Geschäftsmodell der Deutschen Umwelthilfe Der Schreck der Autobosse

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"Wir sind Lobby, wir sind Partei"

Ein Kenner der Fahrzeugindustrie bezeichnet das Verhältnis zu Resch als „belastet“, seine Wortwahl hält er für gefährlich: der „industriell-politische-Komplex“ etwa sei an den Sprachduktus der RAF angelehnt, die von einem „militärisch-industriellen-Komplex“ gesprochen habe. Er empfiehlt Resch daher, sprachlich „abzurüsten“. Überhaupt sei die DUH ja eine „Aktivistentruppe“, die Abmahnungen von Konzernen zu ihrem Geschäftsmodell gemacht habe. „Und was Herr Resch da über Dieter Zetsche gesagt hat – da kann man einfach nur noch den Kopf schütteln“, sagt ein Insider, der nicht in Stuttgart arbeitet, aber den Ruf der Branche insgesamt in Gefahr wähnt.
Wenn es um ihn selbst geht, ist Resch übrigens ziemlich ideologiefrei:

Welcher Politiker das sauberste Auto fährt
Bildungs- und Forschungsministerin Johanna Wanka Quelle: dpa
Verkehrsminister Alexander Dobrindt Quelle: dpa
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe Quelle: dpa
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller Quelle: dpa
Arbeitsministerin Andrea Nahles Quelle: dpa
Landwirtschaftsminister Christian Schmidt Quelle: dpa
Umweltministerin Barbara Hendricks Quelle: dpa

Dienstags fliegt er schon mal von Zürich zur Geschäftsstelle nach Berlin, zum Wochenende wieder zu seiner Familie an den Bodensee, er nimmt auch mal ein Taxi, wenns schnell gehen muss und lässt sich von Springers Auto-Bild für das „Grüne Lenkrad“ einspannen. Und auch die Umwelthilfe agiert durchaus pragmatisch, wo es ihr nützt. Um seine Finanzierung zu sichern und Projekte anzuschieben, geht Resch immer öfter Kooperationen mit der Industrie ein. Mit den Deutschen Mineralwasserbrunnen etwa stritt er für das Dosenpfand, mit Herstellern von Rußpartikel-Filtern kämpfte er für die Einführung von Umweltzonen. „Wir sind Lobby, wir sind Partei und wir schließen Zweckbündnisse“, sagte er dazu mal. Auf der Homepage der DUH heißt es: „Im Dialog mit Unternehmen und Umweltpolitikern entwickeln wir Chancen für nachhaltige Wirtschaftsweisen und umweltfreundliche Produkte“.

Ein Drittel seines 9-Millionen-Euro-Budgets kommt mittlerweile durch Partnerschaften zustande, ein weiteres Drittel machen Spenden aus, auch solche der Konzerne, die die DUH abgemahnt hat. Der Rest kommt von Stiftungen und öffentlichen Institutionen. Gut 80 Mitarbeiter werden davon bezahlt. Eine Mannschaft, mehr als doppelt so groß wie  noch vor zehn Jahren. Und eine bundesweite Kampagnenmaschinerie, die Resch nüchtern-routiniert steuert. Nur dann und wann unterstützt von der tief-melancholischen Stimme von Tom Waits, den sich Resch immer dann auflegt, wenn er am Schreibtisch nicht weiterkommt.

Beim Verband der deutschen Automobilindustrie reagiert man inzwischen deutlich gelassener auf den Namen Resch. Noch vor zehn Jahren hatte der damalige VDA-Chef Bernd Gottschalk im Handelsblatt zu Protokoll gegeben: „Herrn Resch ist aus unserer Sicht eine bemerkenswerte Fähigkeit zu attestieren, die große Neigung in unserem Land zur Hysterie für seine politischen Ziele zu nutzen.

Was VW-Kunden jetzt wissen müssen
Ein kurzer Tastendruck und es geht los: Millimeter um Millimeter wächst der blaue Balken auf dem Computerbildschirm. In nur knapp zehn Minuten ist der schwarze VW-Amarok fertig, der an der anderen Seite des Kabels steckt. Es ist ein kleiner Schritt für den Techniker, aber ein großer für Volkswagen. Denn das Update markiert den Auftakt der größten Rückrufaktion in der Konzerngeschichte. Aber damit nicht genug: Zugleich stiftete das Update neue Verwirrung rund um den im Diesel-Skandal steckenden Autobauer. Noch vor dem offiziellen Segen des zuständigen Kraftfahrt-Bundesamtes KBA waren die ersten VW-Amarok am Computer – früher als eigentlich angenommen. Quelle: dpa
Zur Aufklärung sagte am Mittwochabend ein VW-Sprecher: „In den vergangenen Tagen sind im Unternehmen die organisatorischen Vorbereitungen für den Rückruf des Amarok abgeschlossen worden.“ Dazu habe auch das Verschicken von Kundenbriefen gehört. Der Sprecher bestätigte zudem, dass die finale Freigabe vom KBA bei VW an diesem Mittwoch einging - das teilte die Behörde aber erst am frühen Abend mit. Zuvor hatte es von dort stets geheißen, die Freigabe stehe noch aus. Die Freigabe für die weiteren betroffenen Modelle befinden sich derzeit beim Kraftfahrt-Bundesamt noch in der Prüfung, wie es weiter hieß. Der VW-Sprecher erklärte: „Im Zuge einer so komplexen, umfassenden und markenübergreifenden Rückrufaktion kann es dazu gekommen sein, dass einige wenige Fahrzeuge bereits in den Werkstätten waren.“ Quelle: dapd
Das Anschreiben von Volkswagen im WortlautSehr geehrter Herr (), wir bedauern sehr, dass Ihr Vertrauen in die Marke Volkswagen derzeit auf die Probe gestellt wird. Und möchten uns zunächst in aller Form hierfür bei Ihnen entschuldigen. Im Rahmen der aktuellen Berichterstattungen über die Stickoxidproblematik bei Volkswagen müssen wir Ihnen mitteilen, dass auch Ihr Amarok betroffen ist. In einem begrenzten Fertigungszeitraum sind Dieselmotoren mit einer Motorsteuergerätesoftware verbaut worden, durch welche die Stickoxidwerte (NOx) im Vergleich zwischen Prüfstandlauf (NEFZ) und realem Fahrbetrieb verschlechtert werden. Aus diesem Grund ist eine Umprogrammierung des Motorsteuergerätes erforderlich. Mit diesem Schreiben möchten wir Sie informieren, dass die benötigte Software zur Verfügung steht und Ihr Fahrzeug nun umprogrammiert werden kann. Wir möchten Sie bitten, sich umgehend mit einem autorisierten Partner für Volkswagen in Verbindung zu setzen, damit ein Termin vereinbart werden kann. Die Maßnahme wird je nach Arbeitsumfang zwischen 30 Minuten und 1 Stunde in Anspruch nehmen und ist für Sie selbstverständlich kostenlos. Haben Sie bitte Verständnis, wenn die Maßnahme aus organisatorischen Gründen im betrieblichen Ablauf auch einen etwas längeren Zeitraum in Anspruch nehmen kann. Wir möchten Sie zudem darauf hinweisen, dass bei Nicht-Teilnahme an der Rückrufaktion eine Betriebsuntersagung gem. §5 FZV durchgeführt werden kann. Zur reibungslosen Abwicklung ist es sinnvoll, wenn Sie zu dem vereinbarten Termin dieses Schreiben und den Serviceplan für die notwendigen Eintragungen mitbringen. Auch wenn Ihnen dieser außerplanmäßige Werkstattaufenthalt Unannehmlichkeiten bereiten sollte, hoffen wir auf Ihr Verständnis und Ihre Unterstützung bei der Abwicklung dieser vorsorglichen Maßnahme. Wir schätzen Ihr Vertrauen in die Marke Volkswagen und bedanken uns für Ihre Loyalität. Sollten Sie nicht mehr im Besitz dieses Fahrzeuges sein, so geben Sie uns bitte den Namen und die Anschrift des neuen Halters beziehungsweise den Verbleib des Fahrzeugs an. Füllen Sie dazu bitte einfach die beiliegende Antwortkarte aus und senden Sie uns diese Information so schnell wie möglich zurück. Sollten Sie im Zusammenhang mit dieser Überprüfung Fragen haben, wenden Sie sich bitte an Ihren Partner für Volkswagen oder an das Servicetelefon unter der Telefonnummer 05361 83 89 99 60. Mit freundlichen Grüßen Hinweis des Kraftfahrt-Bundesamtes: Ihre Anschrift haben wir für diese Maßnahme gemäß §35 Abs.2 Nr.1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) vom Kraftfahrt-Bundesamt erhalten. Quelle: dpa
In der Werkstatt verlief die Umrüstung ohne Probleme. „Aktion 23R7 durchgeführt - Motorsteuergerät NOx“, stand danach im Serviceheft des Amarok in Hannover, dessen Update ein dpa-Fotojournalist begleitete. Das Auto soll nun nicht mehr erkennen können, ob sich ein Auto bei Abgasprüfungen auf dem Teststand befindet oder im Straßenverkehr. Für VW ist es der Startschuss des größten Rückrufs in der Geschichte. Allein hierzulande geht es um 2,4 Millionen Dieselfahrzeuge. Die Rückruf-Aktion soll sich monatelang hinziehen. Quelle: dpa
Mitte September hatte Europas größter Autokonzern eingeräumt, mit einer Software Abgas-Tests bei Dieselfahrzeugen manipuliert zu haben. Dies hatte den Konzern in eine schwere Krise gestürzt. Nun beginnt das „Jahr der technischen Umrüstung“, wie es im VW-Aufsichtsrat bereits hieß. Während die Rückruf-Maßnahmen in den USA für die betroffenen Diesel mit zwei und drei Litern Hubraum derzeit noch mit den Behörden abgestimmt werden, steht der Fahrplan in Deutschland bereits fest: Nach dem Amarok sollen die weiteren Varianten mit 2.0-TDI-Motor in die Werkstätten beordert werden, etwa beim Golf und Passat. Später soll dann der Rückruf für den 1.2-TDI-Motor anlaufen, auch hier reicht ein reines Software-Update aus. Quelle: dpa
Komplizierter wird es bei den 1,6-Liter-Modellen des Skandalmotors EA189. Stand am Anfang noch ein aufwändiger und teurer Austausch der Einspritzdüsen im Raum, hat Volkswagen bereits im vergangenen Jahr eine deutlich günstigere Lösung des Abgas-Problems vorgestellt. Nach Angaben von VW soll der zusätzlich eingebaute Strömungsgleichrichter dafür sorgen, dass Luft besser angesaugt und Treibstoff effizienter verbrannt werden kann. So sollen auch Abgaswerte entsprechend den Emissionsnormen verbessert werden. Quelle: dpa
Experten haben aber bereits Zweifel angemeldet, ob das vorgestellte Luftgitter wirklich ausreicht, um die Messwerte und damit die Verbrennung entscheidend zu verbessern. Die Umrüstung ist bei dem 1.6 TDI aufwändiger, weil alle drei Varianten des EA189 unterschiedliche Motorsteuerungen von verschiedenen Zulieferern stammen, die auf den jeweiligen Motor abgestimmt sind, werden bei jeder Variante auch andere Maßnahmen nötig. Quelle: dpa

Dabei ist er, wie wir wiederholt festgestellt haben, in der Wahl seiner Mittel nicht zimperlich.“

Heute redet VDA-Sprecher Eckehart Rotter von einem „Kulturwandel“, den es beim Verband gegeben habe. „Die Zeit der ideologischen Grabenkämpfe ist vorbei. Wir sind da in keiner Art von Konfrontation.“  Tatsächlich treffen sich Autoverband und Umwelthilfe regelmäßig. Neulich erst diskutierte Resch eineinhalb Stunden lang im Deutschlandfunk mit einem VDA-Vertreter.

Noch einmal zurück in den Saal 2709 des Berliner Landgerichts in dem diese Geschichte ihren Anfang nahm. Ein paar Stunden nach Reschs Plädoyer fällt die Kammer ihr Urteil über den Brief des Daimler-Anwalts an die Umwelthilfe. Richterin Klinger verkündet: „Die Einstweilige Verfügung vom 15. Januar 2016 wird aufgehoben und ihr Erlass zurückgewiesen.“ Resch hat gesiegt, der Autokonzern hat verloren. Jedenfalls in diesem Fall. Die Hauptsache nämlich, das verrät Resch erst später am Telefon, ist noch anhängig. Doch darum geht es ihm momentan nicht:  „Ich werde den Brief sofort wieder ins Internet stellen“ flötet er stattdessen. Und schiebt hinterher, ganz berauscht von seinem Erfolg: „Das war ein ganz wichtiger Sieg. Nicht nur für mich persönlich und für meinen Verband - sondern für die Gesellschaft.“

Was auch sonst. Kleiner hat es Jürgen Resch nicht mehr.

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