Freude an der Tankstelle Warum Benzin gerade so billig ist

Früher waren hohe Spritpreise ein Aufregerthema, derzeit freuen sich Autofahrer über niedrige Tankrechnungen. Doch bleibt das auch so?

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Ein LKW wird betankt Quelle: imago images

Wenn die Preistafel an der Tankstelle weniger als einen Euro anzeigt, sind meist die Zapfsäulen für Erd- oder Flüssiggas gemeint. Doch jüngst sprang auch eine andere Anzeige um: An einigen Tankstellen in Schleswig-Holstein kostete der Liter Diesel mitunter 99 Cent oder weniger. Die Zeiten, in denen sich der Zorn der Autofahrer an der Zapfsäule entlud, scheinen plötzlich lange Zeit her zu sein.

Zuletzt waren die Dieselpreise laut ADAC-Daten am 23. März 2009 so tief. Aktuell ist der Diesel im Bundesschnitt aber von dieser Marke noch ein Stück entfernt. Der Autoclub beobachtet an über 1.400 Tankstellen die Preise – und kommt so auf einen bundesweiten Schnitt von 1,114 Euro pro Liter Diesel. Ein Liter Super E10 kostet derzeit 1,257 Euro.

So entwickeln sich die Preise für Benzin und Diesel

Die Grafik zeigt die Entwicklung der Verbraucherpreise für Superbenzin E5 und Diesel während des Jahres 2014 in Cent. Quelle: Statistisches Bundesamt

Tiefstpreise von 0,99 Euro mögen zwar medienwirksam sein, vielerorts wird aber noch deutlich mehr fällig. Wie beim Benzin schwanken die Preise je nach Wochentag, Tageszeit und Region erheblich. Auch deswegen lassen sich Trends bei Benzin und Diesel vor allem am Durchschnittspreis ablesen.

Und diese sprechen in den vergangenen Monaten eine eindeutige Sprache: Es geht nach unten. Von Januar bis Oktober waren die Kraftstoffpreise laut Statistischem Bundesamt relativ stabil. Ein Liter Superbenzin E5 schwankte zwischen 1,52 Euro und 1,59 Euro, der Diesel kostete in diesem Zeitraum konstant 1,36 Euro oder 1,37 Euro.

Wer vom billigen Öl profitiert – und wer verliert
Jemand arbeitet an einer Tragfläche eines Flugzeugs Quelle: PR
Autos Quelle: AP
Jemand greift nach Körperpflegeprodukten in einem Regal Quelle: REUTERS
Containerschiff Quelle: dpa
Lastwagen der Deutschen Post Quelle: dpa
Packungen mit Medikamenten Quelle: dpa
Anlage mit Tank, auf dem BASF steht Quelle: dpa

Doch dann kam der Preisrutsch. Für den Dezember weist das Bundesamt einen Superbenzin-Preis von 1,36 Euro aus, der Diesel lag bei 1,22 Euro. Im Januar sind die Preise noch ein wenig gefallen, könnten sich aber langsam etwas stabilisieren. „Der Preisverfall hat sich bereits seit der vergangenen Woche verlangsamt“, sagt ADAC-Kraftstoffexperte Jürgen Albrecht. „Der Ölpreis ist nicht unter 47 Dollar pro Barrel gefallen, aktuell notiert er wieder etwas höher.“

Der Ölpreis ist der entscheidende Faktor. Jahrzehntelang folgte der Rohölmarkt einem einfachen Muster: Bei sinkenden Ölpreisen drosselte die Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) die Fördermenge – wegen der künstlich erzeugten Knappheit stieg der Preis wieder.

Benzinpreise im internationalen Vergleich

Doch inzwischen haben sich die Spielregeln geändert: Die USA haben wegen des Fracking-Booms ihre Ölproduktion mehr als verfünffacht. Heute werden pro Tag rund zehn Millionen Barrel Rohöl (je 159 Liter) mit der umstrittenen Fördermethode aus dem Boden geholt. Der weltgrößte Ölverbraucher konnte plötzlich die Hälfte seines Tagesbedarfs aus eigener Produktion decken und war nicht mehr so stark von den Lieferungen aus den Opec-Staaten abhängig.

Also stiegen die Saudis in den Preiskampf ein. Statt mit einer Produktionskürzung nach den Opec-Spielregeln zu reagieren, hielt Saudi-Arabien im Herbst seine Produktionsmenge konstant – und senkte die Preise sogar.

Das Kalkül der Saudis: Wenn der Ölpreis weiter fällt, wird die Schieferöl-Produktion in den USA unrentabel, denn das komplizierte Fracking ist teuer. Je nach Bohrloch sollen die Förderkosten beim Fracking zwischen 40 und 70 Dollar pro Barrel liegen. Bei den aktuellen Preisen von 47,50 Dollar für ein Barrel des amerikanischen WTI-Öls ist das Fracking ein Verlustgeschäft.

Fracking-Produktion geht zurück

Das zeigt schon erste Auswirkungen: Schlumberger, der weltgrößte Ausrüster für Gas- und Ölexplorationen, entlässt 9.000 Mitarbeiter. Bei dem Öldienstleister Baker Hughes müssen vorraussichtlich 7.000 Angestellte gehen. Der australisch-britische Bergbaukonzern BHP Billiton reagiert mit drastischen Maßnahmen auf den Ölpreisverfall: Bis Ende Juli soll die Zahl der Ölbohranlagen auf dem US-Festland von 26 auf 16 gekappt werden.

„So günstig wie in Saudi-Arabien können sie nirgendwo Öl fördern“, sagt Rainer Wiek, Chefredakteur des Energie Informationsdienstes (EID). Sprich: Die Saudis können sich den Preiskampf leisten, sie fördern auch bei den aktuellen Weltmarktpreisen profitabel.

Nur die sonst mehr als üppige Marge leidet. Vom Jahreshöchststand im Juni 2014 bei 115 Dollar je Barrel sind die Preise um mehr als die Hälfte gefallen, im Januar wurde die Marke von 50 Dollar pro Fass unterboten.

Obwohl Benzin und Diesel derzeit günstig sind: Der Preisverfall beim Rohöl kommt nicht 1:1 an der Tankstelle an. Dafür gibt es drei Gründe:

  • Beim Tankstellenpreis sind die Einkaufskosten für das Benzin entscheidend. Benzin und Rohöl werden auf unterschiedlichen Weltmärkten mit eigenständigen Angebots- und Nachfragebedingungen gehandelt. Der Rohölpreis ist nur ein Faktor bei der Höhe des Benzinpreises
  • Rohöl wird in Dollar gehandelt, das Benzin aber in Deutschland in Euro verkauft. Da der Euro gegenüber dem Dollar im vergangenen Jahr an Wert verloren hat, wurde dadurch der Preisrückgang des Öls gedämpft. Oder anders herum: Hätte der Euro nicht gegenüber dem Dollar abgewertet, wäre Benzin noch billiger gewesen
  • Die Mineralölsteuer ist ein fester Betrag je Liter. Allein deshalb kann der Benzinpreis rein rechnerisch nicht wie der Ölpreis fallen

„Ein prozentualer Direktvergleich von Ölpreis und Benzinpreis führt in die Irre“, sagt Klaus Picard, Geschäftsführer des Mineralölwirtschaftsverbands MWV. Oder wie es ADAC-Experte Albrecht ausdrückt: „Wenn sich der Ölpreis halbiert, halbiert sich der Preis für Super nicht auch.“

Flüssiggas: Fakten über die Fracking-Alternative

Der Grund: Egal für welchen Betrag der Kraftstoff an der Tankstelle verkauft wird, mit jedem Liter Benzin fließen 65,45 Cent an den Staat. Beim Diesel sind es 47,04 Cent je Liter. Nur die weiteren Abgaben wie Öko- oder Mehrwertsteuer passen sich dem Verkaufspreis an. Dennoch steigt der Steueranteil am Kraftstoff mit sinkendem Tankstellenpreis – allein im Laufe des Jahres 2014 kletterte er von 59 auf 66 Prozent.

Neben den Steuern ist der Einkaufspreis der zweitgrößte Posten. Bei einem Preis von 1,249 Euro por Liter Superbenzin entfallen auf den Rohstoff selbst gerade einmal 32,7 Cent – rund ein Viertel des Gesamtpreises. Von dem Restbetrag von rund sieben Centmüssen die Konzerne die Raffiantion, Transport, Verwaltung und Vertrieb zahlen.

An Gewinn bleiben nur rund ein bis zwei Cent je Liter hängen – eine größere Marge können sich die Mineralölkonzerne und Tankstellenbetreiber kaum leisten. „Im harten Wettbewerb um jeden Kunden haben die Tankstellen die gesunkenen Einkaufskosten für Benzin voll an die Verbraucher weitergegeben“, sagt Picard.

Spediteure profitieren nur indirekt

Die Autofahrer freuen sich dennoch über die niedrigen Tankrechnungen – die Verbraucher wurden wegen der Spritpreise 2014 laut Berechnungen des MWV um fünf Milliarden Euro entlastet. Auch in der Logistikbranche mit ihren großen Lkw-Flotten herrscht Freude – wenn auch nur verhaltene.

„Die niedrigen Spritpreise wirken sich positiv auf die Kosten aus“, sagt Frank Huster, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Speditions- und Logistikverbandes (DSLV). „In den langfristigen Verträgen mit den Kunden sind allerdings sogenannte Gleitklauseln verankert, über die die geringeren Kosten an den Kunden weitergegeben werden.“

Wie sich der Benzinpreis zusammensetzt

Das bedeutet: Steigt der Treibstoffpreis über längere Zeit, dann zahlen die Kunden den Spedieteuren etwas mehr für den Kilometer, die Frachtkosten steigen. Sinkt der Dieselpreis, dann sinkt auch das Entgelt pro Kilometer, das ein Unternehmen bekommt – für den Kunden wird der Transport billiger.

Ähnlich sieht die Lage etwa bei Busunternehmen aus, die hauptsächlich im öffentlichen Nahverkehr unterwegs sind – auch hier enthalten die Verträge mit den Verkehrsverbunden oder Kommunen in der Regel Gleitklauseln.

Die Kraftstoffpreise ändern die Ertragssituation also nicht. „Daher haben Logistikunternehmen und Spediteure keine direkten Vorteile, aber die Wirtschaft wird von niedrigen Ölpreisen beflügelt – was wieder die Nachfrage nach Waren- und Gütertransporten erhöht“, sagt Huster.

Wie viel Sprit Ihr Auto wirklich schluckt
Erschütterndes TestergebnisVon den 91 geprüften Fahrzeugen lag der im Unterschied zu den Herstellerangaben festgestellte Mehrverbrauch bei 55 Wagen teils deutlich über der Marke von zehn Prozent. Diese Grenze muss laut herrschender Rechtsprechung überschritten werden, wenn der Autokaufvertrag erfolgreich angefochten werden soll. Voraussetzung dafür ist in aller Regel auch das Gutachten eines anerkannten Sachverständigen, der die besagte Verbrauchsdifferenz bestätigen muss. Die Bildergalerie zeigt die Testergebnisse ausgewählter Fahrzeuge: Die erste Ziffer gibt immer den Spritverbrauch laut Hersteller an. Die zweite den tatsächlichen Verbrauch im Rahmen des ACE-Tests. Quelle: dapd
Ford FocusFocus 1.6 Ti-VCT: Werksangabe: 6,6 Liter Super - ACE-Test: 7,9 Liter Focus 1.6 TDCi TREND: Werksangabe: 5,1 Liter Diesel - ACE-Test: 5,2 Liter Focus 2.0 TDCi: Werksangabe 4,9 Liter Diesel - ACE-Test 5,1 Liter Quelle: obs
Opel CorsaCorsa 1.7 CDTI Cosmo: Werksangabe: 4,8 Liter Diesel - ACE-Test: 5 Liter Quelle: obs
Audi Q3Q3 2.0 TDI Quattro S tronic: Werksverbrauch: 5,9 Liter Diesel - ACE-Test: 7,9 Liter Quelle: obs
Audi A4 A4 1.8 TFSI: Werksangabe: 7,1 Liter Super - ACE-Test: 8,1 Liter A4 2.7 TDI Avant Multitronic: 6,4 Liter Diesel - ACE-Test; 6,5 Liter Quelle: obs
Audi A6 AvantA6 Avant 2.0 TDI: Werksangabe: 5,8 Liter Diesel - ACE-Test: 6,7 Liter A6 Avant 3.0 TDI quattro: Werksangabe: 5,8 Liter Diesel - ACE-Test: 6,9 Liter Quelle: obs
Škoda RapidRapid 1.9 TDI: Werksangabe: 4,4 Liter Diesel - ACE-Test: 4,6 Liter Quelle: dpa

Der DSLV erwartet nicht, dass die derzeit niedrigen Kraftstoffkosten die Investitionen in spritsparende Lkws verringern. „Bei modernen Fahrzeugen ist neben dem geringeren Spritverbrauch vor allem die bessere Schadstoffklasse wichtig“, sagt der DSLV-Geschäftsführer. „Eine bessere Schadstoffklasse bedeutet eine geringere Maut.“

Solche Anreize fehlen auf dem Automarkt. Dennoch sollten sich die Käufer wegen den aktuell attraktiven Spritpreisen nicht zu einem Schluckspecht hinreißen lassen, denn was künftig mit dem Benzinpreis passiert, ist unklar. „Grundsätzlich halte ich beide Richtungen bei der Preisentwicklung für möglich“, sagt Kraftstoffexperte Albrecht. „Der Ölmarkt ist schwierig zu prognostizieren, Argumente für einen drastischen Preisanstieg fehlen aber momentan. Für das laufende Jahr ist eine moderate Preissituation am wahrscheinlichsten.“

Langfristig rechnet EID-Chefredakteur Rainer Wiek jedoch mit steigenden Preisen: „Die Energienachfrage wird weiterhin stark wachsen, gerade in Schwellenländern. Das wird bis 2035 zu steigenden Preisen führen.“

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