Honda Clarity Fuel Cell Technologie-Highlight mit ungewisser Zukunft

Nix Kohlendioxid, kein Motorenkrach: Hondas Brennstoffzellen-Auto Clarity macht bei einer längeren Testrunde Lust auf die Zukunft. Doch die steht für Brennstoffzellen-Autos immer noch in den Sternen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Honda Clarity Fuel Cell Quelle: Honda

Prinzipiell ist der Japaner ja eher zurückhaltend. Zur Begrüßung macht er höflich seine Verbeugung, zum Drängler wird er nur zur Rush Hour in der Tokioter U-Bahn. Niemals würde er den großen Angeber spielen. Wenn jetzt also Honda behauptet, dass das Brennstoffzellenauto des Hauses das modernste der Welt sei, dann muss da was dran sein.

Also auf, um den futuristisch gestylten Clarity Fuel Cell (Fuel Cell = Brennstoffzelle) im Großraum Kopenhagen zu fahren. Kopenhagen hatte Honda ausgewählt, weil es in Dänemark gemessen an der Einwohnerzahl die meisten Wasserstoff-Tankstellen in Europa gibt. Nämlich demnächst sechzehn. Kein Däne muss mehr als 100 Kilometer bis zur nächsten Tankstelle fahren.

Vielleicht sollten wir aber hier zunächst einmal erklären, wie ein Brennstoffzellen-Auto funktioniert. Getankt wird Wasserstoff. Und die Brennstoffzelle – der Clarity hat immerhin 358 Exemplare davon – zerlegt diesen in einer chemischen Reaktion in Wasserstoff und Sauerstoff. Dabei entstehen Strom, Wärme und Wasser, aber kein klimaschädliches Kohlendioxid. Eigentlich verbrennt hier auch nichts, in der Zelle wird lediglich Energie umgewandelt. Der gewonnene Strom wiederum treibt den Synchron-Elektromotor, der damit bis zu 13.000 Umdrehungen pro Minute hinlegen kann.

Auch die praktischen Vorteile zum batteriegetriebenen Elektroauto sind schnell aufgezählt: Ein Brennstoffzellen-Auto verfügt über eine höhere Reichweite als ein Vollstromer mit Lithium-Ionen-Akku. Und das Tanken dauert bei ihm nicht mehrere Stunden, sondern nur wenige Minuten. Einziges Handicap: Die Zahl der Wasserstofftankstellen ist noch geringer als die Zahl der Schnellladestationen. Aber dazu kommen wir später.

Ausgeklügelte Aerodynamik

Der Zündschlüssel macht einen ganz konventionellen Eindruck, doch das dazugehörige Auto dreht optisch ganz schön auf. Hat aber alles seinen Sinn, sagen die Japaner. Denn das Design der 4,92 Meter langen Limousine (exakt das Maß der Mercedes E-Klasse) gehorcht vor allem dem Diktat der Aerodynamik: Es reduziert überall bremsende Turbulenzen. Deshalb sind die Hinterräder teilweise abgedeckt. Und ein spezielles Luftkanalsystem sorgt unter der Karosseriehaut je nach Bedarf für glättende oder kühlende Wirkungen.

Im Innenraum gibt es wie versprochen gut Platz für fünf Personen, in der zweiten Reihe sitzen auch 1,90-Meter-Riesen noch sehr bequem. Diese Geräumigkeit hat viel mit der Verkleinerung des Antriebs zu tun. Beim Vorgängermodell thronte das Brennstoffzellen-Paket noch beengend zwischen den Vordersitzen. Inzwischen ist es so stark geschrumpft, dass es komplett im Motorraum Platz findet. Nur der Laderaum ist mit 334 Liter Volumen noch immer knapp, das können die beiden Fernost-Konkurrenten Toyota Mirai (Limousine, 361 Liter) und Hyundai ix35 Fuel Cell (SUV, 591 Liter) deutlich besser. Denn hinter den Rücksitzen und diversen Verkleidungen, legt sich im Clarity der größere der beiden Wasserstoff-Tanks quer. Der besteht übrigens aus Sicherheitsgründen aus Aluminium mit 12 Millimeter Wandstärke und ist zusätzlich noch mit etlichen Lagen Kohlefaser ummantelt.

Das Wichtigste über Wasserstoff und Brennstoffzelle

Über dem Tank soll laut Honda genügend Platz für drei Golftaschen sein. Klingt etwas elitär, vom Familiengepäck ist nicht die Rede. Dazu passt, dass das Passagierabteil mit ökologisch korrekten Materialien eingekleidet wurde. Die bequemen Sitze haben Überzüge aus einem speziellen Kunstleder, das mit Bio-Garngewebe verstärkt ist. Und was auf dem Armaturenbrett wie Rosenholz aussieht, ist in Wirklichkeit ebenfalls Kunststoff, für den Polyester recycelt wurde. Fußmatten und Dachhimmel bestehen aus Pflanzenfasern.

Natürliche Ruhe erleben wir auch beim Druck auf den Startknopf. Wir klicken auf die D-Taste und schon setzt sich die große Limousine geräuschlos in Bewegung. Bemerkenswert zügig übrigens, auch auf der Autobahn geht es ausgesprochen flott voran. In nur neun Sekunden soll Tempo 100 erreicht werden können. Okay, immerhin offeriert der Elektromotor aus dem Stand auch 300 Newtonmeter Drehmoment und eine Leistung von 174 PS.

Wie einfach das Tanken geht

Den Spurt auf 100 km/h haben wir nicht getestet, aber zumindest mal die "Sport"-Taste gedrückt. Dann reagiert der Japaner noch spontaner auf den Befehl zur Beschleunigung. Kein Wunder: Die Brennstoffzelle (103 kW) wird dann von einer Lithium-Ionen-Pufferbatterie mit zusätzlicher Leistung versorgt. Beim Heben des rechten Fußes bremst der Clarity allerdings nervend kräftig ab, Honda will hier etwas übertrieben Bremsenergie in Batteriestrom zurückverwandeln. Umgekehrt meldet sich beim heftigen Kickdown mit einem freundlichen Pfeifen der elektrische Turbokompressor zu Wort, der die Sauerstoffzufuhr für die Brennstoffzelle pusht und den übrig bleibenden Wasserdampf – die einzige anfallende Emission des Honda – über ein Loch im Unterboden des Wagens wieder hinaus in die Luft bläst.

1500 Kilometer ohne ein Gramm CO2

Prinzipiell haben die japanischen Ingenieure bei der Schalldämmung ganze Arbeit geleistet, im Clarity ist es auch bei höherem Tempo erfreulich leise. Windschutzscheibe und Seitenfenster bestehen aus Schallschutzglas, überall sind zusätzliche Isoliermatten montiert. Insofern können wir ungestört dem Sound des Premium-Audiosystems lauschen, das uns mit 540 Watt und insgesamt 12 Lautsprechern beschallt. Auch das sonstige Infotainment ist auf der Höhe der Zeit, selbstverständlich gibt es Apple CarPlay und Android Auto an Bord. Nur die Grafik des Acht-Zoll-Zentralmonitors wirkt ziemlich altbacken.

Und das Fahrverhalten? Ist unauffällig. Die Lenkung reagiert präzise und ausreichend direkt, die aufwändige Mehrlenker-Hinterachse sorgt für entspanntes Kurvenverhalten. Auch Federung und Dämpfung verdienen ihren Namen. Noch eine nette Kleinigkeit am Rande: Der Clarity hat am rechten Außenspiegel eine spezielle Kamera, die beim Rechtsabbiegen im Navi-Display die nähere Umgebung zeigt – sie verlängert das Leben von Radfahrern, die in den toten Winkel geraten.

So braust Toyota in die Zukunft
Wasserstoffauto Mirai Quelle: dpa
Wasserstoffauto Mirai kommt im Dezember nach Japan Quelle: dpa
Wasserstoffauto Mirai startet im September 2015 in Deutschland Quelle: Toyota
Wie unsere Redaktion berichtete, plant BMW im Rahmen der Kooperation mit Toyota ein eigenes Brennstoffzellenauto . Insider rechnen damit, dass der Wasserstoff-BMW mehr Leistung bringen wird als der Mirai. Einem Bericht des britischen "Autocar "-Magazins zufolge soll das Modell BMW i5 heißen. Quelle: REUTERS
Wasserstoffauto Mirai beruht auf dem Toyota Sedan Quelle: Toyota
Wasserstoffauto Mirai hat 500 Kilometer Reichweite Quelle: Toyota
Wasserstoffauto Mirai stößt nur Wasserdampf aus. Quelle: Toyota

Zur Testfahrt gehört natürlich ein Tankstopp. Der ist nach kurzer Einweisung ("Karten-Code eingeben, Stutzen einrasten, arretieren und den grünen Knopf drücken!") in wirklich nur drei Minuten erledigt. Und der Blick auf das Display zeigt uns, dass wir für rund 100 Kilometer bei normaler, durchaus alltagsähnlicher Stadt-Land-Fahrt 1,22 Kilo Wasserstoff gebraucht haben.

Ergo dürften bei etwas zurück haltender Fahrweise mit einer Tankfüllung etwa 500 Kilometer drin sein, im Schleichmodus vielleicht auch die von Honda angesagten 650 Kilometer Reichweite. Andererseits ist Wasserstoff kein billiger Treibstoff: In Deutschland kostet das Kilo (subventioniert) 9,50 Euro. Unter dem Strich bewegen sich also die Betriebskosten auf Dieselniveau.

In den USA, wo der Clarity bereits angeboten wird, fährt man das cleane Mobil nach einer Anzahlung von gerade mal 2868 Dollar für schlanke 366 Dollar Leasing-Gebühren im Monat. Zusätzlich spendiert der Honda-Händler noch Tankgutscheine über 15.000 Dollar. Und obendrein kann sich der Clarity-Besitzer etwa für Urlaubstouren drei Wochen kostenlos eine konventionell angetriebene Luxuslimousine ausleihen. Bei dem üppigen Incentive-Paket, in das die Marketing-Abteilung von Honda vermutlich einiges an Marketinggeldern buttert, ist es kein Wunder, dass in den Staaten bereits über 250 Fahrzeuge zugelassen wurden und es für weitere 500 Fahrzeuge Vorbestellungen gibt.

In Deutschland hingegen wird der Clarity vorerst noch nicht angeboten. Der Grund ist das dünne Angebot an Zapfsäulen, durch die Wasserstoff strömt. Aktuell gibt es hierzulande gerade mal 15 Tankstellen, bis zum Ende dieses Jahres sollen es immerhin 50 sein. Vor allem entlang der Autobahnen sollen neue Zapfsäulen entstehen. Die Kosten dafür teilen sich die über 20 Industriepartner der „Clean Energy Partnership“, darunter der Gasehersteller Linde und die Autohersteller BMW, Daimler, Ford, Opel, Honda, Hyundai, Toyota und Volkswagen.

Die Zukunft der Brennstoffzelle ist ungewiss

Dennoch ist die Zukunft der Technologie weiterhin ungewiss. Die deutschen Autohersteller haben zwar allesamt fast serienreife Modelle in der Hinterhand. Doch keiner will das Risiko eines Marktflops eingehen – zu viel Geld wurde hier schon verbrannt. Wir erinnern uns an die vollmundigen Prognosen von Ex-Daimler-Chef Jürgen Schrempp, der einst die Serienreife bis 2004 versprach. Oder an das Abenteuer von BMW mit dem wasserstoffbetriebenen Siebener, der den Wasserstoff direkt im Verbrennungsmotor verpulverte anstatt mit ihm eine Brennstoffzelle zu füttern.

Daimler betreibt inzwischen eine kleine Flotte von Brennstoffzellenautos aus Basis der B-Klasse und will zum Jahresende ein neues Modell auf der Basis des SUV GLC starten. Und BMW will zusammen mit dem Kooperationspartner Toyota bis 2020 ein serienreifes Brennstoffzellen-Auto auf die Straße bringen. Doch weil sich die Batterietechnik rapide entwickelt und die Preise für die Hochleistungsakkus rasant fallen, wachsen zumindest in Europa die Zweifel, ob die Brennstoffzellen-Technologie im Straßenverkehr jemals massentauglich sein wird.

Die Autohersteller aus Asien lassen sich dadurch nicht irritieren. Honda arbeitet – genauso wie Hyundai und Toyota – bereits an der Nachfolgegeneration des Clarity, die Ende 2020 auf den Markt kommen soll. Die Rede ist von einem Auto mit viel Platz und großem Kofferraum sowie einer Reichweite von über 800 Kilometern mit einer Tankladung. Und, was noch schwerer wiegt: Das Auto soll nur umgerechnet 2000 bis 3000 Euro teurer sein als ein vergleichbarer Diesel.

Und natürlich sollen künftig auch die Stückzahlen steigen. Derzeit montiert Honda im japanischen Tochigi nur fünf Clarity-Modelle täglich.

Auf einen Blick

Stärke: Hohe Reichweite, ruhig laufender Antrieb, angenehmes Fahrverhalten, viel Platz für fünf Passagiere, kurze Tankzeit.

Schwäche: Kleiner Laderaum, Abhängigkeit von nur wenigen Wasserstoff-Tankstellen, in Deutschland überhaupt nicht im Handel

Technische Daten

Länge/Breite/Höhe: 4915/1875/1480 mm

Leergewicht: 1840 kg

Kofferraumvolumen: 334 Liter

Leistung Elektromotor: 130 kW (174 PS)

Leistung der Polymerelektrolyt-Brennstoffzelle: 103 kW

Antriebsbatterie: Lithium-Ionen-Batterie (1,7 kWh)

Wasserstoff-Tankvolumen: 141 Liter (max. 5 kg mit 700 bar Speicherdruck)

Beschleunigung 0-100 km/h: 9,0 s

Höchstgeschwindigkeit: 165 km/h

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%