Band zwischen Piëch und Winterkorn hielt – öffentlich zumindest – bis April 2015. Dann griff der Aufsichtsratschef Piëch seinen Zögling aus heiterem Himmel scharf an. „Ich bin auf Distanz zu Winterkorn“, sagte er. Die Attacke war nicht einmal mit der eigenen Familie abgesprochen. Doch der Machtkampf ging für Piëch nach hinten los. Er zog sich aus dem Aufsichtsrat und von fast allen weiteren Posten zurück.

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