Jaguar, Bentley, Mini und Co. Der deutsche Erfolg der britischen Autoindustrie

Großbritanniens Traditionsmarken erleben unter deutscher Führung eine Wiedergeburt. Jaguar greift sogar massiv BMW, Audi und Daimler an. Ein EU-Austritt des Landes würde den Aufstieg aber jäh stoppen.

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Queen Elizabeth II und Speth Quelle: Picture Alliance/DPA

Olaf Schlösser besitzt ein Privileg. Offiziell beginnt der Verkauf des neuen Jaguar XE erst am 13. Juni. Der Geschäftsführer des Autohauses Royal Motors Kempen durfte ausgewählte Kunden aber schon am vergangenen Wochenende ins „Innovation Lab“ nach Köln einladen. In dem futuristischen Ambiente am Rheinauhafen konnte Schlösser seiner Fangemeinde zweieinhalb Monate vor anderen die neue Sportlimousine präsentieren.

Die Show weit vor der Zeit ist Teil einer „Innovationstour“, die Jaguar für exquisite Kunden auch in München, Leipzig, Berlin und anderen deutschen Großstädten organisiert. Der Hauch des Edlen und Hervorgehobenen zielt nicht nur auf Freunde feiner Karossen, sondern vor allem auf die bisherigen Käufer deutscher Premiummodelle wie des Audi A4, den BMW 3er und die C-Klasse von Mercedes. „Wir schalten endlich voll auf Angriff“, sagt Jaguar-Händler Schlösser. Von dem neuen Modell XE erhofft sich Jaguar bis 2017 eine Verdoppelung des Absatzes – Werbeslogan „British Intelligence“.

Britische Autos und ihr unrühmliches Ende

Anders als sonst auf der Insel ist das Eigenlob von Jaguar kein Understatement, sondern eher Übertreibung. Denn die mindestens 36.450 Euro teure Karosse strotzt weniger vor britischer, denn vor deutscher Ingenieur- und Verkaufskunst. Zwar gehört das vor 80 Jahren gegründete britische Unternehmen zusammen mit dem Geländewagenhersteller Land Rover seit 2008 zum indischen Autokonzern Tata.

Die operative Führung der beiden Unternehmen liegt jedoch in der Hand vier ehemaliger lang gedienter BMW-Manager: Ralf Speth (Vorstandsvorsitzender), Wolfgang Epple (Entwicklungschef), Wolfgang Stadler (Produktionschef) sowie Wolfgang Ziebart (Technikchef). Letzter, mittlerweile 65 Jahre alt, hat vergangene Woche aus Altersgründen seinen Platz für den Briten Nick Rogers, 47, geräumt.

Neuwagenverkäufe in Großbritannien.

Die deutschen Chefs haben aus dem altbackenen zeitweisen Pleitekandidaten in den zurückliegenden sieben Jahren ein Erfolgsunternehmen geformt. Jaguar Land Rover machte im Geschäftsjahr 2013/14 (bis 31. März) umgerechnet 26,5 Milliarden Euro Umsatz, verkaufte rund 435.000 Fahrzeuge und fuhr für seinen indischen Eigner einen Rekordgewinn von 4,6 Milliarden Euro vor Steuern und Abschreibungen ein. Mit einer Bruttomarge von 17,7 Prozent liegt Jaguar Land Rover inzwischen auf Augenhöhe mit den Besten der Branche. Im Oktober des vergangenen Jahres machte sich Queen Elizabeth II persönlich ein Bild vom ersten eigenen Motorenwerk von Jaguar Land Rover in Wolverhampton bei Birmingham.

"British Elend"

Die wundersame Genesung von Jaguar Land Rover nach dem Beinahetod 1986 steht für den Wiederaufstieg Großbritanniens als bedeutendem Produktionsstandort der Autoindustrie. 1,6 Millionen Fahrzeuge bauten die Briten im vergangenen Jahr zwischen dem Ärmelkanal und den schottischen Highlands. Das ist immerhin fast ein Drittel der Inlandsproduktion deutscher Autohersteller (5,9 Millionen Wagen).

Der japanische Autohersteller Nissan fertigt zwar schon seit gut 30 Jahren in Großbritannien und bringt es mit seinen rund 500.000 Autos aus seinem Werk im nordenglischen Sunderland zum größten Hersteller auf der Insel. Auch Honda und Nissan, Toyota, Ford und General Motors nutzen das Land, vor allem als Brückenkopf für den europäischen Markt.

Das eigentlich Bemerkenswerte an dem Comeback der britischen Autoindustrie aber liegt im Wiederaufstieg der wenigen britischen Traditionsmarken aus den Ruinen der einstigen staatlich gesteuerten British Leyland Motor Corporation (Branchenspott: „British Elend“) – und das unter deutscher Führung.

Ob Jaguar Land Rover unter Vorstandschef Speth, Bentley als Luxusmarke des VW-Konzerns, Mini unter den Fittichen von BMW oder Rolls-Royce ebenfalls in Münchner Händen: Mit Teutonen an der Spitze oder als Eigentümer stehen die Marken heute besser da als je.

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