Kaum gekauft, schon das erste Mal in der Werkstatt - das kann die Freude am neuen Auto schnell trüben. Und kommt der Schaden wirklich so überraschend? Oder war an dem Wagen womöglich von vornherein etwas faul? Gerade bei der Anschaffung eines Gebrauchten haben viele Angst, übers Ohr gehauen zu werden. „Wir haben im Jahr sicher mehrere Zehntausend Anfragen zum Thema“, berichtet Klaus Heimgärtner, Rechtsexperte beim Autofahrer-Club ADAC.
Werden sich Käufer und Händler nicht einig, müssen immer wieder Gerichte entscheiden – wenn es ums Grundsätzliche geht, häufig in letzter Instanz der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe.
Wie lange darf ein Auto zum Beispiel vor der Erstzulassung herumstehen, um noch „fabrikneu“ zu sein? Maximal zwölf Monate, entschieden die Richter 2003. Auch für Jahreswagen gilt diese Frist – nicht aber, wenn ein zehn Jahre alter Van vor dem Weiterverkauf gut eineinhalb Jahre stillgelegt war. Solange es keine Standschäden gibt, kann es bei so einem alten Auto sogar von Vorteil sein, wenn es nicht so viel gefahren wurde, hieß es in dem Urteil von 2009.
Was aber, wenn es sich um einen neueren Gebrauchten handelt? Seit Mittwoch ist auch diese Frage geklärt: Hier kommt es auf die konkreten Umstände an. Ein Auto, das schon an die 40.000 Kilometer als Mietwagen auf dem Buckel hat, ist noch nicht mangelhaft, nur weil es vor der Erstzulassung fast 20 Monate stand (Az. VIII ZR 191/15).
Das Beispiel zeigt, dass kaum ein Fall wie der andere ist. Im Zweifel geht es um eine Menge Geld. Denn seit 2002 haftet der Händler mindestens ein Jahr lang, wenn er einen mangelhaften Gebrauchtwagen an einen Privatkunden verkauft. Oft lässt sich allerdings kaum noch klären, ob etwa eine Wasserpumpe, die nach Monaten den Geist aufgibt, von Anfang an eine Macke hatte. „Das ist ein ganz großes Problem“, sagt ADAC-Jurist Heimgärtner. Der Gesetzgeber hat es pauschal gelöst: Im ersten halben Jahr muss der Händler seine Unschuld beweisen – passiert später etwas, ist der Kunde in der Pflicht.
Kryptische Kürzel in Auto-Anzeigen
Erste oder zweite Hand – dieses Kürzel gibt die Anzahl der Vorbesitzer an.
4WD und AWD stehen für Four-Wheel-Drive oder All-Wheel-Drive, sprich Allrad-Antrieb. Steht FWD in der Anzeige, handelt es sich um ein Auto mit Frontantrieb, bei RWD (Rear-Wheel-Drive) werden die Hinterräder angetrieben.
Das Kürzel steht für die Hauptuntersuchung. In der Regel steht noch dabei, wann die nächste HU fällig wird oder wie lange die aktuelle Hauptuntersuchung noch gültig ist.
Über das Kürzel ACC dürften eher Interessenten von neuwertigen Premiumautos stolpern: ACC steht für Adaptive Cruise Control und meint die automatische Geschwindigkeitsregelung. Das ist ein von einem Radar unterstützter Tempomat, der bei zu dichtem Auffahren auf das vorausfahrende Auto selbstständig abbremst und den eingestellten Abstand einhält.
Taucht dieses Kürzel auf, hat das Auto eine Klimaanlage.
Wenn das Kürzel ATM in der Anzeige auftaucht, ist Vorsicht geboten: ATM steht für Austauschmotor. Dann gilt es, den Rest des Fahrzeuges genauer zu begutachten: Wenn die Substanz des Autos stimmt, ist ein Austauschmotors positiv zu bewerten. Wenn der Motor aber nicht wegen eines technischen Problems, sondern wegen mangelnder Pflege getauscht werden musste, sollte man von diesem Angebot die Finger lassen.
CNG steht für Compressed Natural Gas – es ist ein Erdgasfahrzeug. Achtung: Nicht mit LPG verwechseln!
Das annoncierte Fahrzeug hat einen Dieselpartikelfilter. Wichtig für die Kunden, die mit ihrem Diesel auch in Umweltzonen fahren wollen.
Das elektronische Stabilitätsprogramm ESP, bei vielen Herstellern auch DSC (Dynamic Stability Control) genannt, gehört bei den meisten Autos inzwischen zum Standard.
DSG steht für Direktschaltgetriebe – das ist die von Volkswagen eingeführte Bezeichnung für ein Doppelkupplungsgetriebe, eine besondere Art Automatikgetriebe. Die Abkürzung DKG hat sich nicht durchgesetzt, sodass in Anzeigen auch außerhalb des VW-Konzerns das Kürzel DSG üblich ist.
Kurz und knapp: elektrische Fensterheber.
EZ steht für Erstzulassung. Das nachfolgende Datum gibt an, wann das Auto erstmals von einem Händler oder Käufer zugelassen wurde. Sobald eine Erstzulassung vorliegt, handelt es sich um einen Gebrauchtwagen, sonst ist es ein Neuwagen.
Wenn FP in der Anzeige steht, will der Verkäufer nicht über den Preis verhandeln – der Festpreis ist also fix.
Der beworbene Wagen steht auf Leichtmetallfelgen, umgangssprachlich auch Alufelgen genannt.
LPG steht für Liquified Petroleum Gas und wird in Duetschland auch als Autogas verkauft. Nicht mit Erdgasfahrzeugen (CNG) verwechseln: Es handelt sich um unterschiedliche Systeme, die nicht miteinander kompatibel sind – wie Benzin und Diesel.
Mit dem NP (Neupreis) gibt der Käufer bekannt, was das Auto als Neuwagen ursprünglich gekostet hat.
SH heißt, dass der Wagen Scheckheft-gepflegt ist. Tipp: Nicht nur auf die Angabe vertrauen, sondern auch bei dem Besichtigungstermin das Scheckheft zeigen lassen.
Der Wagen hat nicht einen SD-Karten-Slot für Musikdateien, sondern ein Schiebedach.
Anders als beim Festpreis (FP) lässt der Verkäufer hier mit sich über den Preis reden, schließlich hat er in der Annonce nur eine Verhandlungsbasis genannt.
WA steht für Werksangehörigen. Soll heißen, ein Mitarbeiter des Händlers oder Autobauers ist den Wagen über ein spezielles Mitarbeiterleasing gefahren. Solche Fahrzeuge sind oft etwas teurer, aber meist in einem sehr guten Zustand.
Neben den Sommerreifen ist auch noch ein Satz Winterreifen dabei. In Anzeigen oft auch als "achtfach bereift" bezeichnet.
Heute bei den meisten Gebrauchtwagen Standard: die Zentralverriegelung.
Die Schwierigkeit fängt aber schon vorher an: Was ist überhaupt ein Mangel? Ein kratzendes Scheibenwischerblatt sicher noch nicht, das fällt unter normalen Verschleiß. Streit entzündet sich auch an der Frage, ob der Mangel behoben werden kann. Denn bevor ein Käufer zum Rücktritt berechtigt ist, darf der Händler erst zwei Mal nachbessern.
Von Wasserschäden, Tüv-Pannen und Garantie-Lügen
Einige Streitfälle hat der BGH schon rechtskräftig entschieden:
- So durfte ein Händler ein vier Jahre altes Mercedes-Cabrio neu lackieren, das Unbekannte vor der Abholung zerkratzt hatten. Solange nicht ausdrücklich vereinbart, gibt es bei einem Gebrauchten keinen Anspruch auf den Originallack, entschieden die Richter 2009.
- Einen gebrauchten Range Rover, in den trotz mehrerer Reparaturversuche immer wieder Wasser eindrang, wurde der Käufer 2008 hingegen wieder los. Beim Rücktritt blieb es - obwohl es im Prozess dann doch noch einem Sachverständigen gelang, das Auto abzudichten.
- Keine Chance zum Nachbessern bekam 2015 ein Händler, der einen 13 Jahre alten Opel mit frischer Tüv-Plakette verkaufte, dem nur einen Tag später der Motor versagte. In der Werkstatt flog auf, dass die Bremsleitungen stark verrostet waren. Dieses Auto hätte nie durch den Tüv kommen dürfen, sagte der BGH. Die Käuferin bekam ihr Geld zurück.
- Auch ein Blechschaden, der nachträglich bekannt wird, berechtigt zum Rücktritt. Denn der Käufer darf darauf vertrauen, dass er keinen „Unfallwagen“ kauft. Das lässt sich auch nicht wiedergutmachen. So konnte eine Frau nach einem Urteil von 2007 ihren Ford zurückgeben, obwohl der Händler anbot, die Reparatur fachgerecht nachzubessern.
- Als Mangel zählt auch, wenn der Gebrauchte trotz Zusage keine Hersteller-Garantie mehr hat - so passiert dem neuen Besitzer eines Sportcoupés, der unerwartet auf Reparaturkosten sitzenblieb. Keine Lappalie, entschied der BGH Mitte Juni. Die Garantie habe „beim Autokauf regelmäßig sogar ein erhebliches wirtschaftliches Gewicht“.
Die Checkliste für den Rundgang
Gummidichtungen an Türen und Scheiben müssen biegsam und geschmeidig sein. Sind sie bereits porös oder rissig, ist Vorsicht geboten.
Farbunterschiede, Wellen oder matte Stellen deuten auf schlecht reparierte Schäden hin. Bei alten Autos kann zusätzlich mit einem Magneten kontrolliert werden, ob Rostschäden unter dem Lack gespachtelt wurden oder nicht: Hält der Magnet, ist noch Metall unter dem Lack. Fällt er runter, hat man es mit großen Mengen Spachtelmasse zu tun.
Lichtcheck: Funktionieren alle Scheinwerfer und Leuchten? Sind alle Scheiben und Gehäuse intakt?
Ist irgendwo Öl zu sehen? Sichtbare Tropfen oben oder unten am Motor und Getriebe deuten auf kaputte Dichtungen oder Schlimmeres hin – es wird auf jeden Fall teuer.
Wie alt sind die Reifen? Die sogenannte DOT-Markierung an der Seite gibt an, in welcher Kalenderwoche der Reifen produziert wurde (0513 stammt zum Beispiel aus der 5. Kalenderwoche des Jahres 2013). Sind die Reifen alt oder das Profil abgefahren(vorgeschrieben sind 1,6 Millimeter, Experten empfehlen mindestens zwei bis drei Millimeter), müssen sie ersetzt werden. Sind die Reifen ungleichmäßig abgefahren, hat das Fahrwerk eine Macke.
Auch über den Umgang des Fahrers mit dem Auto können die Reifen einiges aussagen: Wurden zum Beispiel bei einem Sportwagen mit Heckantrieb nur die beiden Reifen an der Hinterachse durch neuere ersetzt, deutet das darauf hin, dass der Vorbesitzer öfters die Leistung seines Autos ausgenutzt hat – mit weiteren Folgen für Fahrwerk und Motor.
Die Auspuffrohre unter dem Auto und der Schalldämpfer am Heck sind der Witterung und dem Straßendreck die ganze Zeit ausgesetzt: Auf Rost achten!
Sind die Spalte an Türen, Motorhaube, Kofferraumdeckel oder Stoßstangen überall gleichmäßig breit? Passt etwa ein Finger am einen Ende der Motorhaube in den Spalt, am anderen aber nicht mehr, ist irgendetwas verzogen. Der Wagen hatte vermutlich einen Unfall.
- Verkauft ein Händler stillschweigend ein Auto mit abgefahrenen Reifen, muss er bei einem Unfall geradestehen. Ein Ferrari mit Totalschaden musste nach einem Urteil von 2004 ersetzt werden. Auf der Autobahn war der in die Jahre gekommene Hinterreifen geplatzt.
- Gute Chancen hat ein Käufer auch, wenn der Händler frühere Stationen des Autos verschweigt. Der BGH sprach 2009 einem Mann mehrere Tausend Euro zu, der einen zehn Jahre alten Audi mit offiziell zwei Vorbesitzern gekauft hatte. Später kam heraus, dass der Kilometerstand manipuliert war und der Wagen über einen Zwischenhändler kam, der dem Verkäufer nur als „Ali“ bekannt war.