Huber übernimmt Aufsichtsrat Piëch verliert Machtkampf bei VW

Mit sofortiger Wirkung treten VW-Patriarch Ferdinand Piëch und seine Ehefrau von ihren Ämtern im Aufsichtsrat zurück. Ein wechselseitiges Vertrauen habe es nicht mehr gegeben.

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Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch hat seine Konsequenzen aus dem Debakel um den VW-Chef Martin Winterkorn gezogen. Der 78-jährige VW-Patriarch hatte erfolglos versucht, Winterkorn noch vor der Hauptversammlung am 5. Mai absetzen zu lassen. Piëch wollte statt dessen Porsche-Chef Matthias Müller oder Skoda-Chef Winfried Vahland an der Spitze des Volkswagen-Konzerns sehen. Nachdem dies scheiterte, legte Piëch am Samstag mit sofortiger Wirkung den Vorsitz und die Mitgliedschaft im Aufsichtsrat der Volkswagen AG nieder. Auch alle anderen Aufsichtsratsmandate im Volkswagen Konzern gab er auf. Seine Ehefrau Ursula habe den Schritt ebenfalls vollzogen, teilte Volkswagen in einer Pflichtmitteilung mit. Sein Einfluss auf VW schwindet dadurch jedoch nicht völlig: Durch seine Stellung in der Porsche SE zusammen mit dem Rest der Familien Piëch und Porsche hält Ferdinand Piëch weiter 50,73 Prozent an Volkswagen.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil sagte am Samstag in Hannover, die Entwicklung der vergangenen Wochen habe zu einem Vertrauensverlust geführt, der sich als nicht mehr lösbar erwiesen habe. "Herr Piëch hat daraus die Konsequenzen gezogen und alle seine Ämter in VW-Aufsichtsräten niedergelegt." Der SPD-Politiker dankte dem 78-jährigen Firmenpatriarchen. Piëch habe sich große Verdienste um Volkswagen und die gesamte Automobilindustrie erworben. Auch Wolfgang Porsche, Aufsichtsratsvorsitzender der Porsche Automobil Holding SE, dankte Piëch: "Wir haben volles Vertrauen in die Unternehmensführung der Volkswagen AG und bedauern die Entwicklung der letzten Tage", sagte er. "Wir danken Ferdinand Piëch für die Jahrzehnte seines außergewöhnlichen und höchst erfolgreichen Einsatzes für den Volkswagen Konzern. Wir werden weiterhin mit großer Loyalität unsere Verantwortung als Großaktionär für den Volkswagen Konzern und seine 600.000 Mitarbeiter wahrnehmen."

Konsequenz aus den Querelen um Winterkorn

Ausgelöst hatte den Streit an der Spitze des VW-Konzerns Piëch Äußerung gegenüber dem „Spiegel“, er sei „auf Distanz“ zu Volkswagen-Vorstandschef Martin Winterkorn. Damit rückte der Chefkontrolleur von seinem langjährigen beruflichen Ziehsohn ab - und löste einen Machtkampf aus, der größtenteils in der Öffentlichkeit ausgetragen wurde. Auch Experten wurden von dem offenen Ausbruch des Machtkampfs überrascht. „Dieser Showdown kam absolut unerwartet“, sagte ISI-Analyst Arndt Ellinghorst der Nachrichtenagentur „Bloomberg“. „Sie müssen das so schnell wie möglich lösen.“ Was der Konzern nun offenbar getan hat.

Die Opfer des Ferdinand Piëch
Porsche-Miteigner und VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch Quelle: dapd
Audi Quelle: dpa
Franz-Josef Kortüm Quelle: obs
Herbert Demel Quelle: dpa
Franz-Josef Paefgen Quelle: AP
José Ignacio López Quelle: REUTERS
Bernd Pischetsrieder Quelle: dpa

Auch einige Arbeitnehmer im Aufsichtsrat gingen zuletzt auf Distanz zu Piëch. Ein Insider aus dem Gremium verwies auf den Beschluss des Aufsichtsratspräsidiums, das sich vor einer Woche hinter Winterkorn gestellt und Piëch damit eine herbe Niederlage zugefügt hatte. "Er (Piëch) muss sich sehr wohl überlegen, was das auch für ihn und seine eigene Position bedeutet", sagte die Person zu Reuters. "Natürlich hat er (Piëch) auch immer die Möglichkeit, eigene Konsequenzen zu ziehen", fügte der Insider hinzu.

Bei dem Krisentreffen am Sitz der Familien Porsche und Piëch vergangene Woche in Österreich war es beinahe zu einer Revolte gegen Piëch gekommen, der an seiner Kritik an Winterkorn festhielt. Bereits damals hatte ein Rückzug Piëch im Raum gestanden. Am Sonntag stellten sich dann mehrere Mitglieder des Präsidiums jedoch hinter Piëch, um eine Demontage des Firmenpatriarchen zu verhindern. "Es gibt keinen Grund, den Rücktritt von Dr. Piëch zu betreiben", betonte der frühere IG-Metall-Boss Berthold Huber, der im Machtzentrum des Wolfsburger Konzerns sitzt.

Piëch und seine Figuren

Piëch habe in der Vergangenheit und der Gegenwart Großes für das Unternehmen geleistet. Die Arbeitnehmer hätten die feste Absicht, den erfolgreichen Weg von Volkswagen mit Piëch und dem durch das Präsidiumsvotum gestärkten Konzernchef Martin Winterkorn fortzusetzen, sagte Huber. Auch VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh setzte sich für das Gespann aus Piëch und Winterkorn an der VW-Spitze ein. Für eine Abwahl des Aufsichtsratsvorsitzenden hätten 14 der insgesamt 20 Mitglieder des Kontrollrats stimmen müssen.

Berthold Huber übernimmt Aufsichtsratsposten

Zum Rücktritt des VW-Aufsichtsratsvorsitzenden Ferdinand Piëch erklärte das Präsidium, die Mitglieder hätten "einvernehmlich festgestellt, dass vor dem Hintergrund der vergangenen Wochen das für eine erfolgreiche Zusammenarbeit notwendige wechselseitige Vertrauen nicht mehr gegeben ist".

Kommissarisch übernimmt nun Berthold Huber die Ämter. Er wird auch die Aufsichtsratssitzung am 4. und 5. Mai leiten. Die Zukunft danach ist ungewiss: Es wird wohl kaum jemand in der Lage sein, die Machtposition so auszufüllen, wie es Ferdinand Piëch bislang getan hat.

Den meisten Mitgliedern des Aufsichtsrates fehlt schlicht das Format – oder die machtvolle Stellung innerhalb des Gremiums. Ein Betriebsratschef mit Osterloh kann kaum Chef des Aufsichtsrats werden, ebenso wenig wie der Politiker Stephan Weil. Eigentlich kommen derzeit nur drei Kandidaten für Piëch Job in Frage: Wolfgang Porsche, Ferdinand Oliver Porsche oder Hans Michael Piëch.

Wolfgang Porsche ist allerdings zu alt und durch seine Steueraffären angeschlagen. Piëchs Bruder Michel war schon länger auf Distanz zu Ferdinand Piëch, trotzdem könnte es sein, dass er nun in Betracht gezogen wird. Ferdinand Oliver Porsche ist momentan der wahrscheinlichste Nachfolger. Hinzu kommt, dass VW-Chef Winterkorn inzwischen einen guten Draht zu den Porsches hat - sein Haus in München kaufte er von Wolfgang Porsche.

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