Machtkampf bei Renault-Nissan Warum die erfolgreiche Auto-Allianz so zerrissen ist

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Jetzt soll Nissan Renault helfen

Auto-Experte Ferdinand-Dudenhöffer glaubt jedoch nicht an ein Auseinanderbrechen. „Sie sind zu stark aneinander gebunden, dass es ein schnelles Ende geben könnte“, sagt der Professor für Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen. „Frankreich hat große ökonomische Probleme und versucht, mit diesem Machtkampf Stärke vorzuspielen. Spätestens wenn Hollande und die Sozialisten abgewählt werden, wird sich die Lage wieder beruhigen.“

Der Staat will seinen Einfluss sichern, um etwa Arbeitsplätze in Frankreich zu erhalten. Schließlich haben sich die Vorzeichen innerhalb der Allianz geändert: 1999 hatte Renault Nissan vor der Pleite bewahrt. Mittlerweile ist Nissan aber der stärkere Partner und trägt etwa zwei Drittel des gemeinsamen Absatzes und einen größeren Gewinnanteil bei.

Was Renault und Smart in die Kleinwagen-Kooperation einbringen

„Renault ist derzeit schwach, weil der europäische Automarkt schwach ist“, sagt Dudenhöffer. „In Nordafrika, dem Iran und Russland ist Renault auch gut vertreten. Wenn all diese Märkte anziehen, werden die Franzosen in einigen Jahren wieder deutlich stärker sein.“

Im Länderportfolio stehe die Renault-Nissan aber gut da, viel besser etwa als der PSA-Konzern. „Wo Renault schwächer ist, ist Nissan stark und umgekehrt. Renault ohne Nissan ist aber schwer darstellbar, das ist auch der französischen Regierung bewusst.“

70 Prozent der Modelle auf gemeinsamen Plattformen

Bei Renaults Aufholjagd soll auch Technik aus Japan helfen. Die Nachfrage nach SUVs zum Beispiel boomt weltweit. Nissan gilt in diesem Segment als Vorreiter und ist von kleinen bis großen SUV gut aufgestellt – mit dem Bestseller Qashqai haben sie die kompakten Stadt-SUVs entscheidend geprägt. Renault hingegen hat den SUV-Trend vollkommen verschlafen. Auf den halbherzig zusammengeschusterten und nur mäßig erfolgreichen Koleos folgte nichts. Jetzt soll unter anderem der Kadjar den Markt von hinten aufrollen. Weite Teile der Technik liefert der einst kleinere Partner Nissan.

Bis 2020 sollen 70 Prozent der Modelle von Renault und Nissan auf gemeinsamen Plattformen basieren. Eine Gefahr der Verwässerung der beiden Marken bei so vielen gleichen oder ähnlichen Modellen sehen Auto-Experten allerdings nicht. „Zwei Marken mit ähnlichen oder technisch zum Teil gleichen Produkten zu differenzieren ist die Kunst der Markenbildung“, sagt Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive Management an der Hochschule Bergisch-Gladbach. „Das trifft innerhalb von Konzernen zu, aber auch zwischen den Konzernen.“

Deshalb ist es für Bratzel kein Problem, dass sich Qashqai und Kadjar viele Komponenten teilen. Das gilt auch für den Daimler-Konzern, der eng mit der Allianz kooperiert – etwa bei den Schwestermodellen Renault Twingo und Smart oder Mercedes-A-Klasse und dem Q30 von Nissans Nobelmarke Infiniti.

Auch laut Dudenhöffers Analyse ergänzen sich das französisch-japanische Bündnis und der Stuttgarter Autobauer gut. „Die Zusammenarbeit mit Daimler ist stark, man kann im Prinzip auch von zweieinhalb Allianz-Partnern reden“, so der Professor. „Dieter Zetsche und Carlos Ghosn verstehen sich gut, sind aber in der Sache hart und verteilen keine Geschenke. Die engen Verflechtungen helfen beiden Seiten.“

Sollte der Machtkampf bei Renault-Nissan wegen der Verhandlungen um den Vertrag auch im kommenden Jahr erneut aufflammen, wären trotz der Bindungen die Risiken für Daimler überschaubar. „Wenn man sich an einen Partner bindet, der eine andere Dynamik erfährt, steigt das Risiko“, sagt Bratzel. „In der Welt gibt es aber nichts ohne Risiko, deshalb haben beide Seiten diese Bindung sehr wohl kalkuliert.“

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