Etablierte Autobauer unter Druck Kampf der Karossen in Brasilien

Asiatische Hersteller drängen nach Brasilien, den bald drittgrößten Automarkt weltweit. Die dort etablierten Autobauer geraten unter Druck - allen voran Volkswagen.

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Arbeiten in Anchieta - Das größte VW-Werk der Südhalbkugel baut den Fox. Quelle: dpa Picture-Alliance

Eine der erfolgreichsten deutsch-brasilianischen Erfindungen kam eher stockend in Gang: Die Flex-Fuel Antriebstechnik, mit der Motoren bei jedem Mischungsverhältnis aus Benzin und Ethanol betrieben werden können. "Wir hatten die Technologie schon Anfang der Neunzigerjahre in der Schublade", sagt Besaliel Soares Botelho, Präsident von Bosch im brasilianischen Campinas. "Doch die Autokonzerne interessierten sich nicht dafür." Diese setzen die neue Technik in der Massenproduktion erst seit 2003 ein - nachdem die Zuckerfabriken in den Destillen immer mehr Ethanol produzierten und die flächendeckende Versorgung mit dem Biotreibstoff gesichert war.

VW plant Crafter-Werk in Polen
Posen, PolenVolkswagen steht kurz vor dem Bau eines neuen Werkes in Polen für seinen Großtransporter Crafter. Die Konzernzentrale in Wolfsburg favorisiere den Standort im Großraum Posen, erfuhr die Nachrichtenagentur dpa aus Kreisen des Managements im VW-Nutzfahrzeugwerk Hannover-Stöcken, das auch auf den Zuschlag für den Crafter-Bau hoffte. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ berichtete ebenfalls von entsprechenden Plänen. Bisher lässt VW den Großtransporter bei Daimler bauen, der Crafter gleicht größtenteils dem Mercedes-Sprinter. Die Kooperation läuft 2016 aus. Nach dpa-Informationen könnte die Fabrik in Stöcken künftig Teile der Produktion des VW-Kompaktvans Touran bekommen. VW war für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen. Quelle: dpa
Puebla, MexicoVW gilt in Mexiko als Erfolgsgeschichte. Rund zehn Millionen Autos haben die Wolfsburger bislang am Standort Puebla gebaut. Eine ganze Region hängt an dem Riesenwerk. Auf dem Weg zum größten Autokonzern der Welt soll der neue Golf nun den schwierigen US-Markt erobern. „Der Produktionsstart des Golf 7 wird Volkswagen in Nordamerika ordentlich Schub nach vorn geben“, sagt auch VW-Vorstandsvorsitzender Martin Winterkorn bei der Jubiläumsfeier. Bis 2018 will Volkswagen in der Region sieben Milliarden US-Dollar investieren. Ein Großteil davon dürfte nach Mexiko fließen. Quelle: AP
Foshan, China300.000 neue Golf-Modelle sollen in Foshan jährlich vom Band rollen - vorerst. Das neue Volkswagen-Werk in der südchinesischen Provinz Guangdong, nahe der Stadt Foshan soll in einer zweite Phase auf eine Kapazität von 600.000 Fahrzeuge ausgebaut werden. 6500 Beschäftige hat das Werk bisher. VW-China-Vorstand Jochem Heizmann erklärte, VW befinde sich zudem in "intensiven Gesprächen" mit seinem chinesischen Partner FAW. Dabei gehe es um eine Erhöhung des VW-Anteils am Joint-Venture FAW-Volkswagen auf von 40 auf 50 Prozent. Angesichts der Krise auf dem europäischen Automarkt wird für VW das Geschäft in China immer wichtiger. Im vergangenen Jahr produzierten die Wolfsburger mit ihren beiden chinesischen Partnern SAIC und FAW gut 2,6 Millionen Fahrzeuge. Bis 2018 sollen die Kapazitäten früheren Angaben zufolge in China auf vier Millionen Autos pro Jahr ausgebaut werden. Quelle: dpa
Changchun, ChinaModelle: VW Jetta, New bora, Golf, Sagitar, Magotan, Magotan CC, Motoren, Getriebe Das Joint-Venture mit FAW gingen die Wolfsburger 1991 ein. Fast 16.000 Menschen arbeiten in den gemeinsamen Werken. In Ningbo hat Volkswagen mit dem Bau eines neuen Werkes in China begonnen. Es soll 2014 fertig gestellt sein und eine Kapazität von 300.000 Fahrzeugen jährlich haben. Quelle: dpa/dpaweb
Puebla, MexikoModelle: Beetle, Jetta, Golf Variant In Puebla produziert Volkswagen seit 1964. Mehr als 15.000 Menschen arbeiten hier für Volkswagen. Werk Nummer 101 soll übrigens ebenfalls in Mexiko entstehen. Ab 2016 wird Audi hier den Q 5 produzieren. Quelle: dpa
Wolfsburg, DeutschlandModelle: Tiguan, Touran, Golf, Golf Plus Seit 1938 besteht das Werk Wolfsburg. Am Stammsitz des Volkswagen-Konzerns arbeiten fast 50.000 Menschen. Quelle: dpa
Chattanooga, USAIm Mai 2009 war in Chattanooga der offizielle Baubeginn des ersten amerikanischen VW-Werkes. Die Fertigung dort sollte laut Konzernangaben 2011 mit einer jährlichen Gesamtkapazität von bis zu 150.000 Fahrzeugen starten. Dieses Ziel hat der Autobauer erreicht: Mittlerweile ist dort der 250.000. Passat vom Band gelaufen. „Vor zwei Jahren haben unsere Leute gerade mal gelernt, Autos zu bauen“, erklärte Werksleiter Frank Fischer. „Ich bin sehr stolz auf dieses Team.“ Der US-Passat ist eine Erfolgsgeschichte: Die Produktion hatte am 18. April 2011 begonnen. Das auf den amerikanischen Geschmack abgestimmte Modell verkaufte sich auf Anhieb deutlich besser als der aus Europa importierte Vorgänger. Auch dank des Passat haben sich die Verkäufe der Marke VW in den USA von 2009 bis 2012 verdoppelt. Quelle: dpa

Inzwischen werden 95 Prozent aller brasilianischen Neuwagen mit der Flex-Fuel-Technik ausgestattet. Heute könnten es sich die Autokonzerne in Brasilien gar nicht mehr leisten, technische Neuerungen so lange zurückzuhalten. Denn der Technologietransfer nach Brasilien und die Entwicklung in Brasilien selbst sind heute zu strategischen Instrumenten der Branche geworden: Die Regierung fördert Autobauer, die in Brasilien entwickeln und forschen, mit hohen Steuernachlässen.

Ziel der Aktion: Die ausländischen Kraftfahrzeughersteller sollen weniger Autos und Lkws aus ihren Mutterhäusern nach Brasilien exportieren oder dort aus importierten Teilen zusammenschrauben. Vielmehr sollen die Autobauer in Brasilien Arbeitsplätze schaffen und eine starke Zuliefererindustrie hochziehen. Zudem sollen sie für den Wissenstransfer aus den Mutterhäusern sorgen, um die eigene Entwicklung in Brasilien voranzutreiben.

Dazu erhöhte die Regierung Ende des vergangenen Jahres die Steuern für Pkws auf 30 Prozent. Auch ausländische Fahrzeughersteller, die schon teilweise in Brasilien produzieren, aber nicht auf einen lokalen Fertigungsanteil (Local Content) von 65 Prozent kommen, müssen diese Steuer bezahlen. Bei der Berechnung des Local Content wollen die Behörden künftig nur Auto- und Motorenteile berücksichtigen - und nicht wie bisher üblich auch Marketing- oder Personalkosten.

Die brasilianische Regierung belohnt jedoch Pkw-Hersteller mit Steuerreduzierungen, die ihre Flotten mit spritsparenden Technologien ausstatten und alternative Antriebsarten für den Markt entwickeln. Davon profitieren vor allem die in Brasilien stark vertretenen deutschen Fahrzeughersteller. Das meistverkaufte Modell in Brasilien ist der Gol von Volkswagen - brasilianisch für Tor im Fußball. VW hat den Gol in Brasilien entwickelt. Den Käfer-Nachfolger gibt es nun seit 32 Jahren, inzwischen in der sechsten Generation.

Ein Traum jedes Finanzchefs

VW eröffnet sein 100. Werk. Bei so vielen Produktionsstandorten kann man schnell den Überblick verlieren. Wissen Sie, welches Auto wo gefertigt wird? Testen Sie hier Ihr Wissen.

In Brasilien hat VW auch den Kleinwagen Fox entwickelt, der im Werk Anchieta bei São Paulo, dem größten VW-Werk südlich des Äquators, produziert und weltweit verkauft wird. Bosch im nahen Campinas tüftelt derzeit daran, wie man Ethanol auch in Dieselmotoren der Landmaschinen und Lkws einsetzen kann. Der Autozulieferer Continental errichtet im Bundesstaat São Paulo ein Versuchslabor, um energiesparende Antriebstechniken wie die Start-Stopp-Technologie für Brasilien zur Marktreife zu entwickeln.

Absatz wächst schneller (zum Vergrößern bitte anklicken)

Die zurzeit wohl interessanteste lokale Entwicklung ist eine Serie der Nutzfahrzeugtochter von VW, die seit Kurzem unter der Konzernmarke MAN in Brasilien geführt wird: VW hat dort seit Mitte der Neunzigerjahre eine ganze Lastwagen­familie vom Stadttransporter bis zum 45-Tonner entwickelt - in Zusammenarbeit mit der Zentrale in Hannover, aber vor allem mit eigenen Ingenieuren in Brasilien.

Für das Projekt hat Volkswagen sogar ein eigenes Fabrikkonzept entwickelt, das auch heute noch revolutionär für die Branche ist. Es erfüllt perfekt die Anforderungen der Regierung an einen hohen lokalen Fertigungsanteil: In der Fabrik von MAN, bei Resende in der Mitte zwischen Rio de Janeiro und São Paulo gelegen, liegt der Local Content bei hohen 90 Prozent.

MAN teilt sich dort mit acht Zulieferern die Investitionsaufwendungen und das Risiko. In den Bandabschnitten Chassis, Achsen, Reifen, Motoren, Kabine, Lackiererei und Kabinenausstattung liefert jedes Unternehmen fertige Teile an und baut sie ein.

Für Roberto Cortes, den Chef von MAN, ist die Fabrik der "Traum jedes Finanzchefs": Weil Zulieferer die Fertigung übernehmen, sind die Fixkosten niedrig. Bei der in Brasilien rapide schwankenden Nachfrage können die Produktionsvolumen schnell hochgefahren oder reduziert werden. Mit dieser Fertigung gelingt es MAN, seine Bus- und Lkw-Produktion besser als in herkömmlichen Fabriken auf die Kundenwünsche auszurichten.

Die größten Automobilzulieferer
Continental will weiter wachsenTrotz negativer Währungskurseinflüsse und weiter schwacher Konjunktur in Südeuropa hat Continental 2013 deutlich zugelegt. Die Hannoveraner erhöhten ihren Umsatz gegenüber dem Vorjahr leicht auf rund 33,3 Milliarden Euro. Das bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern stieg auf 3,7 Milliarden Euro - es handelt sich noch um vorläufige Eckdaten. Die vollständigen Zahlen und den Nettogewinn will Conti bei der Bilanzvorlage am 6. März nennen. Vorstandschef Elmar Degenhart sagte am Rande der Automesse in Detroit, er erwarte 2014 ein Umsatzplus von mehr als 5 Prozent auf 35 Milliarden Euro. Die deutschen Automobilzulieferer sind im internationalen Vergleich top - doch in puncto Profitabilität läuft ihnen die Konkurrenz aus Korea bereits den Rang ab. Der Zulieferer... Quelle: dpa
... Schaeffler ist dank guter Geschäfte mit seiner Autosparte allerdings ganz ordentlich in das neue Jahr gestartet. Der Bereich sei im Vergleich zu 2012 um drei Prozent gewachsen - der Umsatz der Industriesparte sei dagegen deutlich zurückgegangen. Unter dem Strich habe das fränkische Unternehmen bis Ende März einen Gewinn von 233 Millionen Euro erzielt. Damit ist Schaeffler der profitabelste Automobilzulieferer. Das Ranking der größten Unternehmen der Branche teilen sich jedoch andere. Da noch nicht alle Unternehmen ihre Zahlen für 2013 vorgelegt haben, beziehen sich die Daten in den folgenden Texten auf 2012. Quelle: dpa
Platz 10 - FaureciaDer französische Automobilzulieferer eröffnet die Top Ten der größten Automobilzulieferer der Welt. Die Franzosen fertigen Abgasanlagen, Stoßfänger und Innenräume. (Vorjahr: Platz 11) Umsatz 2012: 17,4 Milliarden EuroMarge: 0,5 Milliarden Euro, das entspricht 3,0% vom UmsatzQuelle: Berylls Strategy Advisors "Global Top Automotive Suppliers" Studie 2012 Beachtung finden Unternehmen, die mindestens 50 Prozent des Umsatzes im Automotive-Bereich erwirtschaften. Dieser Umsatzteil wird auch im Ranking herangezogen. Quelle: Presse
Platz 9 - Johnson ControlsObwohl der nordamerikanische Automarkt 2012 enorm gewachsen ist, konnte der US-Hersteller seine Position vom Vorjahr nicht halten. Die Amerikaner stellen an 1300 Standorten weltweit Elektronik, Batterien, Türen, Innenräume und Sitze her. (Vorjahr: Platz 8) Umsatz 2012: 20,6 Milliarden EuroMarge:1,2 Milliarden Euro; das entspricht 5,6% vom Umsatz Quelle: Presse
Platz 8 - MichelinDer französische Hersteller produziert jährlich über 180 Millionen Reifen und ist mit 69 Produktionsstandorten in 18 Ländern der Welt vertreten. Für Michelin arbeiten mehr als 113.000 Menschen. (Vorjahr: Platz 7) Umsatz 2012: 21,5 Milliarden EuroMarge: 2,4 Milliarden Euro; 11,3% vom Umsatz Quelle: dpa/dpaweb
Platz 7 - Hyundai MobisDas Wachstum des koreanischen Zulieferers ist eng mit den Zuwächsen beim Autobauer Hyundai Kia verbunden. Mobis hat aber auch durch die Übernahmen von Daewoo Motors durch GM und Samsung Motors durch Renault-Nissan Zugang zu den zwei größten OEMs der Welt erhalten. 65 Prozent des Geschäfts von Hyundai Mobis werden heute außerhalb des koreanischen Heimatmarktes getätigt. (Vorjahr: Platz 10) Umsatz 2012: 21,8 Milliarden EuroMarge: 2,1 Milliarden Euro; das entspricht 9,4% vom Umsatz Quelle: Presse
Platz 6 - AisinPumpen, Motorteile, Federung und Sicherheitssysteme sind das Geschäft des japanischen Autozulieferers Aisin Seiki. 2011 knackte der Konzern erstmals beim Umsatz die 20-Milliarden-Euro-Marke und hält sie seither souverän. (Vorjahr: Platz 6) Umsatz 2012: 22,5 Milliarden EuroMarge: 1,5 Milliarden Euro; das entspricht 6,7% vom Umsatz Quelle: Presse

Amphibienfahrzeuge von VW

Der weltweite Trend zur immer größeren Spezialisierung im Transportgewerbe gilt auch für einen Emerging Market wie Brasilien: So liefert VW für den Buskonzern Transbrasiliana höhergelegte Fahrzeuge mit einem Know-how, das sonst für militärisch genutzte Amphibienfahrzeuge eingesetzt wird. Damit bleiben die Busse in der Regenzeit auf den tagelangen Fahrten über die Transamazônica nicht so schnell in Schlammlöchern und Flüssen stecken.

WiWo Global Brasilien

Der Müllentsorger Vega in Rio de Janeiro und São Paulo braucht wendige Fahrzeuge, die auch in den engen Straßen der Metropolen durchkommen und gleichzeitig wenig Lärm machen, weil der Müll vorwiegend nachts gesammelt wird. Zudem müssen die Mülltransporter auch voll beladen noch an den vielen steilen Hügeln der Millionenstädte anfahren können.

VW liefert eine verstärkte Version einer mittelschweren Zugmaschine und rüstet sie mit einer zusätzlichen Achse aus, die bei leichter Ladung hochgezogen werden kann. Dadurch lässt sich der Dieselverbrauch reduzieren. Der Motor ist in eine geräuschdämmende Kapsel eingelegt.

Geldtransportunternehmen, Brauereien und Getränkeabfüller, Zementfirmen, Minengesellschaften und Großfarmer - für jeden Kunden entwickelt der Konzern spezielle Modelle.

Angriff aus Asien

Wo die Autoindustrie wächst
Deutschland - 5,72 Millionen produzierte Fahrzeuge (Stand: 2011)Als die Produktion im Jahr 2009 um satte 11,9 Prozent absackte, hätte wohl niemand geahnt, dass Deutschland der große Gewinner der Autokrise werden könnte. Doch mittlerweile liegt die Produktion längst wieder über dem Vorkrisenniveau. Im Vergleich zum Jahr 2001 werden in Deutschland 13,8 Prozent mehr Autos produziert. Über zehn Jahre gesehen ist Deutschland damit der einzige Produktionsstandort in Westeuropa, der wächst. Quelle: dpa
Spanien - 2,35 Millionen produzierte FahrzeugeWährend Volkswagen wächst, bleibt Seat der spanische Patient des Konzerns. Der Niedergang der Marke ist symptomatisch für einen Produktionsstandort, der unter der heimische Wirtschaftskrise leidet. Über die vergangenen zehn Jahre gesehen, schrumpfte die Autoindustrie im Schnitt Jahr für Jahr um 1,5 Prozent. Im Vergleich wurden damit 15 Prozent weniger Autos produziert als noch 2001.
Frankreich - 2,25 Millionen produzierte FahrzeugeNoch schlimmer sieht die Lage in Frankreich aus - und das ist nicht mal ausschließlich der Krise geschuldet. Von 2004 bis 2009 schrumpfte die Autoindustrie des Landes, in drei Jahren sogar zweistellig. Seit 2001 ist die Produktion des Landes um satte 37 Prozent gesunken. Insbesondere die Sparstrategien der französischen Hersteller Renault und Peugeot/Citroën wirken sich negativ aus. Quelle: dpa
Großbritannien - 1,45 Millionen produzierte FahrzeugeIm Jahr 2005 ging mit MG Rover der letzte selbstständige britische Autohersteller in die Pleite. Die zweite Welle folgte 2009 als mehrere Werke schließen mussten und die Produktion um 33 Prozent absackte. Durch den Erfolg des Mini geht es in den letzten Jahren wieder bergauf. Im Zehn-Jahres-Vergleich kommt Großbritannien auf ein Produktionsminus von 13 Prozent. Quelle: dpa
Tschechien - 1,1 Millionen produzierte FahrzeugeDie tschechische Marke Skoda gehört zu den wachstumsstärksten Umsatztreibern des VW-Konzerns. Nicht der Stammsitz Mladá Boleslav ist mittlerweile ein beliebter Standort für Autokonzerne mit einem Wachstum von 141 Prozent hat sich die Autoproduktion in Tschechien innerhalb von zehn Jahren mehr als verdoppelt. Schon bald könnten die Tschechen auch Großbritannien überholen.
Polen - 824.000 produzierte FahrzeugeAuch im Nachbarland Polen floriert die Autoindustrie. Auch wenn das Land keine Eigenmarke vorzuweisen hat: Fiat, Opel, Chevrolet und Volkswagen sorgen dafür, dass sich die Autoproduktion des Landes mit einem Wachstum von 101 Prozent verdoppelt hat. Die Aussicht ist allerdings längst nicht so gut wie in Tschechien: Im abgelaufenen Geschäftsjahr schrumpfte die Produktion um 5,3 Prozent. Quelle: rtr
Italien - 743.000 produzierte FahrzeugeZuletzt sprach Fiat-Chef Sergio Marchionne von einem „Blutbad bei den Margen“ - und strich kurzerhand ein milliardenschweres Investitionsprogramm. Obwohl die Produktion in den italienischen Autowerken in den vergangenen zehn Jahren um satte 51 Prozent gesunken ist, herrschen immer noch massive Überkapazitäten. Seit 2008 schrumpft die Produktion des Landes kontinuierlich. Eine Besserung ist nicht in Sicht.

Der Wettbewerbsvorteil durch Steuererleichterungen für die Produzenten, die ihre Produkte in Brasilien entwickeln, kommt für die deutschen Autokonzerne gerade rechtzeitig: Denn der Kampf um Marktanteile nimmt deutlich an Härte zu. Asiatische Hersteller drängen in das Land: Nissan und Suzuki aus Japan, JAC Motors und Chery aus China, Ssangyong und Hyundai aus
 Korea - alle eröffnen oder bauen derzeit neue Fabriken in Brasilien. Die Autobauer lockt das Marktpotenzial: Brasilien hat nach Stückzahlen gerade Deutschland als viertwichtigsten Automarkt weltweit überholt. Und die Unternehmensberatung Roland Berger erwartet, dass Brasilien schon 2015 nach den USA und China der drittwichtigste Markt der Branche sein wird. Mit einem Fahrzeug auf sechs Einwohner ist der Markt im Vergleich zu den Industrieländern noch unterversorgt.

Starke Italiener (zum vergrößern bitte anklicken)

Bis 2026 wird sich die Zahl der Pkw-Verkäufe auf 7,2 Millionen Fahrzeuge mehr als verdoppeln, schätzt der Wirtschaftsprüfer KPMG. Brasiliens Automarkt würde dann schneller wachsen als die Märkte in China oder den USA - wenn auch auf niedrigerem Niveau.

Brasiliens hohes Pro-Kopf-Einkommen lockt auch Premiumanbieter. BMW baut erstmals eine Fabrik in Südbrasilien. Jaguar Land Rover sucht nach einem Standort. Auch Mercedes denkt über eine eigene Pkw-Fabrik im oberen Segment nach.

Für die bereits lange in Brasilien ansässigen Autobauer wie die Marktführer Fiat und VW, aber auch Ford und General Motors wird das Klima rauer: Die wachsende Konkurrenz wird die Margen drücken, darüber herrscht Konsens in der Branche - auch wenn das öffentlich keiner gerne zugibt. Die seit einigen Jahren nach Südamerika drängenden Kleinwagenhersteller aus Korea, China und Japan machen ihnen den Markt im Einstiegssegment streitig - die bisherige strategische Stärke gerade der europäischen Anbieter. Auch US-Konzerne wie General Motors oder Ford sind in Brasilien mit ihren kleineren Modellen erfolgreich, die in deren europäischen Filialen bei Opel in Rüsselsheim oder Ford in Köln entwickelt wurden.

Angriff aus Asien

Die asiatischen Hersteller greifen mit preiswerteren und großzügiger ausgestatteten Modellen an. Ihr Vorteil: Sie können mit niedrigeren Kosten arbeiten als die Platzhirsche in Brasilien. Neue Fabriken auf der grünen Wiese, importierte Teile aus China und neue Mitarbeiterverträge machen sie bei den Kosten weitaus wettbewerbsfähiger als die Konzerne, die schon seit Jahrzehnten im Land sind. Zudem haben sie eine Marketingoffensive gestartet: Die chinesische Marke JAC und Hyundai aus Korea werben massiv in den populärsten Talkshows und zwischen den beliebten Telenovelas. Deren Fahrzeuge sind heute der Konsumtraum der aufsteigenden Mittelschicht Brasiliens.

In dieser Situation stießen die etablierten Autobauer wie Fiat und VW bei der Regierung auf offene Ohren, als sie Marktschutz und einen hohen lokalen Fertigungsanteil forderten. Damit konnten sie die neuen Konkurrenten erst einmal auf Distanz halten. Denn Autobauer, die erst mit der Produktion beginnen - egal, ob Premiumanbieter wie BMW oder Billigproduzenten im Einstiegssegment wie Chery -, brauchen mehrere Jahre, bis sie die geforderte Fertigungstiefe erreichen können.

Anknüpfen an vergangene Erfolge

Ohne eine lokale Motorenproduktion etwa ist das kaum zu schaffen. Die Konzerne bekommen jetzt eine Übergangsfrist eingeräumt, in der ihnen Steuern gestundet werden. Für die Premiumanbieter wie BMW oder Jaguar Land Rover macht die Regierung sogar Zugeständnisse an die geforderten lokalen Fertigungsanteile.

Mit den neuen Fabriken und dem höheren Technologiegehalt der Fahrzeuge hat die Regierung noch ein weit ehrgeizigeres Ziel: Brasilien soll ein weltweit wichtiger Autoexporteur werden – so wie früher schon einmal. Mit dieser Strategie könnte das Land nach Ansicht von Branchenexperten durchaus Erfolg haben. Brasiliens Spezialisierung auf kleinere, sparsamere Fahrzeuge ist im globalen Wettbewerb ein Vorteil. Denn in Lateinamerika und den USA werden die Konsumenten immer mehr Kleinwagen nachfragen, schätzt Charles Krieck, Autoexperte von KPMG in Brasilien.

Attraktives Modell - nicht nur auf der São Paulo-Motorshow ist der Gol ein Star - er ist das meistverkaufte Auto in Brasilien. Quelle: Presse

Komplexe Arbeitsteilung

Die entscheidende Frage wird sein, ob dann die europäischen Hersteller die Einstiegsfahrzeuge aus Brasilien exportieren werden oder ob die neuen asiatischen Konkurrenten von Brasilien aus die Nachfrage bedienen. Denn die etablierten Autobauer verlieren gerade noch einen Standortvorteil: Seit Langem arbeiten sie in Südamerika mit einer perfekten regionalen Arbeitsteilung, die Zuliefererfabriken in Argentinien einschließt. Sie haben so eine engmaschige Wertschöpfungskette mit gewaltigen Dimensionen aufgebaut.

VW etwa besitzt argentinische und brasilianische Getriebe- und Motorenwerke, Gießereien und Montagefabriken verteilt in einem Gebiet, das sich 3.000 Kilometer von Norden nach Süden erstreckt. Motorenteile werden von Argentinien nach Brasilien verschifft und in der Nähe von São Paulo zu Dieselmotoren zusammengebaut. Dort werden sie getestet, wieder zurück nach Argentinien exportiert und in Lkws eingebaut, die wiederum in einer chilenischen VW-Filiale zum Kauf angeboten werden.

Doch die Skaleneffekte in Südamerika und die Konkurrenzfähigkeit gegenüber den Asiaten sind bedroht: Argentinien verschließt wegen akuten Devisenmangels seinen Markt immer mehr für ausländische Produkte. Davon sind auch Pkws und Autoteile betroffen. Die Arbeitsteilung steht auf dem Spiel - der Wind für deutsche Autobauer in Südamerika weht schärfer.

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