So unterschiedlich die Karbon-, Alu- oder Stahl-Ansätze der Hersteller sind, in einem Punkt sind sie sich einig: Momentan setzen alle Leichtbaumaßnahmen an der Karosserie an, Antrieb und Innenraum stehen hinten an. „Wir konzentrieren uns auf den Rohbau und das Chassis. In diesem Bereich können die Autobauer das meiste Gewicht herausholen“, sagt 3M-Manager Schatzmüller.
Besonderen Fokus legt der Konzern aus Minnesota auf das Kleben. „Das hat in erster Linie nicht viel mit Leichtbau zu tun“, sagt Schatzmüller. „In der Praxis kann aber eine Klebeverbindung eine aufwändigere Befestigung aus Metall ersetzen und so am Endprodukt Gewicht sparen.“
Ein Beispiel: In die Dichtung einer Autotür ist bislang meist ein Metallkeder eingearbeitet, mit dem die Dichtung dann an die Türe gesteckt wird. Die 3M-Entwicklungsabteilung in Neuss hat aber ein Verfahren entwickelt, bei dem die Dichtung mit einem Klebeband angebracht wird – das kann pro Türe über ein Kilo sparen.
Auch bei ohnehin leichten Kunststoffen kann weiter am Gewicht gefeilt werden. Dem Plastik werden Füllstoffe beigemischt, um besondere Eigenschaften etwa bei der Elastizität zu erhalten. Heute ist das meistens Talg, das laut 3M durch kleine Glaskugeln mit einem Durchmesser von wenigen Mikrometern ersetzt werden könnte.
Höhere Sicherheit, mehr Gewicht
„Mit den Glas-Bubbles können wir das Gewicht um etwa 30 Prozent senken – bei denselben Eigenschaften“, sagt Schatzmüller. „Bei einem großen Bauteil wie einer Stoßstange oder einem Armaturenbrett kann das mehrere Kilo ausmachen. Und das kostenneutral.“
Dass Autos über die Jahre immer schwerer geworden sind, liegt nicht nur an der gestiegenen Sicherheit oder der Tatsache, dass Neuwagen mit jeder Generation meist ein paar Zentimeter größer geworden sind. Auch die Komfortansprüche der Kunden sind gewachsen: Wo es früher mal Knistern oder Knarzen konnte, muss heute selbst ein Mittelklassewagen wie ein Golf flüsterleise werden.
Aus diesem Grund werden in Innenraum, Türverkleidungen, im Motorraum oder Radkästen immer mehr Dämmmatten eingebaut – auch hier kann Gewicht gespart werden. Zum Beispiel mit einem Material, dass die meisten von Winterhandschuhen und Mützen kennen dürften.
„Thinsulate hält nicht nur warm, sondern isoliert auch gut Geräusche“, sagt Schatzmüller. Entwickelt wurde das Dämmmaterial in der Consumer-Sparte von 3M, es wird aber auch in der Industrie-Sparte eingesetzt. „Jeder Entwickler kann auf das Wissen aus den anderen Konzernsparten zugreifen. Ein Klebstoff aus der Dentalsparte könnte eine Technologie sein, die morgen in ihrem Auto eingebaut wird.“
Brutstätte für Ideen
Um solche Synergien zwischen den Konzernsparten besser nutzen zu können, hat 3M ein sogenanntes „Incubation-Team“ gegründet, eine Art Brutstätte für Ideen. „In diesem Team sind wir auf der Suche nach komplett neuen Möglichkeiten, wie wir die Themen unserer Kunden lösen können“, sagt Teamleiter Schatzmüller. „Mit diesem Team können wir schnell entscheiden, ob wir bereits eine passende Technologie im Schrank haben und es sich lohnt, diese von einem Entwicklerteam auf den jeweiligen Kundenwunsch anpassen zu lassen.“
Einen ungewöhnlichen Weg hat auch der Entwicklungsdienstleister Edag bei seinem Konzeptfahrzeug Light Cocoon, das erstmals auf dem Genfer Autosalon im März 2015 gezeigt werden soll, eingeschlagen. Das Fuldaer Unternehmen tat sich mit dem Outdoor-Spezialisten Jack Wolfskin zusammen, das sich mit wasserdichter Funktionsbekleidung auskennt.
Das Ergebnis: Die skelettartige Karosserie des Light Cocoon aus dem 3D-Drucker ist nur mit einem Stoff überzogen, der die Insassen vor Wind und Wetter schützt, dabei aber gerade einmal 19 Gramm pro Quadratmeter wiegt.
„Der extrem belastbare Stoff ist viermal leichter als normales Kopierpapier“, sagt Edag-Vorstand Jörg Ohlsen. „In Kombination mit der topologisch optimierten Struktur ergeben sich große Potenziale und Impulse für den ultimativen Leichtbau der Zukunft.“