Leichtbau im Auto Weshalb Stahl noch nicht zum alten Eisen gehört

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Wie ein Winterhandschuh Autos leichter macht

So unterschiedlich die Karbon-, Alu- oder Stahl-Ansätze der Hersteller sind, in einem Punkt sind sie sich einig: Momentan setzen alle Leichtbaumaßnahmen an der Karosserie an, Antrieb und Innenraum stehen hinten an. „Wir konzentrieren uns auf den Rohbau und das Chassis. In diesem Bereich können die Autobauer das meiste Gewicht herausholen“, sagt 3M-Manager Schatzmüller.

Besonderen Fokus legt der Konzern aus Minnesota auf das Kleben. „Das hat in erster Linie nicht viel mit Leichtbau zu tun“, sagt Schatzmüller. „In der Praxis kann aber eine Klebeverbindung eine aufwändigere Befestigung aus Metall ersetzen und so am Endprodukt Gewicht sparen.“

BMWs Super-Hybrid-Sportler i8 im Detail
Im September 2013 stellte BMW den i8 auf der IAA vor. BMW-Chef Norbert Reithofer präsentierte dort das grüne Vorzeigemodell, mit dem Smog und Großstadtlärm der Vergangenheit angehören sollen. Im April hat BMW mit der Serienproduktion begonnen und im Juni 2014 rollen die neuen Elektroautos zum Händler. Vorbestellungen nimmt der Autobauer bereits seit Herbst 2013 entgegen. Schon jetzt sei absehbar, dass die Nachfrage in der Anlaufphase die Produktion deutlich übersteigen wird. Ein guter Grund, einmal zu schauen, was der Neue aus München so drauf hat. Quelle: Presse
Das Plug-in-Hybrid-System des i8 setzt sich aus einem Dreizylinder-Ottomotor mit einer Höchstleistung von 170 Kilowatt (231 PS) und einem maximalen Drehmoment von 320 Newtonmetern sowie einem Hybrid-Synchron-Elektromotor mit einer Höchstleistung von 96 Kilowatt (131 PS) und einem maximalen Drehmoment von 250 Newtonmetern zusammen. Quelle: Presse
Zur eDrive-Technologie gehört außerdem ein Lithium-Ionen-Hochvoltspeicher mit 5,2 Kilowattstunden und ein intelligentes Energiemanagement mit einer Gesamtleistung von 266 Kilowatt (362 PS). Quelle: Presse
Der Aufladevorgang der Batterie dauert zwischen zwei und drei Stunden. Die Lithium-Ionen-Batterie kann sowohl an einer ganz gewöhnlichen Steckdose als auch an speziellen Ladestationen für Elektroautos aufgeladen werden. Dazu gehört neben der öffentlichen Ladestation an Tankstellen auch die BMW i Wallbox. Quelle: Presse
Der i8 beschleunigt dank seines Antriebskonzeptes "eDrive" in 4,4 Sekunden von null auf 100 Stundenkilometer. Dabei verbraucht er im Durchschnitt nur 2,1 Liter Super pro 100 Kilometer. Im Berufsverkehr verbraucht der Wagen bei vollständig geladener Batterie weniger als fünf Liter Sprit. Quelle: Presse
Wer nicht nur innerhalb der Stadt, sondern auch auf Landstraßen und Autobahnen unterwegs ist, verbraucht immer noch weniger als sieben Liter Sprit auf 100 Kilometern. Und auch auf längeren Strecken mit höherer Geschwindigkeit sind immer noch weniger als acht Liter Verbrauch drin. Damit fallen die Verbrauchswerte des Plug-in-Hybrid-Modells insgesamt um rund 50 Prozent niedriger aus als bei herkömmlich angetriebenen Sportfahrzeugen. Quelle: Presse
Darüber hinaus verbraucht der i8 auf 100 Kilometern durchschnittlich 11,9 Kilowattstunden Strom und kommt auf eine CO2-Emission von 49 Gramm pro Kilometer. Quelle: Presse

Ein Beispiel: In die Dichtung einer Autotür ist bislang meist ein Metallkeder eingearbeitet, mit dem die Dichtung dann an die Türe gesteckt wird. Die 3M-Entwicklungsabteilung in Neuss hat aber ein Verfahren entwickelt, bei dem die Dichtung mit einem Klebeband angebracht wird – das kann pro Türe über ein Kilo sparen.

Auch bei ohnehin leichten Kunststoffen kann weiter am Gewicht gefeilt werden. Dem Plastik werden Füllstoffe beigemischt, um besondere Eigenschaften etwa bei der Elastizität zu erhalten. Heute ist das meistens Talg, das laut 3M durch kleine Glaskugeln mit einem Durchmesser von wenigen Mikrometern ersetzt werden könnte.

Höhere Sicherheit, mehr Gewicht

„Mit den Glas-Bubbles können wir das Gewicht um etwa 30 Prozent senken – bei denselben Eigenschaften“, sagt Schatzmüller. „Bei einem großen Bauteil wie einer Stoßstange oder einem Armaturenbrett kann das mehrere Kilo ausmachen. Und das kostenneutral.“

Dass Autos über die Jahre immer schwerer geworden sind, liegt nicht nur an der gestiegenen Sicherheit oder der Tatsache, dass Neuwagen mit jeder Generation meist ein paar Zentimeter größer geworden sind. Auch die Komfortansprüche der Kunden sind gewachsen: Wo es früher mal Knistern oder Knarzen konnte, muss heute selbst ein Mittelklassewagen wie ein Golf flüsterleise werden.

Aus diesem Grund werden in Innenraum, Türverkleidungen, im Motorraum oder Radkästen immer mehr Dämmmatten eingebaut – auch hier kann Gewicht gespart werden. Zum Beispiel mit einem Material, dass die meisten von Winterhandschuhen und Mützen kennen dürften.

„Thinsulate hält nicht nur warm, sondern isoliert auch gut Geräusche“, sagt Schatzmüller. Entwickelt wurde das Dämmmaterial in der Consumer-Sparte von 3M, es wird aber auch in der Industrie-Sparte eingesetzt. „Jeder Entwickler kann auf das Wissen aus den anderen Konzernsparten zugreifen. Ein Klebstoff aus der Dentalsparte könnte eine Technologie sein, die morgen in ihrem Auto eingebaut wird.“

Brutstätte für Ideen

Um solche Synergien zwischen den Konzernsparten besser nutzen zu können, hat 3M ein sogenanntes „Incubation-Team“ gegründet, eine Art Brutstätte für Ideen. „In diesem Team sind wir auf der Suche nach komplett neuen Möglichkeiten, wie wir die Themen unserer Kunden lösen können“, sagt Teamleiter Schatzmüller. „Mit diesem Team können wir schnell entscheiden, ob wir bereits eine passende Technologie im Schrank haben und es sich lohnt, diese von einem Entwicklerteam auf den jeweiligen Kundenwunsch anpassen zu lassen.“

Das Konzeptauto

Einen ungewöhnlichen Weg hat auch der Entwicklungsdienstleister Edag bei seinem Konzeptfahrzeug Light Cocoon, das erstmals auf dem Genfer Autosalon im März 2015 gezeigt werden soll, eingeschlagen. Das Fuldaer Unternehmen tat sich mit dem Outdoor-Spezialisten Jack Wolfskin zusammen, das sich mit wasserdichter Funktionsbekleidung auskennt.

Das Ergebnis: Die skelettartige Karosserie des Light Cocoon aus dem 3D-Drucker ist nur mit einem Stoff überzogen, der die Insassen vor Wind und Wetter schützt, dabei aber gerade einmal 19 Gramm pro Quadratmeter wiegt.

„Der extrem belastbare Stoff ist viermal leichter als normales Kopierpapier“, sagt Edag-Vorstand Jörg Ohlsen. „In Kombination mit der topologisch optimierten Struktur ergeben sich große Potenziale und Impulse für den ultimativen Leichtbau der Zukunft.“

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