Verbraucherschützer gegen Industriekonzern, diesen Kampf führt er seit Anfang der 80er Jahre. Damals entdeckte Resch am Bodensee sterbende Vögel, untersuchte die Kadaver, fand eine Verbindung zum Pflanzengift Endrin, das damals im Obstbau eingesetzt wurde. Kurzentschlossen fuhr er zur Expertensitzung der biologischen Bundesanstalt, knallte jedem Gutachter einen gefrorenen Mäusebussard in einer Plastiktüte auf den Tisch, daneben eine Flasche des Pestizids. Resch sagte: „Das genügt, um 300 Menschen umzubringen“. Wenig später war Endrin verboten – und Resch hatte seine Lebensaufgabe gefunden.
Welche Schadstoffe im Abgas stecken
Stickoxide (allgemein NOx) gelangen aus Verbrennungsprozessen zunächst meist in Form von Stickstoffmonoxid (NO) in die Atmosphäre. Dort reagieren sie mit dem Luftsauerstoff auch zum giftigeren Stickstoffdioxid (NO2). Die Verbindungen kommen in der Natur selbst nur in Kleinstmengen vor, sie stammen vor allem aus Autos und Kraftwerken. Die Stoffe können Schleimhäute angreifen, zu Atemproblemen oder Augenreizungen führen sowie Herz und Kreislauf beeinträchtigen. Pflanzen werden dreifach geschädigt: NOx sind giftig für Blätter und sie überdüngen und versauern die Böden. Außerdem tragen Stickoxide zur Bildung von Feinstaub und bodennahem Ozon bei.
Kohlendioxid (CO2) ist in nicht zu großen Mengen unschädlich für den Menschen, aber zugleich das bedeutendste Klimagas und zu 76 Prozent für die menschengemachte Erderwärmung verantwortlich. Der Straßenverkehr verursacht laut Umweltbundesamt rund 17 Prozent aller Treibhausgas-Emissionen in Deutschland – hier spielt CO2 die größte Rolle. Es gibt immer sparsamere Motoren, zugleich aber immer größere Autos und mehr Lkw-Transporte. Außerdem mehren sich Hinweise darauf, dass Autobauer nicht nur bei NOx-, sondern auch bei CO2-Angaben jahrelang getrickst haben könnten.
Bei der Treibstoff-Verbrennung in vielen Schiffsmotoren fällt auch giftiges Schwefeldioxid (SO2) an. In Autos und Lkws entsteht dieser Schadstoff aber nicht, was am Kraftstoff selbst liegt: Schiffsdiesel ist deutlich weniger raffiniert als etwa Pkw-Diesel oder Heizöl und enthält somit noch chemische Verbindungen, die bei der Verbrennung in Schadstoffe umgewandelt werden.
Winzige Feinstaub-Partikel entstehen entweder direkt in Automotoren, Kraftwerken und Industrieanlagen oder indirekt durch Stickoxide und andere Gase. Die Teilchen gelangen in die Lunge und dringen in den Blutkreislauf ein. Sie können Entzündungen der Atemwege hervorrufen, außerdem Thrombosen und Herzstörungen. Der Feinstaub-Ausstoß ist in Deutschland seit Mitte der 1980er Jahre deutlich gesunken. Städte haben Umweltzonen eingerichtet, um ihre Feinstaubwerte zu senken.
Feinstaub entsteht aber nicht nur in den Motoren. Auch der Abrieb von Reifen und Bremsen löst sich in feinsten Partikeln. Genauso entstehen im Schienenverkehr bei jedem Anfahren und Bremsen feiner Metallabrieb an den Schienen. All das landet ebenfalls als Feinstaub in der Luft.
Katalysatoren haben die Aufgabe, gefährliche Gase zu anderen Stoffen abzubauen. In Autos wandelt der Drei-Wege-Kat giftiges Kohlenmonoxid (CO) mit Hilfe von Sauerstoff zu CO2, längere Kohlenwasserstoffe zu CO2 und Wasser sowie NO und CO zu Stickstoff und CO2 um. Der sogenannte Oxidations-Kat bei Dieselwagen ermöglicht jedoch nur die ersten beiden Reaktionen, so dass Dieselabgase noch mehr Stickoxide enthalten als Benzinerabgase. Eingespritzter Harnstoff („AdBlue“) kann das Problem entschärfen: Im Abgasstrom bildet sich so zunächst Ammoniak, der anschließend in Stickstoff und Wasser überführt wird.
Immer wieder nahm er es in den folgenden Jahren mit den Großen auf: mit BASF und Lidl, mit der Atomindustrie und den Ölkonzernen. Natürlich mit Volkswagen, Porsche und Daimler.
Dabei war Resch einst gar gern gesehener Partner der Autoindustrie. Ende der 1990er Jahre etwa organisierte er mit den deutschen Herstellern eine Kampagne für bleifreies Benzin gegen die Ölmultis. Prompt erhielt die DUH von 1995 bis 2005 den Auftrag, den Umweltbericht des DaimlerChrysler-Konzerns zu kommentieren. 6500 Euro zahlte der Autobauer dafür laut Resch jährlich, zuzüglich 40.000 Euro Sponsoring für Naturschutz-Camps für Daimler-Mitarbeiter. Tatsächlich dürfte es wohl etwas mehr gewesen sein. Etwas über eine halbe Million soll Daimler allein für „Beratungsleistungen“ zwischen 2000 und 2006 an die „Umweltschutz Service GmbH“ gezahlt haben, dazu Spenden an Reschs Global Nature Fund in gleicher Höhe.
Vor etwa zehn Jahren aber endete die Zusammenarbeit abrupt. Offizieller Grund: der Konzern habe die unzensierte Kommentierung des Umweltberichts durch die DUH verhindern wollen, habe außerdem die Kooperation als "Payroll-Beschäftigung" bewertet. Deshalb „beendete die DUH die Kooperation zum Jahresende“, sagt Resch.
Die Abgas-Tests in Deutschland und Europa
Neue Modelle werden in Deutschland und der EU nach dem Modifizierten Neuen Fahrzyklus (MNEFZ) getestet. Die Tests laufen unter Laborbedingungen, das heißt auf einem Prüfstand mit Rollen. Dies soll die Ergebnisse vergleichbar machen. Der Test dauert etwa 20 Minuten und simuliert verschiedene Fahrsituationen wie Kaltstart, Beschleunigung oder Autobahn-Geschwindigkeiten.
Getestet wird von Organisationen wie dem TÜV oder der DEKRA unter Beteiligung des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA). Dieses untersteht wiederum dem Verkehrsministerium.
Die Prüfungen der neuen Modelle werden von ADAC und Umweltverbänden seit längerem als unrealistisch kritisiert. So kann etwa die Batterie beim Test entladen werden und muss nicht - mit entsprechendem Sprit-Verbrauch - wieder auf alten Stand gebracht werden. Der Reifendruck kann erhöht und die Spureinstellungen der Räder verändert werden. Vermutet wird, dass etwa der Spritverbrauch im Alltag so häufig um rund ein Fünftel höher ist als im Test.
Neben den Tests für neue Modelle gibt es laut ADAC zwei weitere Prüfvorgänge, die allerdings weitgehend in der Hand der Unternehmen selbst sind. So werde nach einigen Jahren der Test bei den Modellen wiederholt, um zu sehen, ob die Fahrzeuge noch so montiert werden, dass sie den bisherigen Angaben entsprechen, sagte ADAC-Experte Axel Knöfel. Zudem machten die Unternehmen auch Prüfungen von Gebrauchtwagen, sogenannte In-Use-Compliance. Die Tests liefen wieder unter den genannten Laborbedingungen. Die Ergebnisse würdem dann dem KBA mitgeteilt. Zur Kontrolle hatte dies der ADAC bei Autos bis 2012 auch selbst noch im Auftrag des Umweltbundesamtes gemacht, bis das Projekt eingestellt wurde. In Europa würden lediglich in Schweden von staatlicher Seite noch Gebrauchtwagen geprüft, sagte Knöfel.
Die EU hat auf die Kritik am bisherigen Verfahren reagiert und will ab 2017 ein neues, realistischeres Prüfszenario etablieren. Damit sollen auch wirklicher Verbrauch und Schadstoffausstoß gemessen werden ("Real Driving Emissions" - RDE). Strittig ist, inwiefern dafür die bisherigen Abgas-Höchstwerte angehoben werden, die sich noch auf den Rollen-Prüfstand beziehen.
Zumindest inoffiziell dürfte auch Reschs damals frisch gestartete Kampagne für Rußpartikelfilter in Dieselfahrzeugen keine unwesentliche Rolle gespielt haben. Daimler-Chrysler jedenfalls kommentierte das Ende der Zusammenarbeit schlicht mit Reschs „irreführender“ Kritik am Umweltbericht des Unternehmens.
Danach: Funkstille. Es sollte beinahe zehn Jahre dauern, bis sich beide Seiten wieder wahrnahmen. Es war der 18. September 2015, als die Welt vom VW-Skandal erfuhr – und Jürgen Resch eine neue Schlagzeile schuf: Den „industriell-politischen Komplex“, wie er es nennt. Für ihn unterlaufen die Autokonzerne seit Jahren absichtlich Abgasvorgaben, machen falsche Angaben zum Spritverbrauch und rüsten ihre Pkw mit Schummelsoftware für die Kontrollen auf dem Prüfstand. Gleichzeitig hätte der Staat die Gesetze und Vorschriften, um eben das zu unterbinden – tut aber nichts, aus Rücksicht auf die allzu mächtige Industrie, die auch die Medien im Griff hat. Leidtragender dieser Verschwörung: die Verbraucher.
Die kürzlich bekannt gewordenen Messergebnisse des Kraftfahrt-Bundesamtes bekräftigen Resch darin. Kaum war öffentlich, dass nahezu alle deutschen Hersteller Modelle mit zu hohen Abgaswerten produzieren und hunderttausendfach Wagen zurückrufen müssen, verschickte Resch auch schon eine harsche Pressemitteilung. Ziel der Attacke diesmal: die Bundesregierung. Er forderte: „ein Ende des Schmusekurses und eine harte und konsequente Durchsetzung des geltenden Rechts.“ Und so vergeht seither kaum eine Woche, in der er nicht in irgendeiner Talkshow oder Radiosendung sitzt, zu einer Pressekonferenz lädt oder in einem Auditorium steht.