300, 400, 500 Kilometer mit einer Akkuladung – wer bietet mehr? Auf dem Pariser Salon starten die europäischen Autohersteller ein Wettrüsten, um den Herausforderer Tesla aus USA in die Schranken zu weisen und die Vorbehalte vieler Menschen gegen Elektroautos auszuräumen. Opel verspricht für seinen neuen Ampera e, der heute auf dem Pariser Autosalon präsentiert wurde und der im Frühjahr 2017 in den Handel kommt, eine Reichweite von mehr als 500 Kilometern – wenn der Minivan wie im gesetzlichen Testzyklus vorgeschrieben nicht schneller als 100 km/h bewegt wird.
Mit welchen Hindernissen Elektroautos kämpfen
Noch sind die reinen E-Autos deutlich teurer als ihre Benzin-Pendants. Ein Beispiel: Der E-Golf von Volkswagen ist ab 35 000 Euro zu haben. Ein Golf mit vergleichbarer Ausstattung kostet nur 24 150 Euro. Doch das könnte sich ändern. Laut Berechnungen des Ingenieurbüros P3 sind Elektrofahrzeuge ab dem Jahr 2018 beim Preis wettbewerbsfähig, wenn nicht sogar im Vorteil. Dabei werden neue Batterien zu Grunde gelegt, die einen höheren Nickelanteil vorweisen.
Die Batterietechnologie, die für den Preis verantwortlich ist, ist auch der Grund für einen weiteren Knackpunkt: Für den E-Golf gibt Volkswagen eine Reichweite zwischen 130 und 190 Kilometern an. Für eine Fahrt in den Urlaub dürfte das kaum reichen, zumal die Zahl der Ladepunkte in Deutschland im Vergleich zu den herkömmlichen Tankstellen noch klein ist. Auch das dürfte sich aber mit der Weiterentwicklung der Batterietechnologie ändern.
Vor allem auf dem Land kann die geringe Reichweite zum Problem werden. Deutschland liegt laut der Nationalen Plattform Elektromobilität mit 4800 Ladepunkten an 2400 Standorten im internationalen Mittelfeld. Nach dem Willen der EU Kommission sollen bis 2020 in Deutschland 150 000 öffentlich zugängliche Ladestationen entstehen. Zum Vergleich: Laut ADAC lag die Zahl der herkömmlichen Tankstellen 2013 bei 14 328.
Smart-Chefin Annette Winkler spricht sich schon lange offen für eine Förderung von E-Autos aus. Das müssen nicht unbedingt finanzielle Anreize sein: Der Bundestag erlaubte jüngst Städten und Gemeinden, kostenlose Parkplätze für E-Autos zu reservieren und ihnen die Nutzung von Busspuren zu erlauben. Ob das ausreicht, zweifelt unter anderem VDA-Präsident Matthias Wissmann an. Er fordert finanzielle Impulse - wie zum Beispiel Sonderabschreibungsregeln für Firmenwagen. In anderen Ländern wie den USA, China oder Frankreich bekommen Käufer Cash vom Staat beim Kauf eines E-Autos.
Nach Zahlen des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) rollten Ende 2014 knapp 19 000 reine E-Autos auf deutschen Straßen. Die Zahl der sogenannten Plug-In-Hybride, die die Bundesregierung zu den E-Autos zählt und die sowohl an der klassischen Tankstelle als auch an der Steckdose betankt werden, lag bei 108 000. Insgesamt waren 44,4 Millionen Pkw in Deutschland unterwegs. Das Ziel der Bundesregierung von einer Million elektrisch betriebenen E-Autos bis 2020 liegt damit noch in weiter Ferne. An der Auswahl kann es nicht liegen: Im vergangenen Jahr kamen laut Verband der Automobilindustrie (VDA) 17 neue Serienmodelle mit Elektroantrieb auf den Markt. 2015 sollen noch einmal zwölf weitere hinzukommen. Selbst der elektroskeptische Porsche-Chef plant offenbar mit einem E-Auto: Zuletzt schloss Müller nicht mehr aus, dass das bis Ende des Jahrzehnts geplante nächste Porsche-Modell rein elektrisch betrieben wird.
Im Alltagsverkehr auf deutschen Straßen sollen immerhin Fahrstrecken von mehr als 380 Kilometer möglich sein, verspricht der Hersteller. "Der Ampera e mit seiner überragenden Reichweite", so Opel-Chef Karl-Thomas Neumann, "beweist, dass Elektromobilität so voll alltagstauglich wird und dazu auch noch Spaß macht" - auf Tempo 100 soll der Ampera in nur 3,2 Sekunden sprinten können.
Mit der großen Reichweite, die Opel-Marketingchefin Tina Müller im Interview mit der WirtschaftsWoche vor einigen Wochen bereits angedeutet hatte, bringen die Rüsselsheimer die Konkurrenz mächtig in Zugzwang.
Zum Vergleich: Der BMW i3 kommt mit einer Ladung seiner 33,2 Kilowattstunden großen Batterie aktuell bis zu 300 Kilometer weit. Und nach bisheriger Planung wird die Reichweite des VW Golf nach dem Facelift zum Jahreswechsel von heute 200 auf dann ebenfalls 300 Kilometer steigen. Marktführer Renault hat bereits reagiert: Der Zoe kann ab sofort und gegen einen geringen Aufpreis mit einer neuen, leistungsstärkeren Batterie geordert werden, die den Kleinwagen im Idealfall über 400 Kilometer weit trägt. Eric Feunteun, Leiter der Sparte Elektromobile bei Renault, schildert die Details der neuen Batterietechnik und gibt einen Ausblick auf künftige Entwicklungen.
WirtschaftsWoche: Herr Feunteun, der neue Opel Ampera-e soll mit einer Akkuladung bis zu 500 Kilometer weit fahren können. Sind Sie geschockt?
Eric Feunteun: Warum sollte ich geschockt sein?
Der Renault Zoe kommt heute nur maximal 240 Kilometer weiter.
Dennoch bin ich nicht geschockt. Wettbewerb ist in einem wachsenden Markt immer gut. Es wird dazu beitragen, dass das Interesse an der Technologie wächst. Renault-Nissan hat vor sieben Jahren massiv in Elektromobilität investiert. Nun zeigt sich immer deutlicher, dass dies die richtige Entscheidung war.
Nur dass jetzt andere an Renault-Nissan vorbeiziehen.
Abwarten. Wir sind weiterhin voll und ganz wettbewerbsfähig. Wir öffnen am Samstag unsere Bücher für die Bestellungen des neuen Zoe mit immerhin 400 Kilometern Reichweite. Die Produktion wird in Kürze aufgenommen und die ersten Autos werden voraussichtlich schon zum Jahreswechsel ausgeliefert. Wann wird der neue Opel auf den Markt kommen?
Angeblich im Frühjahr nächsten Jahres.
Eben. Ich bin deshalb ziemlich sicher, dass wir die ersten auf dem Markt sind mit über 400 Kilometern Reichweite.
Warum gerade 400 Kilometer?
400 Kilometer nach dem "Neuen Europäischen Fahrzyklus" sind im Alltagsbetrieb gut 300 Kilometer. Das ist heute bei der Batterie der beste Kompromiss aus Größe und Kosten. Wir können auf diese Weise das Fahrzeug einerseits zu einem attraktiven Preis, andererseits mit einer hohen Alltagstauglichkeit anbieten. Das wir mit dieser Einschätzung richtig liegen, zeigen die technischen Daten des Ampera e, zeigt aber auch die hohe Nachfrage nach dem Model 3 von Tesla, das eine ähnliche Reichweite verspricht. Also: Die Reichweite von 400 Kilometer markiert eine wichtige Wegmarke in der Entwicklung des Elektroautos.
Ist die gewachsene Reichweite das Resultat einer größeren Batterie oder eines besseren Energiemanagements?
Die größere Reichweite kommt bei uns zu 100 Prozent aus einer größeren Batterie: Deren Kapazität steigt von 23,3 auf 41 Kilowattstunden, ohne dass sich die Außenmaße ändern. Es war eine Herausforderung für uns und die Ingenieure von LG Chem, die Energiedichte durch Veränderungen in der Chemie und der Elektroden zu erhöhen und obendrein die Zellen so dicht zu packen, dass die Batterie nicht einen Zentimeter größer wurde. Zudem haben wir es durch Feinarbeit geschafft, dass das Gewicht des Autos nur um etwa 20 Kilogramm stieg.
„Wir wollen nicht die bestrafen, die früh an unser Konzept geglaubt haben“
Und wie groß ist der Anstieg beim Preis?
Da wir unsere Batterie vermieten, wird das Auto selbst nicht viel teurer werden. Zusätzlich werden wir unser Batteriemietmodell updaten.
Das heißt?
Künftig kann man die Batterie entweder ohne Kilometerbegrenzung mieten. Oder man entscheidet sich für einen Mietvertrag nach dem Prinzip 'Pay as you drive'.
Wird die neue Batterie nur für den Zoe verfügbar sein oder auch für den Kangoo?
Wir sind gestartet mit dem Ziel, Schritt für Schritt die Reichweite, den Preis und die Ladetechnik unserer Elektroautos zu verbessern. Der Zoe hat deshalb im vergangenen Jahr in einem wichtigen Entwicklungsschritt einen neuen, von uns selbst entwickelten Motor bekommen. Im zweiten Schritt kriegt er nun die stärkere Batterie. Auch Kangoo und Fluence werden von dieser Entwicklung profitieren. Aber nicht gleich heute.
Viele Fahrer eines Zoe der ersten Generation werden sich wünschen, die Batterie gegen ein Exemplar der jüngsten Generation tauschen zu können. Wird das möglich sein?
In der Tat wollen wir die nicht bestrafen, die früh an unser Konzept geglaubt und das Auto gekauft haben. Wir werden ihnen deshalb in Zukunft ein Upgrade anbieten – entweder für die Batterie oder für das Auto.
Wie soll das geschehen?
Man kann man eine neue Batterie ordern und in seinen aktuellen Zoe einbauen. Oder sie können zu sehr attraktiven Konditionen das ganze Auto tauschen.
Die Batterien werden besser, die Reichweiten steigen. Wie wird dies den Markt für Elektrofahrzeuge beeinflussen?
Wir erwarten, dass sich die Nachfrage nach dem Zoe, aber auch nach Elektroautos insgesamt dadurch deutlich verstärken wird. Die Kapazität der Batterien ist nun so groß, dass niemand mehr Reichweitenangst zu haben braucht. Und dank der staatlichen Förderungen sind Elektroautos nun in vielen Märkten, auch in Deutschland, erschwinglich geworden. Gleichzeitig wächst überall das Netz der Ladestationen. Das Elektroauto ist bekanntlich nicht nur ein Fahrzeug, sondern ein Mobilitätskonzept. Man kann es inzwischen an Bahnhöfen, Flughäfen und auch am Supermarkt laden. Wenn sich die Rahmenbedingungen weiter so positiv verändern und die Vorteile der Technik noch deutlicher werden, wird die Bereitschaft rasch wachsen, auf Elektroautos umzusteigen. Denn sie machen das Leben in den Städten leichter.
Im vergangenen Jahr verkaufte Renault weltweit rund 23.000 batteriegetriebene Autos. Das heißt, in diesem Jahr erwarten Sie deutliche Zuwächse?
Aktuell haben wir bis Ende August bereits 17.000 Autos verkauft, deutlich mehr als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Und von der neuen Batterie erwarten wir uns für 2017 eine deutliche Beschleunigung des Absatzes.
2017 könnte also das Jahr werden, in dem wir auch in Europa den Ausbruch des Elektroantriebs aus der Nische erleben werden?
Es werden viele neue Autos auf den Markt kommen und viele zufriedene Menschen, die ihr Elektroautos für Fahrten zur Arbeit und im Alltag nutzen. Übrigens nicht nur in Europa. Renault verkauft heute bereits Elektroautos in rund 40 Märkten weltweit, darunter in China. Und auch da wollen wir weiter kräftig wachsen.
Wann wird Renault mit der Elektroauto-Sparte in die Gewinnzone kommen?
Wir verbessern ständig unsere Profitabilität, dank wachsender Verkaufszahlen und der Tatsache, dass wir die Elektromotoren inzwischen selbst fertigen. Aber natürlich wird es noch einige Jahre dauern, bis unser Anfangsinvestment, das wir in den zurückliegenden vier Jahren getätigt haben, wieder eingespielt ist. Elektromobilität ist Teil unser Langzeit-Strategie. Wir haben auf diesem Markt inzwischen die Marktführerschaft. Und ich arbeite mit meinem Team daran, dass wir das bleiben.