IAA Nutzfahrzeuge Der Bus der Zukunft kommt nicht nach Fahrplan

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Ein guter ÖPNV braucht eine Strategie

Als Beispiel nennt Lanzendorf Kopenhagen. Das Konzept einer fahrradfreundlichen Stadt muss nicht jedem zusagen und ohne weiteres auf andere Städte übertragbar sein, die dänische Hauptstadt folgt aber einem strategischen Ziel. Um Ähnliches in Deutschland zu erreichen, müssten die Städte ihre traditionelle, kleinteilige Verkehrsplanung abschaffen und auch neue Entwicklungen einbeziehen. „Bislang scheitert es aber meist schon an der Frage, ob man sich als Stadt überhaupt mit so etwas wie Uber beschäftigen muss oder nicht“, sagt Lanzendorf. „Da sehe ich die Kommunen nicht gut aufgestellt.“

Doch nur mit einem ganzheitlichen Blick lassen sich Mobilitätskonzepte für eine Stadt und damit auch der öffentliche Verkehr planen – der Mix der Verkehrsmittel ist jedoch entscheidend. „Im städtischen Verkehr sind Trams und Bahnen viel effizienter als Busse“, sagt Joris D’Incà, Transport-Experte bei der Unternehmensberatung Oliver Wyman. Doch auch Busse könnten effizienter genutzt werden. „Fast-Leerfahrten außerhalb der Stoßzeiten sind extrem kostenintensiv. On-demand-Angebote können das verringern.“

Elektroantrieb wird auch in Bussen kommen

Mit einem kleineren Bus, der nicht stur nach Fahrplan seine Haltestellen anfährt, könnte außerhalb der Rushhour die geringere Nachfrage abgedeckt werden. Berater D’Incà glaubt daran, dass es künftig parallel On-demand- und Fahrplan-Angebote geben wird: „Die On-demand-Angebote werden stark wachsen, Regionalbahnen und klassische Taxen werden es zum Beispiel schwer haben.“

Auch Daimler-Manager Schick hält die Busse auf Zuruf zu gewissen Tageszeiten oder Nachfrage-Spitzen für möglich. Mehren sich etwa nach dem Ende eines Konzerts an einer nicht gut angebundenen Halle die Anfragen, könnte dort auch flexibel ein Bus vorbeifahren. „In der Hauptverkehrszeit ist der Takt auf den Linien aber so hoch, dass der nächste planmäßige Linienbus ohnehin alle paar Minuten kommt.“

Nahverkehr in Deutschland

Entscheidend ist aber immer noch die Größe: Im Falle des Konzerts wäre ein großer On-demand-Bus nötig, auf dem Land eher ein kleinerer. Mobilitätsforscher Lanzendorf hält es deshalb für sehr wahrscheinlich, dass das Angebot vielfältiger werden wird. Noch sieht er aber ein großes Problem. „Viele Verkehrsbetriebe haben gar keine kleineren Busse, um etwa abends bei geringerer Auslastung nicht die großen Busse quasi leer fahren zu lassen“, sagt der Professor.

Neben der Problematik des immer weiter zunehmenden Straßenverkehrs hat der VW-Dieselskandal das Augenmerk auf die schlechte Luftqualität in vielen Städten gelenkt. Die Werte für das Reizgas Stickstoffdioxid, liegen heute im Mittel auf dem Niveau von 2000. „Im Jahr 2015 überschritten rund 60 Prozent der verkehrsnahen Messstationen den EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter“, erklärt Maria Krautzberger, Präsidentin des Umweltbundesamts.

Der Gesetzgeber denkt bereits über Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in den Innenstädten nach. Das hätte wiederum beträchtliche Folgen für die Verkehrsbetriebe, deren Flotten größtenteils aus Diesel-Bussen bestehen. Naheliege Lösung: Emissionsfreie Elektrobusse. Doch die fehlten auf dem Markt bislang.

Daimler will ein solches E-Modell 2018 auf die Straße bringen. Hartmut Schick verspricht sogar, dass der Elektrobus bei den Kosten über die gesamte Lebensdauer in die Region des Diesels kommen soll. Der große Hemmschuh für Elektroautos – das mangelnde Ladenetz – ist in der Bus-Welt kein großes Problem. „Wir denken, dass das Aufladen der Busse nachts oder in Pausen während des Tages im Depot für eine Vielzahl der Strecken ausreichen wird“, sagt Schick.

Sollte das so kommen, hätte sogar der große Visionär Elon Musk beim Elektrobus das Nachsehen. Er will im kommenden Jahr erst einmal sein Konzept eines Elektro-Lastwagens zeigen, den Bus irgendwann später. Das Rennen um den Bus der Zukunft hätte dann ein altes, etabliertes Unternehmen gewonnen – und nicht der Disruptor aus dem Silicon Valley.

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