In der Praxis sieht das aber anders aus. Ab Werk können einige der heutigen Elektroautos die 22 kW der Ladesäule gar nicht voll ausnutzen – der Smart Fortwo electric drive etwa nutzt serienmäßig nur 3,3 Kilowatt. Für die volle Leistung muss ein anderes Ladegerät eingebaut werden. Leistungselektronik ist teuer: beim Smart kostet das stolze 3060 Euro.
Mit welchen Hindernissen Elektroautos kämpfen
Noch sind die reinen E-Autos deutlich teurer als ihre Benzin-Pendants. Ein Beispiel: Der E-Golf von Volkswagen ist ab 35 000 Euro zu haben. Ein Golf mit vergleichbarer Ausstattung kostet nur 24 150 Euro. Doch das könnte sich ändern. Laut Berechnungen des Ingenieurbüros P3 sind Elektrofahrzeuge ab dem Jahr 2018 beim Preis wettbewerbsfähig, wenn nicht sogar im Vorteil. Dabei werden neue Batterien zu Grunde gelegt, die einen höheren Nickelanteil vorweisen.
Die Batterietechnologie, die für den Preis verantwortlich ist, ist auch der Grund für einen weiteren Knackpunkt: Für den E-Golf gibt Volkswagen eine Reichweite zwischen 130 und 190 Kilometern an. Für eine Fahrt in den Urlaub dürfte das kaum reichen, zumal die Zahl der Ladepunkte in Deutschland im Vergleich zu den herkömmlichen Tankstellen noch klein ist. Auch das dürfte sich aber mit der Weiterentwicklung der Batterietechnologie ändern.
Vor allem auf dem Land kann die geringe Reichweite zum Problem werden. Deutschland liegt laut der Nationalen Plattform Elektromobilität mit 4800 Ladepunkten an 2400 Standorten im internationalen Mittelfeld. Nach dem Willen der EU Kommission sollen bis 2020 in Deutschland 150 000 öffentlich zugängliche Ladestationen entstehen. Zum Vergleich: Laut ADAC lag die Zahl der herkömmlichen Tankstellen 2013 bei 14 328.
Smart-Chefin Annette Winkler spricht sich schon lange offen für eine Förderung von E-Autos aus. Das müssen nicht unbedingt finanzielle Anreize sein: Der Bundestag erlaubte jüngst Städten und Gemeinden, kostenlose Parkplätze für E-Autos zu reservieren und ihnen die Nutzung von Busspuren zu erlauben. Ob das ausreicht, zweifelt unter anderem VDA-Präsident Matthias Wissmann an. Er fordert finanzielle Impulse - wie zum Beispiel Sonderabschreibungsregeln für Firmenwagen. In anderen Ländern wie den USA, China oder Frankreich bekommen Käufer Cash vom Staat beim Kauf eines E-Autos.
Nach Zahlen des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) rollten Ende 2014 knapp 19 000 reine E-Autos auf deutschen Straßen. Die Zahl der sogenannten Plug-In-Hybride, die die Bundesregierung zu den E-Autos zählt und die sowohl an der klassischen Tankstelle als auch an der Steckdose betankt werden, lag bei 108 000. Insgesamt waren 44,4 Millionen Pkw in Deutschland unterwegs. Das Ziel der Bundesregierung von einer Million elektrisch betriebenen E-Autos bis 2020 liegt damit noch in weiter Ferne. An der Auswahl kann es nicht liegen: Im vergangenen Jahr kamen laut Verband der Automobilindustrie (VDA) 17 neue Serienmodelle mit Elektroantrieb auf den Markt. 2015 sollen noch einmal zwölf weitere hinzukommen. Selbst der elektroskeptische Porsche-Chef plant offenbar mit einem E-Auto: Zuletzt schloss Müller nicht mehr aus, dass das bis Ende des Jahrzehnts geplante nächste Porsche-Modell rein elektrisch betrieben wird.
BMW verlangt für die aufwändige Ladeelektronik in seinem i3 1590 Euro. Wollen i3-Fahrer aber nicht an öffentlichen Ladesäulen, sondern in der heimischen Garage laden, werden nochmals 895 Euro für die passende Wallbox fällig. Schlägt man noch die Kosten für die Montage der Wallbox auf, ergibt eine Beispielrechnung der „Auto, Motor und Sport“ einen Gesamtbetrag von 3000 Euro – nur um zu Hause mit schneller laden zu können. Schnell heißt aber noch nicht superschnell: 22 kW unterstützt BMW in Deutschland nicht, hier ist selbst mit der Wallbox Pro bei 4,6 kW Schluss. Für den Gesamtbetrag gibt es auch 2500 Liter Diesel, mit dem ein Kompaktwagen rund 45.000 Kilometer weit kommt. Einmal Aufladen dauert beim i3 aber selbst dann immer noch fünf lange Stunden – statt acht an einer Haushaltssteckdose.
Gleichstrom lohnt sich für Privat-Lader nicht
Doch bei den Schnellladesystemen ist Vorsicht geboten, wenn der E-Autofahrer lange etwas von seiner Batterie haben will. „Lädt man eine Batterie schnell auf, entsteht mehr Wärme – und zu viel Wärme ist auf Dauer nicht gut“, sagt Batterie-Spezialist Sauer. „Aber auch andersherum kann man einer Batterie schaden. Ist die Temperatur nicht hoch genug und man lädt mit hoher Leistung, verkürzt man wegen bestimmter chemischer Effekte die Lebensdauer dramatisch.“
Je schneller eine Batterie geladen wird, desto stärker wird sie in ihrer Haltbarkeit belastet. Deshalb „drosseln“ einige Autobauer das Ladetempo, um die Batterie zu schonen. Lädt man sein Elektroauto über Nacht langsam an der Haushaltssteckdose, ist das laut Sauer selbst bei Frost kein Problem. Aber bereits mit einer 11-kW-Wallbox könne es bei niedrigen Temperaturen zu Problemen kommen. Anders sieht es aus, wenn während einer Langstreckenfahrt an einer Schnellladestation „getankt“ wird – dann ist der Akku bereits warm.
Schneller geht der Ladevorgang, wenn der Wagen nicht mit Wechsel- sondern mit Gleichstrom geladen wird. Teslas Supercharger arbeitet mit bis zu 135 kW, der deutsche Standard mit immerhin noch 50 Kilowatt. Die kostentreibende Technik ist vor allem in den Ladesäulen verbaut, die Autos selbst kommen mit einem relativ simplen Ladegerät aus. Wegen der hohen Anschaffungskosten lohnt es sich für Garagen-Lader kaum, auch die Infrastruktur wird nur langsam aufgebaut – ein Multicharger kostet rund 35.000 Euro.
Das Stichwort Multicharger ist wichtig, denn derzeit konkurrieren vier Schnellladestandards um die Gunst von Kunden und Herstellern. Leistung, Abrechnungsmodalitäten und die Steckerform variieren zum Teil – der „getankte“ Strom ist aber immer gleich. Dazu kommt, dass die öffentlichen Ladesäulen von vielen verschiedenen Unternehmen und Stadtwerken betrieben werden, 230 an der Zahl. Als ob es nicht schwierig genug wäre, eine passende und freie Ladesäule zu finden, man muss auch noch die passende Kundenkarte für die Abrechnung in der Tasche haben.
Neuzulassungen von Elektroautos in Deutschland 2009-2015
Im Jahr 2009 wurden in Deutschland 162 Elektroautos zum ersten Mal zugelassen.
Quelle: Kraftfahrt-Bundesamt
Im Jahr 2010 wurden in Deutschland 541 Elektroautos zum ersten Mal zugelassen.
Im Jahr 2011 wurden in Deutschland 2.154 Elektroautos zum ersten Mal zugelassen.
Im Jahr 2012 wurden in Deutschland 2.956 Elektroautos zum ersten Mal zugelassen.
Im Jahr 2013 wurden in Deutschland 6.051 Elektroautos zum ersten Mal zugelassen.
Im Jahr 2014 wurden in Deutschland 8.522 Elektroautos zum ersten Mal zugelassen.
2015 stieg der Elektroauto-Absatz auf 12.363 Exemplare. Für das Ziel von einer Million Elektroautos bis 2020 ist das weiter viel zu wenig. Der Bestand liegt derzeit bei rund 19.000 Elektroautos.
Wenigstens dieses Problem hat die Politik erkannt und Maßnahmen ergriffen – über die sich aber nicht jeder freut. Bis zum Jahr 2017 sollen im Rahmen des Forschungsprojektes SLAM (Schnellladenetz für Achsen und Metropolen) bis zu 400 Schnell-Ladesäulen aufgestellt werden. Zur deren Finanzierung von insgesamt 12,9 Millionen Euro steuert das Wirtschaftsministerium 8,7 Millionen Euro bei. Die neuen Stationen können allerdings nur von Fahrzeugen mit dem europäischen Stecker-Standard CCS (Combined Charging System) genutzt werden.
Während dieser Standard unter anderem von BMW, VW, Daimler und teilweise GM genutzt wird, fallen Nissan, Toyota, Honda, Mitsubishi, Peugeot, Citroën und sogar Opel mit dem Ampera unter den Tisch. Fahrzeuge dieser Marken benötigen des sogenannte Chademo-System, eine Abkürzung für Charge de Move, was zum Ausdruck bringen soll, dass mit Chademo ein Ladevorgang in Windeseile geschieht. Beide Methoden werden inzwischen von der EU anerkannt – aber eben nur eine wird vom deutschen Staat gefördert.
Experten sehen darin eine Diskriminierung jener Kunden, die sich frühzeitig ein Elektroauto angeschafft haben. Denn auch der Nissan Leaf, das derzeit am weitesten verbreitete Elektroauto der Welt, kann an den SLAM-Ladesäulen keinen Strom zapfen.