Haftpflicht-Policen Wer haftet, wenn Manager versagen?

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Nächstes Opfer: Mittelstand

Während Konzerne dank ihrer Marktmacht im Streit mit der Assekuranz immer noch etwas herausschlagen können, haben kleinere und mittlere Unternehmen eher schlechte Karten. „Mittelständler müssen sich mit lausigen Vergleichen begnügen“, sagt Hendricks.

Der Autozulieferer Voit im saarländischen St. Ingbert (1600 Mitarbeiter, 200 Millionen Umsatz) fühlt sich von seinem D&O-Versicherer, dem US-Anbieter Chubb, regelrecht vorgeführt. Der Fall, der im April vor dem Bundesgerichtshof verhandelt wird, geht zurück auf das Jahr 2008. Zu dieser Zeit erhielt der damalige kaufmännische Geschäftsführer von Voit Hinweise von einem Kreditversicherer, ein Kunde in Frankreich sei in Zahlungsschwierigkeiten, und Voit solle das Geld für gelieferte Waren besser früher einfordern, nicht erst wie bisher in 60 Tagen.

Doch der Manager reagierte nicht, der Kunde ging pleite und Voit blieb auf unbezahlten Rechnungen in Höhe von 1,1 Millionen Euro sitzen. Als das Debakel in den Büchern sichtbar wurde, hatte der Manager die Firma bereits verlassen. In die Schusslinie geriet daraufhin Firmenchef und Mitinhaber Martin Voit, weil er die Warnung des Kreditversicherers hätte kennen müssen, wie die übrigen Gesellschafter meinten. Weil dies aber nicht der Fall war, habe er seine Kontrollpflicht verletzt und müsse für den Schaden einstehen – ein ähnlicher Vorwurf, wie ihn Anleger gerade gegenüber VW-Chef Winterkorn erheben.

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Doch bis heute weigert sich der Versicherer Chubb, Voit den Schaden zu ersetzen. „Die Versicherung hat jeden direkten Kontakt mit uns abgelehnt und will sich seit acht Jahren nicht mit uns an einen Tisch setzen“, klagt Hendrik Otterbach, heute geschäftsführender Gesellschafter bei Voit. Offenbar versucht Chubb den Saarländern nachzuweisen, dass sie ihrem Mitgesellschafter und Firmenchef nur vordergründig die Schuld in die Schuhe geschoben haben, weil sie den ausgeschiedenen Manager nicht mehr belangen konnten. Chubb will sich dazu nicht äußern, Voit weist die Unterstellung zurück.

In erster Linie profitieren die Anwälte

Die eigentlichen Profiteure der D&O-Versicherungen, das zeigt der Fall Voit wie der Fall VW, sind in erster Linie die Anwälte. Denn die Versicherung übernimmt auch die Anwaltskosten, die ein beschuldigter Manager geltend macht. „VW wird Winterkorn kaum die Strafverteidigerkosten bezahlen, und die dürften in die Millionen gehen“, sagt Hendricks. Die Anwaltskosten aber gehen von der Deckungssumme ab. Nur wenn ein Manager strafrechtlich verurteilt wurde, holt sich die Versicherung die Anwaltshonorare bei ihm persönlich zurück.

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In der Praxis hilft die Versicherung den Unternehmen nicht nur wenig, sie verleite manche Aufsichtsräte sogar zu teuren Fehlschlüssen, sagt der Düsseldorfer Arbeitsrechtler Michael Kliemt. Denn nicht selten verließen sich Unternehmen darauf, dass die Versicherung zahlt, und verklagten darauf vertrauend den beschuldigten Manager. Doch dann stehle sich die Versicherung aus ihrer Zusage. „Wenn die Unternehmen wüssten, dass die D&O-Versicherung nicht einspringt, würden sie mitunter kritischer die Erfolgsaussichten einer Klage gegen den Vorstand oder Geschäftsführer prüfen“, sagt Arbeitsrechtler Kliemt.

Dass Unternehmen überhaupt weiter solche Policen abschließen, liegt an der starken Verhandlungsposition der Manager. Keine Topführungskraft tritt heutzutage noch einen Job in einem Unternehmen an, das keine entsprechende Versicherung für den Fall der Fälle abschließt.

Einen Ausweg aus dem Dilemma niedriger Deckungssummen und hoher Schäden gibt es nicht. Hendricks glaubt, dass kein Versicherungskonsortium mehr als eine Milliarde Euro Schaden übernehmen wird. Bei Volkswagen allerdings wird die Branche seiner Ansicht nach bluten. „Man muss davon ausgehen, dass die Versicherungen über kurz oder lang die ganze Deckungssumme auf den Tisch legen müssen.“

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