Worauf muss ich beim Besichtigungstermin achten?
Früher gab es in vielen Zeitungsanzeigen nur ein kleines Foto von der Größe einer Briefmarke – wenn überhaupt. Heute werden die Gebrauchtwagen in den Internet-Börsen mit bis zu 15 Bildern oder sogar einem kleinen Video beworben. Bereits in der Annonce kann sich der Interessent so einen guten Eindruck von dem Auto machen – eine Besichtigung ersetzen die Fotos aber noch lange nicht.
Selbst ein Laie kann bei einem Gang um den Wagen die wichtigsten Punkte kontrollieren:
Die Checkliste für den Rundgang
Gummidichtungen an Türen und Scheiben müssen biegsam und geschmeidig sein. Sind sie bereits porös oder rissig, ist Vorsicht geboten.
Farbunterschiede, Wellen oder matte Stellen deuten auf schlecht reparierte Schäden hin. Bei alten Autos kann zusätzlich mit einem Magneten kontrolliert werden, ob Rostschäden unter dem Lack gespachtelt wurden oder nicht: Hält der Magnet, ist noch Metall unter dem Lack. Fällt er runter, hat man es mit großen Mengen Spachtelmasse zu tun.
Lichtcheck: Funktionieren alle Scheinwerfer und Leuchten? Sind alle Scheiben und Gehäuse intakt?
Ist irgendwo Öl zu sehen? Sichtbare Tropfen oben oder unten am Motor und Getriebe deuten auf kaputte Dichtungen oder Schlimmeres hin – es wird auf jeden Fall teuer.
Wie alt sind die Reifen? Die sogenannte DOT-Markierung an der Seite gibt an, in welcher Kalenderwoche der Reifen produziert wurde (0513 stammt zum Beispiel aus der 5. Kalenderwoche des Jahres 2013). Sind die Reifen alt oder das Profil abgefahren(vorgeschrieben sind 1,6 Millimeter, Experten empfehlen mindestens zwei bis drei Millimeter), müssen sie ersetzt werden. Sind die Reifen ungleichmäßig abgefahren, hat das Fahrwerk eine Macke.
Auch über den Umgang des Fahrers mit dem Auto können die Reifen einiges aussagen: Wurden zum Beispiel bei einem Sportwagen mit Heckantrieb nur die beiden Reifen an der Hinterachse durch neuere ersetzt, deutet das darauf hin, dass der Vorbesitzer öfters die Leistung seines Autos ausgenutzt hat – mit weiteren Folgen für Fahrwerk und Motor.
Die Auspuffrohre unter dem Auto und der Schalldämpfer am Heck sind der Witterung und dem Straßendreck die ganze Zeit ausgesetzt: Auf Rost achten!
Sind die Spalte an Türen, Motorhaube, Kofferraumdeckel oder Stoßstangen überall gleichmäßig breit? Passt etwa ein Finger am einen Ende der Motorhaube in den Spalt, am anderen aber nicht mehr, ist irgendetwas verzogen. Der Wagen hatte vermutlich einen Unfall.
Viele Internet-Gebrauchtwagenbörsen und Autoclubs bieten auch entsprechende Checklisten zum Ausdrucken an.
Wer sich unsicher ist oder keinen Fachmann in der Bekanntschaft hat, der bei Besichtigung und Probefahrt dabei ist, kann das Auto auch von externer Stelle durchchecken lassen – etwa bei Prüfstellen von TÜV, Dekra und KÜS, in freien Werkstätten oder bei Autoclubs. Die Kosten hierfür liegen beim TÜV laut Wolz in etwa auf dem Niveau einer Hauptuntersuchung.
Christian Schäfer, Leiter Technik und Verkehr beim norddeutschen ADAC-Regionalclub Hansa empfiehlt sogar grundsätzlich einen technischen Check vor der Unterschrift. „Ich würde nie blind ein Auto kaufen“, sagt Schäfer. „Natürlich können wir nicht in den Motor schauen, aber auf der Hebebühne sieht man viel, kann den Allgemeinzustand beurteilen und feststellen, ob Verschleißteile wie Bremsen am Ende ihrer Lebenserwartung sind.“
Dazu kommen die Dokumente, denn der Verkäufer muss halten, was er verspricht. Lassen Sie sich die Zulassungsbescheinigung Teil I und II (umgangssprachlich Fahrzeugschein und –brief) zeigen, ebenso das Inspektionsscheckheft wenn versprochen, das Prüfprotokoll der letzten Hauptuntersuchung und falls ein Unfallschaden vorliegt den Reparaturbeleg.
Was kann ich bei der Probefahrt herausfinden?
Selbst wenn der Wagen die Sichtkontrolle überstanden hat, ist er noch lange nicht empfehlenswert. Einige Mängel – speziell bei beweglichen Teilen von Fahrwerk, Getriebe oder Motor – kommen erst beim Fahren ans Tageslicht. Eine ausführliche Probefahrt ist also Pflicht. Für Krüger fängt die Probefahrt bereits mit dem Starten des Motors an. „Bei der Probefahrt ist wichtig, dass der Händler den Wagen nicht hat warmlaufen lassen“, sagt Krüger. „Läuft der Motor beim Kaltstart unrund oder rasselt sogar, ist Vorsicht geboten.“
Was Sie bei der Probefahrt beachten sollten
Bereits beim Kaltstart auf das Motorgeräusch achten. Springt er nur schwer an oder rasselt laut, können Probleme vorliegen. Hier ist derjenige im Vorteil, der bereits mehrere Exemplare eines Modells Probe gefahren ist. Er hört, wenn sich ein Motorengeräusch stark von einem anderen unterscheidet.
Lassen Sie auf gerader Strecke das Lenkrad los – natürlich nur, wenn es der Verkehr erlaubt. Zieht der Wagen nach rechts oder links, ist im besten Fall die Spur falsch eingestellt. Im schlimmsten Fall hat der Anbieter einen Unfallschaden verschwiegen, das ganze Auto kann verzogen sein.
Bei Autos mit Schaltgetriebe alle Gänge durchschalten, auch mit extremen Gangwechseln vom ersten in den vierten Gang. Alle Gangwechsel sollten sich ähneln. Sticht einer heraus, kann ein Schaden vorliegen.
Mit einer Vollbremsung können Sie das ABS überprüfen. Blockieren die Räder und bleiben Bremsspuren auf dem Asphalt, stimmt etwas nicht. Selbiges gilt, wenn der Wagen beim Bremsen nach rechts oder links zieht.
Auch nach einer Testfahrt mit höherem Tempo über die Autobahn oder nach einer Fahrt durch den Stop-and-Go-Verkehr sollten die Anzeigen für Kühlwassertemperatur und Öltemperatur im mittleren Bereich liegen – und nicht schwanken.
Auch während der Fahrt ist die Geräuschkulisse wichtig. „Kritisch sind komische Geräusche aus dem Motor, wenn das Getriebe hakelig schaltet oder irgendetwas während der Fahrt zu schleifen scheint“, sagt Wolz. „Dann lohnt sich der Vergleich mit einem ähnlichen Fahrzeug von einem anderen Händler.“
Neben etwaigen technischen Eigenheiten des Gebrauchtwagens kann der Kunde während den ersten Metern noch etwas ganz anderes feststellen: Ist das Auto, der zum Beispiel wegen seines Designs gefallen hat, immer noch der Richtige? „Fahren Sie nicht nur einmal um den Block, sondern auch ein paar Kilometer Autobahn“, sagt Schäfer. „Erst dann merken Sie, ob der Wagen für Sie passt oder nicht.“
Sagt der Wagen immer noch zu, geht es an die Preisverhandlung. Hier sollten Sie die Mängel aufzählen, die Ihnen bei der Besichtigung und Probefahrt aufgefallen sind. Voraussetzung für eine erfolgreiche Verhandlung: Man muss das Angebotsumfeld kennen. Informieren Sie sich über die Preise von vergleichbaren Angeboten, am besten vorab. Falls nicht: Die meisten Internet-Börsen bieten heute auch Apps für das Smartphone an.
Zuviel der Mühe? Keineswegs: „Die Hälfte der Verkäufer weiß, dass demnächst größere Reparaturen anfallen“, sagt Carsten Bräuer von der Dekra. Das bedeutet nicht, dass Sie niemandem mehr über den Weg trauen sollten – aber Vorsicht ist stets angebracht.