An diesem Wochenende wird es wieder laut in Monaco: Die Formel 1 ist zu Gast. Wenn am Sonntag Nico Rosberg, Lewis Hamilton, Sebastian Vettel und Co in ihren Rennwagen um den Sieg auf dem legendären Stadtkurs kämpfen, ist das für viele Motorsport-Fans nach wie vor eines der Highlights des Jahres.
Doch eines ist in diesem Jahr anders: Der Grand Prix von Monaco ist nicht mehr das erste und einzige Rennwochenende in den Straßen des kleines Fürstentums an der Cote d’Azur. Vor zwei Wochen fand bereits ein anderes Rennen in Monaco statt: der ePrix. So heißen die Veranstaltungen einer neuen Rennserie, der Formel E. Die Besonderheit: Wie das „E“ andeutet, brausen hier Elektroautos über die Piste.
Die wichtigsten Fragen zur Formel E
Das ist eine neue Rennserie mit Formel-Rennwagen. Soll heißen: Die einsitzigen Boliden haben wie Formel-1-Renner freistehende Räder, Front- und Heckflügel sowie ein Cockpit in der Mitte. Nur wird der Wagen nicht von einem Benziner, sondern einem Elektromotor angetrieben.
Im ersten Jahr kommt bei allen Teams der gleiche Wagen zum Einsatz, der sogenannte Spart SRT_01E. Das Chassis kommt von Dallara, den Elektroantrieb hat McLaren gebaut, die Batterie liefert Williams, und Renault hat die Technik zusammengefügt. Die Reifen sind von Michelin, auch dabei gilt das Einheitsprinzip: Es sind alles Allwetterreifen. Reine Trockenreifen, wie in der Formel 1, gibt es nicht.
Der Motor leistet maximal 272 PS. Allerdings nur im Qualifying auf eine Runde, im Rennen wird die Leistung auf rund 200 PS reduziert. Damit sind die Wagen bis zu 225 km/h schnell.
Viel leiser als Rennsport mit Benzinmotoren, aber nicht lautlos. Die Motoren erzeugen ein rund 80 Dezibel lautes Surren, also in etwa so laut wie ein Rasenmäher und nicht wie ein Formel-1-Auto, das mit 130 Dezibel eher einem Düsenjet gleicht. Stattdessen hört man in der Formel E in den Kurven die Reifen quietschen. Auf der Tribüne braucht man auch keine Ohrstöpsel. Für manche mag da der Motorenlärm fehlen, wie in der Formel 1 diskutiert wird. Für andere, vor allem Familien mit kleinen Kindern, ist es aber genau richtig.
Ein Rennen dauert rund 45 Minuten. Die Batterien halten aber nicht das ganze Rennen durch, nach etwa der Hälfte kommen die Fahrer deshalb in die Boxengasse. Hier wird aber nicht aufgeladen, sondern gleich das ganze Auto gewechselt: Der Fahrer springt in einen identischen Zweitwagen, um das Rennen zu beenden. Künftig könnte der Autowechsel aber wegfallen, wenn bessere Akkus das ganze Rennen durchhalten.
Es ist gar kein ganzes Wochenende. Damit die Fans nicht drei Tage an der Strecke verbringen müssen, ist die Formel E ein Tages-Event. Morgens findet das Training statt, am Mittag die Qualifikation für die Startaufstellung, am Nachmittag wird dann das Rennen gefahren.
Ausschließlich auf Stadtkursen. Anders als die Formel 1, die nur in Monaco und Singapur auf echten Stadtkursen fährt, sucht die Formel E den Weg in die Metropolen. Statt in Silverstone, Spa oder Spielberg fahren die Elektrorenner durch Peking, Miami, Berlin oder London.
Pro Rennen gehen 20 Fahrer an den Start. Darunter sind zahlreiche ehemalige Formel-1-Fahrer. Nick Heidfeld, Jarno Trulli, Lucas di Grassi, Sébastien Buemi, Jaime Algersuari, Bruno Senna, Jerome d'Ambrosio und Nelson Piquet können Erfahrung aus der Königsklasse vorweisen. Beim Saisonstart in Peking waren auch noch zwei Frauen, Katherine Legge und Michela Cerruti, am Start, wurden aber inzwischen durch andere Fahrer ersetzt. Zudem ist auch der Sohn der Formel-1-Legende Alain Prost, Nicolas, dabei. Und der 22-jährige Daniel Abt aus Deutschland, seines Zeichens ein ehemaliger GP2-Fahrer.
Das glamouröse Rennen rund um den Hafen von Monte Carlo, das Jahr für Jahr die Reichen und Schönen anzieht, ist nicht mehr einzigartig im Formel-1-Kalender. Die Königsklasse des Motorsports hat Konkurrenz bekommen. Ein bisschen zumindest: In der öffentlichen Wahrnehmung überstrahlt die Formel 1 die kleine Elektro-Rennserie noch bei weitem – auch wenn die Aufmerksamkeit für Motorsport in den vergangenen Jahren deutlich gesunken ist.
Unter anderem auch deshalb geht die Formel E einen anderen Weg. Nicht nur beim Antrieb, sondern auch bei den Veranstaltungen selbst. Zählen Stadtkurse in der Formel 1 zu den Ausnahmen, sind sie bei der Formel E die Regel. Die Fans müssen nicht an die entlegenen Rennstrecken pilgern, sondern der Rennsport kommt zu ihnen in die Innenstädte.
Deutsche Fahrer und deutsches Team am Start
So erfolgreich die Premiere der Formel E in Monaco auch war, 2016 wird dort kein Rennen stattfinden. Das liegt aber nicht an der Serie, sondern an Terminproblemen in dem Fürstentum. „Neben dem Formel-1-Rennen haben wir 2016 wieder den historischen Grand Prix. Und wir können unmöglich drei Rennen im gleichen Jahr durchführen“, sagt Michel Boeri, Chef des monegassischen Automobilklubs ACM. „Wir könnten uns aber vorstellen, das E-Rennen abwechselnd mit dem historischen Grand Prix alle zwei Jahre durchzuführen.“ An einem Ersatz-Standort wird es sicher nicht mangeln: Mehr als 100 Städte haben sich auf einen ePrix beworben. Die Schweiz, in der seit den Fünfzigerjahren jeglicher Motorsport verboten ist, hat sogar die Gesetze geändert, so dass Elektro-Rennen künftig möglich sind.
Mit dabei ist auch ein deutsches Team, Abt Sportsline aus Kempten im Allgäu. Für Teamchef Hans-Jürgen Abt ist das Konzept mit den Stadtrennen bereits jetzt aufgegangen. „In Asien und Amerika waren die Leute von der Formel E begeistert. In Monaco sind wir jetzt das erste Mal in Europa gefahren und die Tribünen waren voll“, sagt Abt. „Es war eine tolle Kulisse, da kann man beim ersten Auftritt einer neuen Rennserie stolz sein.“
Stolz ist Abt auch auf seine Fahrer. Der ehemalige Formel-1-Pilot Lucas di Grassi führt nach sieben von elf Rennen die Meisterschaft an, in Monaco wurde er Zweiter. Sein Teamkollege ist Daniel Abt, der Sohn des Teamchefs. Beim fünften Lauf in Miami hat der 22-Jährige seinen ersten Podestplatz erzielt. „Die Kombination unserer Fahrer ist eine gute Voraussetzung für den dauerhaften Erfolg des Teams“, sagt Abt senior. „Lucas di Grassi bringt als ehemaliger Formel-1-Fahrer und Teilnehmer der 24 Stunden von Le Mans viel Erfahrung mit, was auch uns als Team gut tut. Daniel steht mit seinen 22 Jahren erst am Anfang seiner Karriere. So können wir neben dem „Veteran“ einen zweiten, jungen Fahrer aufbauen.“
Wenn die selbsternannte Königsklasse des Motorsports am Wochenende in Monaco auf Punktejagd geht, ist die Formel E längst weitergezogen. Am Samstag rasen die leisen Flüster-Flitzer durch Berlin. Der deutsche Lauf findet auf dem Tempelhofer Feld statt – im Gegensatz zu den deutschen Formel-1-Strecken bei Hockenheim oder dem Nürburgring in der Eiffel ist die Formel-E-Strecke bequem mit der U-Bahn zu erreichen.
Das sorgt für ein anderes Publikum an der Strecke. Zu den Fans, die ihren Aufenthalt lange im Voraus planen, kommen Spontan-Besucher – was bei anderen Rennserien kaum möglich ist. „Ich schätze, dass bei den bisherigen Rennen 40 bis 50 Prozent der Zuschauer sich spontan entschieden haben“, sagt Teamchef Abt. „Die Leute sollen in die Stadt gehen und sich guten Motorsport anschauen können. Wer sich spontan entscheidet, soll nicht von hohen Ticketpreisen abgeschreckt werden.“
Tickets ab acht Euro sollen Fans anlocken
Die günstigsten Karten in Berlin gibt es ab acht Euro, das Gold-Ticket kostet 59 Euro. Bei der Formel 1 wird selbst für ein Tages-Ticket zum Training ein dreistelliger Betrag fällig, ein Sitzplatz am Renn-Sonntag kratzt oft an der 1000-Euro-Marke.
Neben den Eintrittspreisen geht die Elektro-Rennserie auch sonst andere Wege als die Formel 1: Die Fans sollen nicht nur ein Rennen schauen, sondern eingebunden werden. Per Internet-Abstimmung können die Zuschauer vor dem Start drei Fahrer auswählen, die während des Rennens – außer in der ersten und letzten Runde – den sogenannten „FanBoost“ erhalten. Die Auserwählten können per Knopfdruck für fünf Sekunden die Leistung ihres Boliden von knapp 200 PS auf 250 PS steigern – und so das womöglich entscheidende Überholmanöver setzen.
Teams und Fahrer der Formel E
Land: Japan
Fahrer: Antonio Felix da Costa (Portugal)
Fahrer: Salvador Duran (Mexiko)
Land: USA
Fahrer: Jean-Eric Vergne (Frankreich)
Fahrer: Scott Speed (USA)
Land: Deutschland
Fahrer: Daniel Abt (Deutschland)
Fahrer: Lucas di Grassi (Brasilien)
Land: China
Fahrer: Neslon Piquet jr. (Brasilien)
Fahrer: Charles Pic (Frankreich)
Land: USA
Fahrer: Jerome d'Ambrosio (Belgien)
Fahrer: Loic Duval (Frankreich)
Land: Frankreich
Fahrer: Nicolas Prost (Frankreich)
Fahrer: Sébastien Buemi (Frankreich)
Land: Indien
Fahrer: Karun Chandhok (Indien)
Fahrer: Bruno Senna (Brasilien)
Land: Schweiz
Fahrer: Jarno Trulli (Italien)
Fahrer: Vitantonio Liuzzi (Italien)
Land: Monaco
Fahrer: Nick Heidfeld (Deutschland)
Fahrer: Stépahne Sarrain (Frankreich)
Land: Großbritannien
Fahrer: Jaime Algersuari (Spanien)
Fahrer: Sam Bird (Großbritannien)
In dem Fahrerfeld, das mit einigen ehemaligen Formel-1-Piloten wie Bruno Senna, Nelson Piquet oder dem Deutschen Nick Heidfeld besetzt ist, ist bei der Abstimmung ein bekannter Name oft von Vorteil. „Beim FanBoost haben wir es etwas schwer. Im ersten Rennen hat Lucas di Grassi einen Boost bekommen, danach keinen mehr. Andere Fahrer, wie zum Beispiel Bruno Senna, können derzeit mehr Fans mobilisieren. Dass es ein Vorteil ist, hat Nelson Piquet mit seinem Überholmanöver in Monaco wieder gezeigt.“ In Berlin könnte sich das ändern, die deutschen Fans scheinen aktiver zu sein: Momentan liegt Daniel Abt in der Liste auf Platz 2 und würde so im Rennen die begehrte Zusatz-Power erhalten.
Leiser Motorsport
„Ich finde das Konzept ist ein guter Ansatz. Sie setzen dort an, wo wir hier in der Formel 1 Probleme haben“, sagt der ehemalige Rennfahrer und heutiger TV-Experte Christian Danner. „Zum Beispiel mit der Facebook- und Twitter-Einbindung, der Musik- und Entertainment-Schiene und dass man in die Innenstädte geht. Dann kommt noch das grüne Image dazu.“
Im vergangenen Sommer durfte Danner bei den Testfahrten vor dem Saisonstart – die Saison beginnt im September und endet im Juni des Folgejahres – selbst einige Runden drehen. „Es war eine positive Überraschung. Zwar sieht das Auto etwas komisch aus, aber ein Rennauto ist ein Rennauto“, sagt Danner. „Im ersten Moment war es seltsam, weil du nichts hörst. Die Reifen haben total viel Grip, das hätte ich nie gedacht. Ich bin acht Runden gefahren und sofort in den Bereich gekommen, in dem du am Limit fährst.“
Formel 1 in Deutschland
Seit 1961 hat die Formel 1 bislang jedes Jahr Station in Deutschland gemacht. Zu den Hochzeiten fanden sogar zwei Rennen in Deutschland pro Jahr statt.
Quelle: dpa
Insgesamt wurden bislang 75 Formel-1-Rennen in Deutschland gestartet.
Großer Preis von Deutschland: insgesamt 61 Auflagen.
Gefahren wurde davon 34 Mal auf dem Hockenheimring.
26 Mal fand der Große Preis auf dem Nürburgring statt.
1959 wurden auf der AVUS in Berlin gefahren.
Zudem ging es auf dem Nürburgring zwölfmal um den Großen Preis von Europa. Weitere zweimal fand dort der Große Preis von Luxemburg statt.
Gefahren wird in der Debüt-Saison noch mit einem Einheitsauto, dem Spark SRT_01E. Künftig dürfen die Teams die Autos weiterentwickeln, aber nur in engen Grenzen. Arbeiten am Antrieb sind zum Beispiel erlaubt, an der Karosserie dürfen die Teams aber keine Hand anlegen – die Veranstalter wollen ein teures Aerodynamik-Wetteifern wie in der Formel 1 vermeiden. „Unser Partner Schaeffler entwickelt für die kommende Saison einen eigenen Elektromotor“, sagt Hans-Jürgen Abt. „Wir hoffen, mit unserem Abt-Schaeffler-Auto auch künftig konkurrenzfähig zu sein.“
Beteiligung aus Hollywood
Momentan stammt der Elektromotor noch von Renault. Mit der teilweisen Freigabe der Entwicklung könnte die Serie auch für andere Hersteller interessant werden – schließlich werden im Rennsport oft neue Technologien entwickelt und erprobt, die später auch in Straßenautos zum Einsatz kommen. „Ob es zu einer durchschlagenden Technologie-Explosion führt und jeder sein eigenes Auto baut, werden wir sehen“, sagt Experte Danner. „Eine leichte Grundskepsis habe ich da.“
Auch bei der Zukunft der Rennserie bleibt Danner zurückhaltend. „Grundsätzlich kann uns das ein neues Publikum bringen. Dort werden Leute Motorsport schauen, die damit bisher nichts zu tun hatten“, so der ehemalige Rennfahrer. „Aber wenn man glaubt, dass das die neue Formel 1 ist, dann hat man sich geschnitten.“
Welche Budgets die Formel-1-Teams haben
Budget: 240 Millionen Euro
Mitarbeiter: 700
Budget: 250 Millionen Euro
Mitarbeiter: 550
Budget: 240 Millionen Euro
Mitarbeiter: 640
Budget: 140 Millionen Euro
Mitarbeiter: 500
Budget: 230 Millionen Euro
Mitarbeiter: 560
Budget: 95 Millionen Euro
Mitarbeiter: 320
Budget: 120 Millionen Euro
Mitarbeiter: 320
Budget: 85 Millionen Euro
Mitarbeiter: 500
Budget: 100 Millionen Euro
Mitarbeiter: 300
Die Skepsis ist vermutlich auch berechtigt, denn ein kostspieliges Wettrüsten will der Weltverband FIA eigentlich vermeiden. So ist zum Beispiel die Anzahl der Mechaniker und Ingenieure, die in der Boxengasse an den Autos arbeiten dürfen, stark begrenzt. Zudem gibt es in der Formel E etwas, worüber in der großen Formel 1 seit Jahren ergebnislos gestritten wird: eine Budget-Obergrenze.
Für Abt geht es um den Fahrer-Titel
Mehr als drei Millionen Dollar pro Jahr darf ein Team nicht ausgeben. Eine Ungleichheit wie in der Königsklasse, wo die Hinterbänkler-Teams mit einem Bruchteil des Geldes der großen Rennställe auskommen müssen und dennoch ums finanzielle Überleben kämpfen, kann es nicht geben. In der Formel E kommt das Venturi-Team zum Beispiel mit einem großen Geldgeber aus: Hollywood-Schauspieler Leonardo di Caprio.
Auch für Abt rechnet sich das Engagement in der neuen Rennserie. Zusammen mit dem langjährigen Partner Audi ist Abt zum Beispiel in der DTM oder dem Langstreckensport unterwegs. Die Formel E ist für Abt vor allem eine Werbeplattform. „Wir beschäftigen uns schon länger mit der Elektromobilität, wir bauen zum Beispiel Straßenautos mit Benzinmotor als Elektroauto um“, sagt Firmenchef Abt. „Deshalb war der Gedanke früh da, mit einem Team in der Formel E unsere Kompetenz zu zeigen.“
Bis jetzt scheint das zu klappen, vier Rennen vor Schluss – nach Berlin folgen noch ein Lauf in Moskau und das Saisonfinale mit zwei Rennen in London – führt Abt-Fahrer di Grassi die Wertung an. In der Team-Wertung liegt Abt auf Platz zwei, das e.dams-Renault Team mit Nicolas Prost und Sébastian Buemi ist fast uneinholbar vorne – dazu hatte Daniel Abt auch aufgrund einiger Strafen wegen zu hohen Energieverbrauchs nicht regelmäßig genug gepunktet.
Die Team-Wertung hat Abt bereits abgehakt, es geht aber noch mit voller Kraft um die Fahrer-Wertung. „Es ist unser Ziel, dass Lucas di Grassi in London ganz oben steht“, sagt Abt. „Das e.dams-Team ist mit beiden Fahrern gut aufgestellt, auch Nelson Piquet liegt nur knapp hinter uns. Wir sind aber erfahren genug, um mit dem Druck umgehen zu können.“
Ein gutes Ergebnis in Berlin könnte ein Anfang sein.