Ex-Porsche-Manager Wann eine Lüge wirklich beginnt

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat die Ex-Porsche-Manager Wendelin Wiedeking und Holger Härter angeklagt. Haben sie den Aktienmarkt durch falsche Aussagen manipuliert? Ein Prozess gegen die beiden einstigen Porsche-Größen soll klären, wann die Lüge endet und die Straftat beginnt.

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Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat die Ex-Porsche-Manager Wendelin Wiedeking (li.) und Holger Härter angeklagt. Mehr als drei Jahre haben sie gebraucht, um die Anklageschrift fertig zu stellen. Quelle: dpa

Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft hatte ihre Pressemitteilung zur Anklage von Ex-Porsche-Chef Wendelin Wiedeking und seinem damaligen Finanzvorstand Holger Härter noch nicht verschickt, da lag in den E-Mail-Postfächern von 33 Journalisten und Redaktionen bereits eine empörte Kampfschrift der Verteidiger. Sie werfen den Stuttgarter Fahndern eine ganze Reihe von Fehlern vor.

Abzüglich des in solchen Fällen üblichen Getöses bleibt ein interessanter Vorwurf: Die Angaben von Porsche im Jahr 2008, von denen die Staatsanwaltschaft behauptet, sie seien falsch gewesen und hätten den Aktienmarkt manipuliert, hätten den Börsenkurs der VW-Aktie nicht beeinflusst. Ein Gutachten der Handelsüberwachungsstelle der Frankfurter Börse sei zu diesem Ergebnis gekommen. Dies „verschweigt die Staatsanwaltschaft wohlweislich“, gifteten die Verteidiger.

Die Staatsanwaltschaft klagt Wiedeking und Härter wegen Manipulation des Aktienmarktes im Zuge der versuchten VW-Übernahme im Jahr 2008 an. Mit falschen Informationen hätten die Manager   den Kurs der VW-Aktie beeinflusst. Wiedeking und Härter streiten das ab. Die Fahnder können aber offenbar belegen, dass die Porsche-Manager während der Übernahmeschlacht mehrmals falsche Angaben machten.

Manager auf Karriere-Abwegen
Der damalige Porsche-Vorstandsvorsitzende Wendelin Wiedeking sitzt am 28.11.2007 in Stuttgart vor der Bilanz-Pressekonferenz auf der Motorhaube eines Porsche 911 Quelle: dpa
Stefan Roggenkamp war früher Managing Director der japanischen Investmentbank Mizuho - heute ist er Hersteller von Biolebensmitteln.
Alexander Hartmann war früher Abteilungsleiter einer Schweizer Privatbank, heute ist er Sozialpädagogen-Azubi in einem Schweizer Waisenhaus. Quelle: Christian Schnur für WirtschaftsWoche
Susan Dreyer Quelle: LAIF/Julia Baier
Thomas Brauße Quelle: dpa

Allerdings: Für eine Anklage reicht das nicht. Denn Lügen wird hier, wie so oft in der Rechtsprechung, nicht als Verbrechen gewertet. Strafbar wird eine Falschinformation laut Wertpapierhandelsgesetz erst, wenn sie „geeignet ist, auf den Börsenpreis einzuwirken“  und wenn sie nachweislich Auswirkungen auf andere Marktteilnehmer hatte.

Hatten die möglichen Lügen der Porsche-Manager womöglich gar keinen Einfluss auf den Aktienmarkt? Dann wären Wiedeking & Co. tatsächlich fein raus.  Das weiß auch die Staatsanwaltschaft. Deshalb hat sie vorgesorgt: Aus 14 Fällen, in denen sie eine bewusste Falschinformation feststellte, siebte sie fünf Fälle heraus, in denen Marktteilnehmer den Fahndern schwarz auf weiß bescheinigten, dass sie von den womöglich falschen Porsche-Informationen in ihrem Handeln beeinflusst wurden.

Wegweisendes Urteil für die Rechtsprechung bei Marktmanipulation

Richters spektakuläre Fälle
Wendelin Wiedeking Quelle: dpa
Porsche-Schirm Quelle: REUTERS
Stefan Mappus Quelle: REUTERS
EnBw Quelle: dapd
Siegfried Jaschinski Quelle: AP
LBBW Quelle: dapd
Schlecker Quelle: dpa

Sollte das Landgericht Stuttgart die Klage zulassen und es zum Prozess gegen Wiedeking & Co. kommen, wird die Staatsanwaltschaft Aktienhändler präsentieren, die VW-Aktien in großem Umfang gekauft oder nicht gekauft haben, weil sie entsprechende Informationen von Porsche bekamen. Die Aktienhändler werden dem Gericht vorrechnen, welche Schäden sie hätten vermeiden können,  wären sie von Porsche korrekt informiert worden.

Wie stark durch solche Zusammenhänge der Kurs der VW-Aktie beeinflusst wurde, steht auf einem anderen Blatt. Denn der Kurs des VW-Papiers wurde von mehr beeinflusst, als den Äußerungen des  Großaktionärs Porsche – von der Konjunktur etwa, der Performance von VW oder der Dax-Entwicklung. Gut vorstellbar also, dass eine falsche Porsche-Aussage den Kurs getrieben hätte, andere Faktoren ihn jedoch drückten und die Aktie am Ende des Tages mit einem Minus aus dem Handel ging. War die womöglich falsche Porsche-Aussage schlussendlich manipulierend oder nicht? Wer nur auf den Kurs schaut, wird keine Antwort finden, wer einzelne Händler fragt, aber sehr wohl.

Auf wen wird das Stuttgarter Landgericht blicken? Auf Gutachter, die den Kursverlauf analysieren und letztlich spekulieren müssen, welcher Faktor den Kurs wie stark prägte? Oder auf einzelne Händler, die sagen können, wie stark sie von Porsche-Aussagen beeinflusst wurden, die aber nicht unbedingt repräsentativ für den ganzen Markt sind?

So oder so, es könnte spannend werden 2013 vor dem Stuttgarter Landgericht – und auf jeden Fall wegweisend für die künftige Rechtsprechung bei Marktmanipulation.

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