Machtkampf bei Grammer Was bei der Hauptversammlung passieren kann

Bei Grammer kommt es zum Showdown: Schafft es die bosnische Familie Hastor, den Automobilzulieferer unter ihre Kontrolle zu bringen? Wie könnten die Amberger sich wehren? Szenarien für die Hauptversammlung am Mittwoch.

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Autozulieferer Grammer aus Bayern Quelle: dpa

In den Ohren der deutschen Automobilindustrie klingt der Name Hastor wie ein Warnsignal. Die bosnische Familie hinter der Zulieferer-Gruppe Prevent ist gefürchtet für harte Geschäftsverhandlungen: Da stehen auch mal Produktionsbänder still, wenn das Angebot nicht so aussieht, wie Firmenpatriarch Nijaz Hastor es sich vorstellt. Nun muss die Branche um einen ihrer wichtigsten Zulieferer bangen: Am Mittwoch wollen die Hastors auf der Hauptversammlung in Amberg die Kontrolle über den Pkw-Innenausstatter Grammer erringen, an dem sie derzeit mit rund 20 Prozent beteiligt sind.

Für VW, Daimler und Co. steht viel auf dem Spiel. Denn Grammer ist nicht nur ein Zulieferer unter vielen. Im Bereich Mittelkonsolen seien die Amberger bei manchen Baureihen der alleinige Lieferant, erklärte Grammer-Aufsichtsratschef Klaus Probst in der vergangenen Woche gegenüber der WirtschaftsWoche. Entsprechend nervös hätten die Kunden auf den Vorstoß der Hastors reagiert: „Wir haben von Anfang an gesehen, dass die großen Autohersteller das Investment der Familie Hastor sehr negativ betrachten.“ Im ersten Quartal 2017 sei bereits die Hälfte der Aufträge im Vergleich zum Vorjahr weggebrochen, so Probst. Er sehe „eine Katastrophe“ auf Grammer zukommen.

Die Hastors haben freilich eine andere Sicht auf die Dinge. Sie werfen dem Management vor, Grammer nicht profitabel genug zu führen. 4,3 Prozent Marge, wie Grammer sie 2016 erzielte, seien in dem Segment zu wenig, wie die Familie über Prevent-Chefjustiziar und -Geschäftsführer Christian Becker Anfang Mai im „Handelsblatt“ verlauten ließ. „Durch unsere Erfahrung im Autobereich fordern wir mehr als etwa eine Bank oder ein Investmentfonds, weil wir mehr vom Geschäft verstehen“, so Beckers Erklärung für den Machtgriff der Hastors.

Woher kommen die Hastors?
Hastor Quelle: Jasmin Brutus
Hastor Quelle: Jasmin Brutus
Hastor Quelle: Jasmin Brutus
Hastor Quelle: Jasmin Brutus
Hastor Quelle: Jasmin Brutus
Hastor Quelle: Jasmin Brutus
Hastor Quelle: Jasmin Brutus

Die Familie fordert, fünf der sechs Anteilseigner-Posten im Aufsichtsrat der Grammer neu zu besetzen. Als Kandidaten dafür haben die Hastors eigene Leute aus Umfeld von Prevent in Stellung gebracht, die sich bei der Hauptversammlung zur Wahl stellen werden. Allein Hans Liebler, der für die Anteilseigner des Konzerns seit 2012 im Grammer-Aufsichtsrat sitzt, soll nach dem Willen der Hastors seinen Posten behalten. Auch im Vorstand dürfte die Familie einen Wechsel anstreben.

Hastors agieren im Geheimen

Der Erfolg des Vorhabens ist wegen der komplizierten Eigentümerverhältnisse bei Grammer unklar. Die Hastors sind nicht direkt am Unternehmen beteiligt, sondern nutzen mindestens zwei Investmentgesellschaften, die die erste Meldeschwelle des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) von drei Prozent der Anteile überschreiten: die Halog GmbH & Co. KG mit mindestens 9,81 Prozent, geführt von Nijaz Hastor, sowie die Cascade International Investments GmbH mit mindestens 10,001 Prozent, hinter der laut Medienberichten die beiden Hastor-Söhne stecken sollen. Zusammen hält die Familie also mindestens einen Anteil von 19,81 Prozent.

Beobachter gehen nun davon aus, dass sich die Hastors weitere Anteile unterhalb der Meldeschwellen gesichert haben, sodass sie bei der anstehenden Grammer-Hauptversammlung wohl auf einen Stimmanteil zwischen 20 und 25 Prozent kommen könnten. Für die Halog liegt die nächste Meldeschwelle bei zehn Prozent, für die Cascade bei 15 Prozent der Anteile. Weitere Familienmitglieder könnten zudem einen Anteil von unter drei Prozent erwerben, ohne das in einer sogenannten Stimmrechtsmitteilung öffentlich machen zu müssen.

Autoteile, Yachten und Designermode

Die Familie Hastor hat unter dem Dach der Prevent-Gruppe ein Firmenimperium* aufgebaut. Über Investmentholdings ist sie am Autozulieferer Grammer und am Küchenbauer Alno beteiligt.





* Auswahl; Quelle: eigene Recherchen

Dieses klandestine Vorgehen ist geschickt: Die Firmen Halog und Cascade gelten juristisch als unabhängig. Selbst bei einem gemeinsamen Anteil von 30 Prozent müssten die Hastors daher kein Übernahmeangebot an die anderen Aktionäre abgeben, wie es das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) üblicherweise verlangt.

Allerdings macht sich die Familie damit auch angreifbar: Arbeiten mehrere unabhängige Investoren zur Erreichung eines gemeinsamen Ziels zusammen (sogenanntes „Acting in Concert“), müssen sie eigentlich eine Mitteilung abgeben, sofern sie mit ihren gemeinsamen Anteilen eine Meldeschwelle überschreiten. Andernfalls droht der Stimmrechtsentzug durch den Vorsitzenden des Aufsichtsrats, in diesem Fall Klaus Probst – dem die Hastors ohnehin vorwerfen, heimlich mit VW, dem größten Widersacher der Familie, zu paktieren.

Vorstand wirbt um Aktionäre und Stakeholder

Der Nachweis einer konzertierten Aktion dürfte allerdings schwer zu führen sein. Familienbande allein reichten dafür nämlich nicht aus, wie Aktienrechtsexperte Norbert Bröcker von der Düsseldorfer Kanzlei Hoffmann Liebs Fritsch & Partner erklärt. „Nach einem Stimmrechtsentzug durch den Versammlungsleiter können die Hastors eine Anfechtungsklage gegen den Beschluss anstrengen. Vor Gericht zählen dann nicht nur Anhaltspunkte, sondern handfeste Beweise wie Verträge oder andere Dokumente.“

Die Einhaltung der Meldepflichten wird zudem von der Bafin kontrolliert. In der vergangenen Woche kündigte die Behörde über eine Sprecherin an, den Handel mit Grammer-Aktien in den vergangenen Monaten „routinemäßig“ überprüfen zu wollen: „Wir werden uns das auf möglichen Marktmissbrauch wie Insiderhandel und Marktmanipulation hin ansehen.“

von Martin Seiwert, Annina Reimann

Dass die Hastors mit nicht einmal einem Viertel der Grammer-Anteile derart Unruhe stiften können, liegt an der großen Zahl der Grammer-Aktionäre, die den Hauptversammlungen normalerweise fernbleiben. In der Vergangenheit nahmen im Schnitt bloß rund 45 Prozent der Anleger an den jährlichen Treffen teil. Ein großer US-Fonds, der fast fünf Prozent an Grammer hält, war sogar noch nie angemeldet. Unter Normalbedingungen hätten die Hastors bei einer Abstimmung über den Aufsichtsrat daher wohl eine Mehrheit.

Ist der „weiße Ritter“ die Rettung?

Um das zu verhindern, hat sich Grammer allerdings den chinesischen Marktbegleiter Ningbo Jifeng ins Boot geholt, der als sogenannter „weißer Ritter“ inzwischen rund zwölf Prozent am Unternehmen hält und den Anliegen der Hastors nicht zustimmen wird. Mit dem Versuch, den Einstieg von Jifeng in letzter Minute zu verhindern, sind die Hastors am vergangenen Freitag vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth gescheitert.

Zudem hat der Grammer-Vorstand um die Stimmen der anderen Aktionäre geworben – und dabei unter anderem die Unterstützung der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre, der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz und dreier sogenannter „Proxy Advisors“, die unabhängige Empfehlungen für institutionelle Investoren abgeben, gewinnen können. Auch zahlreiche Stakeholder wie die Gewerkschaften, das bayerische Wirtschaftsministerium und natürlich die Autobauer hat Grammer hinter sich versammelt.

Laut Aufsichtsratschef des Autozulieferers Grammer hat der Machtkampf mit den Investoren der Familie Hastor für eine Halbierung der Auftragseingänge im ersten Quartal gesorgt.
von Annina Reimann

Setzen sich die Hastors dennoch mit der Neuwahl des Aufsichtsrats durch, hätte die Familie damit auch ohne Übernahme oder Beherrschungsvertrag faktisch die Kontrolle über Grammer gewonnen, wie Aktienrechtler Norbert Bröcker erklärt. „Bei einer feindlichen Übernahme ist der Aufsichtsrat der Dreh- und Angelpunkt.“ Denn das zwölfköpfige Gremium, das bei Grammer paritätisch mit Eigentümer- und Arbeitnehmervertretern besetzt ist, bestellt den Vorstand. Bei Stimmengleichheit entscheidet der Vorsitzende, den im Erfolgsfall wohl die Hastors stellen würden.

Schafft es Grammer dagegen, die Attacke der Hastors abzuwehren, ist das lediglich ein Etappensieg für den Sitzehersteller. Bei jeder zukünftigen Hauptversammlung stünde Grammer ceteris paribus vor demselben Problem: einem Großaktionär, der mit der Führung des Unternehmens unzufrieden ist und die Sache selbst in die Hand nehmen will. Auch die Hauptversammlung am Mittwoch dürfte den Machtkampf um Grammer vorerst nicht beenden.

Hastor-Anwalt Franz Enderle erklärte vorsorglich gegenüber der dpa: „Die Familie Hastor verschwindet nicht einfach nach der Hauptversammlung, egal wie das läuft“. Er stellte Anfechtungsklagen wegen des Engagements von Ningbo Jifeng in Aussicht: Ob die Chinesen zu Recht mitstimmten, werde „vermutlich der Bundesgerichtshof in fünf Jahren klären.“

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