Die Designer gaben sich viel Mühe, mit einfachen Mitteln einen möglichst großen Effekt zu erzielen. Dem Kombi V70 schenkten sie neue Scheinwerfer und Heckleuchten, dazu neu geformte Stoßfänger. Auch der Kühlergrill bekam eine andere Form: Vier horizontal angeordnete Chromleisten und ein Volvo-Logo im XXL-Format sollen die Front künftig prägnanter erscheinen lassen. Hier und da wurden schnell noch ein paar Chromspangen angebracht - fertig war das Facelift für das Modelljahr 2014. Nach dem gleichen Prinzip wurden bei der Gelegenheit auch noch die Modelle der Baureihen 60 und 80 aufgehübscht. "Die Autos sehen nun viel besser und jünger aus", freute sich Håkan Samuelsson, Vorstandschef von Volvo Cars, bei der Präsentation der sechs neuen Autos. Die werden dieser Tage auf dem Genfer Automobilsalon als Weltneuheit präsentiert, im Mai startet die Produktion.
Einstellung der Deutschen zu chinesischen Autos
Das Markt- und Meinungsforschungsunternehmen YouGov hat Anfang März 2013 eine Stichprobe von 1033 Deutschen über 18 Jahre nach ihrer Meinung zu chinesischen Automarken befragt. Die Ergebnisse im Detail...
Frage: "Mit „Qoros“ versucht sich eine chinesische Automarke auf dem europäischen Markt zu etablieren. Die neuen Modelle feiern beim Genfer Autosalon nächste Woche Premiere. Könnten Sie sich vorstellen ein Auto einer chinesischen Automarke zu kaufen?"
23 Prozent der Befragten antworteten mit "JA"
52 Prozent mit "NEIN"
25 Prozent konnten sich nicht entscheiden.
Männer lehnten den Kauf stärker ab als Frauen. In der Altersgruppe der 25 bis 34-Jährigen würden sich mit 27% noch am meisten für ein chinesisches Model begeistern lassen.
Frage: "Was glauben Sie? In welchen Aspekten unterscheidet sich eine chinesische von einer deutschen Automarke? Eine chinesische Automarke ist..."
... billiger - davon gehen 76 Prozent der Befragten aus.
... von schlechterer Qualität - davon gehen 48 Prozent der Befragten aus.
Fazit: Eine große Mehrheit der Befragten halten chinesische Automarken für eine preisgünstige Alternative zu deutschen Fabrikaten. In puncto Qualität der chinesischen Modelle sind die Bürger zwar kritisch, doch immerhin ein Drittel hält deren Qualität weder für besser noch schlechter als die der deutsche Marken.
Was die Modell-Kosmetik kostete, will Volvo offiziell nicht sagen. Nach Insiderinformationen sollen es weniger als 200 Millionen Euro gewesen sein. Mehr war nicht drin. Denn sämtliche Investitionen muss das schwedische Traditionsunternehmen aus eigener Kraft stemmen. Der chinesische Eigner Geely, der Volvo vor drei Jahren für umgerechnet 1,3 Milliarden Euro von Ford erwarb, hat bis heute keinen Cent in seine neue Tochter investiert. Auch zu den ehrgeizigen Wachstumsplänen - bis Ende 2015 wollte Volvo Cars umgerechnet rund acht Milliarden Euro in neue Fabriken, Autos und Technologien stecken – hat Geely außer blumigen Worten von Chairman Li Shufu bislang wenig beigesteuert.
Rote Zahlen für Göteborg
Die Folge: Im dritten Jahr der "Unabhängigkeit" steckt der letzte schwedische Autohersteller in den roten Zahlen. In Göteborg ist deshalb nicht nur ein neues millionenschweres Sparprogramm angelaufen, auch das Investitionsprogramm soll gestutzt werden. Intern werden sogar Szenarien durchgespielt, was passieren würde, wenn die Geely Group aussteigt.
Ein Rückzug aus Schweden wäre ein weiterer schwerer Schlag für die chinesische Autoindustrie und ihre Ambitionen auf dem Weltmarkt. Zwei Versuche gab es in den letzten acht Jahren, in Europa Fuß zu fassen. Allesamt scheiterten sie: Ein Geländewagen des Ford-Partners Jiangling Motors bestand die hiesigen Crashtests ebenso wenig wie eine Limousine des BMW-Partners Brilliance. Der besserte aufwendig nach - kapitulierte dann aber vor den Kosten. "Die haben die Skaleneffekte nicht hinbekommen, die nötig sind, um mit einem Volumenhersteller wie VW bestehen zu können", erklärt ein deutscher Manager, der damals an dem Projekt beteiligt war. Konsequenz: 2009 musste der Importeur des Wagens Insolvenz anmelden.
Schwierigkeiten in Europa
Auch die Strategie, westliches Wissen durch Gemeinschaftsunternehmen in China zu erlangen, ist gescheitert. Zwar produzieren alle großen Autobauer Millionen von Fahrzeugen in solchen Joint Ventures. Doch der Know-how-Transfer blieb weitgehend aus: "Westliche Autobauer haben dagegen Abwehrmechanismen entwickelt", sagt Jochen Siebert von der Beratung JSC Automotive in Shanghai. Zudem geben chinesische Autobauer nur rund zwei Prozent ihres Umsatzes für Forschung und Entwicklung aus - die Hälfte des internationalen Durchschnitts. Talentierte Ingenieure und Manager heuern deswegen lieber bei westlichen Firmen an.
Schwellenländer im Visier
Trotz allem ist der Wille Chinas aber ungebrochen, auf den großen Absatzmärkten vorn mitzuspielen. Mit einer jährlichen Produktion von mehr als 19 Millionen Autos ist China heute schon der weltgrößte Hersteller. Eine Million Fahrzeuge davon wird exportiert. Bis 2015 sollen es nach dem Willen der kommunistischen Partei 13 Millionen sein.
Die aggressive Exportstrategie der chinesichen Regierung
19,5 Millionen
40,0 Millionen Fahrzeuge
1,1 Millionen
13,0 Millionen Fahrzeuge
Einen solch kometenhaften Aufstieg hält Daniel Berger, China-Chef der auf Schwellenländer spezialisierten Münchner Beratung EAC, zwar für "unrealistisch". Doch am "aggressiven Vorpreschen der chinesischen Exporteure" zweifelt er nicht. Die chinesischen Autobauer hätten Schwierigkeiten, sich daheim gegen die Ausländer durchzusetzen, und gingen daher vor allem in Schwellenländer. So hätten Chinesen in Brasilien in nur zwei Jahren mehr als zwei Prozent Marktanteil erobert. In Chile komme China auf 16 Prozent Marktanteil, so Berger, in Ägypten kontrolliere allein Chery sieben Prozent des Marktes.
Zäh geht es dagegen in Europa voran. Chinesische Autoexporte nach Europa sind verschwindend gering, erst recht die Produktion vor Ort. Der chinesische Konzern SAIC verkauft von einem in Großbritannien montierten Modell jährlich keine 300 Stück statt der angepeilten 3.000. Etwas besser läuft es für Great Wall, der vor genau einem Jahr eine Fabrik im bulgarischen Lowetsch eröffnete. 2013 sollen von dort 50.000 Autos nach Osteuropa, später auch nach Schweden und Deutschland gehen.
ADAC bescheinigt dem Landwind ein erschreckendes Ergebnis
Angesichts der Startschwierigkeiten schienen Beteiligungen chinesischer Hersteller an etablierten Marken lange als logischer Schritt, um an Know-how zu gelangen und sich Zutritt zu den lukrativen Märkten Europas und Nordamerikas zu verschaffen. Und so schlug der an der Hongkonger Börse gelistete frühere Kühlschrankhersteller Geely 2010 zu, als Ford in Finanznot nach Jaguar, Land Rover und Aston Martin auch Volvo auf den Markt warf.
Auch wenn Volvo-Chef Samuelsson heute noch sicher ist, dass "uns viele in der Autoindustrie um unseren starken Partner beneiden": Die schwedisch-chinesische Allianz hat schwere Belastungsproben hinter sich. Die Chinesen versuchten, so berichten Insider, einen Teil des Kaufpreises sowie die beim Kauf angefallenen Anwaltskosten durch einen Griff in die Volvo-Kasse zu refinanzieren - was Juristen des Unternehmens zu verhindern wussten.
Zudem macht Geely bis heute keine Anstalten, der schwedischen Tochter mit Finanzspritzen auf die Beine zu helfen. Die hätte Volvo dringend nötig. Der Autobauer hat zwar ein gutes Image, war aber schon für Ford kein Gewinnbringer. 2011, im ersten Jahr nach dem Verkauf, erwirtschaftete Volvo mit rund 450.000 Autos lediglich einen kleinen Gewinn von 193,4 Millionen Euro (EBIT). 2012 endete mit einer schwarzen Null.
Schlechte Aussichten für Volvo
Finanzhilfe mag Geely aber nicht leisten. "Richtige Direktinvestments gibt es nicht", erzählt ein hochrangiger Volvo-Manager. Auch für den Neubau von drei Fabriken - einem Volvo-Werk mit einer Kapazität für 125.000 Fahrzeug im zentralchinesischen Chengdu, einem Komponentenwerk nahe Peking sowie einer Joint-Venture-Fabrik zur Produktion eines umgelabelten Volvo-Crossovers in Daqing im äußersten Osten Chinas - habe Geely keine Eigenmittel aufgewendet. Das Geld kommt aus Subventionen, einer Beteiligung der Städte Daqing und Shanghai sowie Darlehen der staatlichen Chinese Development Bank, für die Geely angeblich Volvo verpfändet hat.
Zudem offenbarten sich im operativen Miteinander große Kulturunterschiede. Chairman Li zeigte anfangs zwar großes Interesse und installierte mit dem ehemaligen Chef von VW of America, Stefan Jacoby, einen international erfahrenen Mann an der Spitze. Der krempelte in Göteborg den Vorstand um und brachte frischen Wind in Einkauf, Produktion und Vertrieb.
Doch ein direkter Austausch zwischen Management und Eigner fand bald kaum noch statt. Auch weil Li kein Englisch spricht, zog er sich aus den Diskussionen über operative Fragen zurück und ließ seine Interessen im Aufsichtsrat durch Ex-Volvo-Chef Hans-Olov Olsson vertreten.
Dennoch lief es zunächst gut an. Eine neue Plattformstrategie und ein Programm zur Entwicklung einer neuen Vierzylinder-Motorenfamilie nahmen schnell Formen an. Auch die Arbeiten am Nachfolger des über zehn Jahre alten Volvo-SUV namens XC90 machten gute Fortschritte - 2014 kommt der Geländewagen auf den Markt. Der neue Kompaktwagen V40 legte im September 2012 einen tollen Start hin. Und mit dem Hybridauto XC60 Plug-in konnte Volvo sein Saubermann-Image stärken und gute Geschäfte machen: Die ersten 1.000 Exemplare des Ökomobils waren trotz eines saftigen Aufpreises von rund 10.000 Euro im Handumdrehen verkauft.
Doch die geplante China-Offensive ist bis heute ohne Wirkung. Vergangene Woche wurde deshalb die Führung von Volvo Cars China neu aufgestellt. Und die Euro-Krise ließ den Absatz in der Kernregion einbrechen und die Produktion in Schweden wegen der starken Krone unwirtschaftlich werden. Die Folge waren Kurzarbeit, Entlassungen und die Trennung von Jacoby. "Die letzten zwei Jahre waren schwer", sagt Samuelsson als sein Nachfolger, "und die nächsten zwei Jahre werden es auch."
Das Werk im belgischen Gent ist wegen des Erfolgs des V40 derzeit im Dreischichtbetrieb zu 85 Prozent ausgelastet. Aber in den beiden schwedischen Montagewerken wird laut Produktionschef Lars Wrebo nur in zwei Schichten gearbeitet. Das Werk Udevalla wird deshalb im Juli geschlossen.
Der Sparkurs geht weiter: Samuelsson rechnet damit, dass es 2013 erneut bergab geht. In diesem Frühjahr sollen nochmals rund 1.000 Mitarbeiter gehen. Durch gesparte 200 Millionen Euro verschafft sich Volvo Luft, mehr aber auch nicht. Gewerkschafter im Betrieb laufen Sturm: "Es wird Zeit, dass sich unser neuer Eigner der Verantwortung stellt und Geld einschießt."
Chinesischer Patriotismus
Immerhin wollen Volvo und Geely die nächste Generation des V40 und andere Fahrzeuge ähnlicher Größe gemeinsam entwickeln. Volvo hatte über ein Jahr lang versucht, andere europäische Fahrzeughersteller für eine Kooperation auf Augenhöhe zu gewinnen. Die zeigten den Schweden die kalte Schulter. Sie trieb die Sorge, dass Volvo Betriebsgeheimnisse nach China verraten könnte, berichtet ein Insider.
Volvo-Manager fürchten, dass Geely den V40-Nachfolger zwar in Schweden entwickeln, aber von 2018 an in China produzieren will. Die Erklärung von Geely-Eigner Li, wonach das Teilen von Wissen und Technik die Markenintegrität gefährden dürfe, beruhigte sie ebenso wenig wie die Berufung eines Schweden an die Spitze des neuen Entwicklungszentrums.
Einige machen sich bereits Gedanken, wie es weitergehen könnte, wenn Geely die Lust verlieren sollte. Am Stammsitz machen Gerüchte von einer "schwedischen Lösung" die Runde: Ein Konsortium aus Göteborg, wird spekuliert, könnte Geely Volvo abkaufen und an die Börse bringen.
Ein Scheitern der chinesisch-schwedischen Ehe würde aber noch keinen Rückzug Chinas aus Europa bedeuten. Denn die Chinesen haben einen weiteren Pfeil im Köcher: einen Angriff im Hyundai-Stil. Seit der südkoreanische Hyundai-Kia-Konzern auf das Know-how europäischer Top-Manager und Designer setzt, erobert er Europa im Eilschritt. Der chinesische Anbieter Chery nimmt sich daran ein Beispiel.
Europäisches Top-Management
Ein Gemeinschaftsunternehmen von Chery und dem Industriekonzern Israel aus Tel Aviv ließ beim österreichischen Autozulieferer Magna Automodelle entwickeln, die mit europäischen Massenmarken auf Augenhöhe sein sollen. Name der neuen Automarke: Qoros. Kapitalausstattung: 2,5 Milliarden Euro. Zulieferer: Branchengrößen wie Bosch, ZF oder Continental. Operativer Chef ist der ehemalige VW-Chef USA, Volker Steinwascher. Der Chefdesigner heißt Volker Hildebrand, Vater des BMW-Mini-Designs. Fahrzeugentwicklung, Qualitätsmanagement, Marketing – alles ist in den Händen erfahrener westlicher Automanager.
Bereitschaft der Deutschen, ein chinesisches Auto zu kaufen
Ja: 12%
Nein: 88%
Ja: 44%
Nein: 56%
Unter der Regie eines Ex-BMW-Managers hat Qoros in der Sonderwirtschaftszone Changshu in nur einem Jahr eine Fabrik von westlichen Anlagenbauern hochziehen lassen. 150.000 Autos sollen im ersten Jahr vom Band laufen, die Kapazität reicht für 450.000. "Deutsche Autobauer beobachten genau, was Qoros macht", sagt ein chinesischer Manager eines großen Zulieferers: Die Qoros-Modelle sollen bei ähnlicher Qualität und Ausstattung bis zu 20 Prozent billiger sein als Autos made in Germany. Auf dem Auto-Salon in Genf werden die ersten Modelle gezeigt. Das deutsche Management könnte viele Käufer dazu bewegen, sich ein Auto made in China zuzulegen. Das zeigt eine Umfrage des Marktforschers Comaq unter deutschen Verbrauchern.
Im Heimatmarkt kann Qoros dagegen auf chinesischen Patriotismus vertrauen. Viele Chinesen warten ungeduldig darauf, dass ein einheimisches Auto mit deutschem Qualitätsniveau auf den Markt kommt. 41 Prozent der chinesischen BMW-, Mercedes- und VW-Käufer würden, so eine aktuelle Studie der Beratung McKinsey, für ein heimisches Premiumvehikel bis zu 50.000 Euro hinblättern.