Mercedes-Benz 300 SL: Klassiker, 60 Jahre alt, sucht neues Heim

Die Zeit drängte – und wie. Klaus Reichert, Leiter des Classic Centers im schwäbischen Fellbach, könnte die ein oder andere schlaflose Nacht gehabt haben, ob die Restaurierung des Fahrzeugs mit der Fahrgestellnummer 198042-7500620 auch wirklich bis zum Stichtag klappt.

Bild: Stephen Reuss

Normalerweise kommt es bei der Komplettüberholung eines Klassikers wie dem 300 SL Roadster nicht auf Tage oder gar Wochen an, doch die Monterey Autoweek mit dem Concours d’Elegance als Höhepunkt des automobilen Klassikjahres ließ sich nicht verschieben. Reichtert sprach immer wieder mit seinem Kollegen Mike Kunz, der das Mercedes Classic Center im kalifornischen Irvine leitet.

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Schließlich gaben die Monteure aus Fellbach grünes Licht – der Mercedes 300 SL Roadster wurde rechtzeitig fertig und den Beteiligten fiel ein Stein von Herzen. Ab in den Flieger ins Land der unbegrenzten Klassikermöglichkeiten: Kalifornien.

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Wer dem Mercedes 300 SL Roadster auf sein Blechkleid schaut, der kommt ins Schwärmen. Dieses blau-grau mit dem internen Farbcode 166 macht den offenen Doppelsitzer aus dem Produktionsjahr 1957 noch lässiger, eleganter und lasziver als er ohnehin ist. Nach der Restaurierung, die über eineinhalb Jahre dauerte, steht er nicht wie neu da, sondern besser. Hat erst ein paar hundert Testkilometer auf den Zahlenwalzen im Tachometer und strahlt mit dem satten Grün der 18. Spielbahn des Golfplatzes von Pebble Beach und der sich durchkämpfenden Sonne selbstbewusst um die Wette.

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Bereits an den Tagen zuvor hatte der 300 SL Roadster bei Veranstaltungen der Monterey Autoweek für viel Aufsehen gesorgt. Als eines der ersten Fahrzeuge hatte er die Tour d’Elegance auf dem einzigartigen 17-Mile-Drive angeführt, im Ziel von Carmel die Zuschauer begeistert und dann noch einen Pokal bei der Szeneveranstaltung „Legends of Autobahn“ abgeräumt. Wie kann man seinen 60. Geburtstag standesgemäßer feiern?

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Sein größter Aufritt blieb jedoch der Abschlusssonntag, wo das Sternencabrio nicht nur durch seine ungewöhnliche Farbe einer der zahllosen Stars beim Concours d’Elegance war. Hier reichte es zwar nicht zum Gesamtsieg, aber ein indirekter Vorvorgänger, der Mercedes-Benz S Barker Tourer von 1929, holte sich – ebenfalls in beeindruckendem blau gekleidet, den Pokal „best of show“.

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Optisch muss sich der SL-Nachwuchs, im Herbst 1957 produziert und am 10. Januar 1958 ausgeliefert, nicht verstecken. Zum blau-grauen Unilack passen die blauen Lederpolster (Farbcode 333) ebenso perfekt wie das tiefblau gefärbte Stoffdach. Und nirgends passt die Blaupause eines Luxusroadsters besser hin, als an die kalifornische Pazifikküste.

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Denn während er bei renommierten Veranstaltungen wie Legends of Autobahn oder beim Concours d’Elegance nur im Stand die Juroren beeindrucken konnte, sieht das am Bakelitsteuer ganz anders aus. Der Tachometer zeigt erst ein paar hundert Kilometer und genauso fährt sich der blaue Schönling, der nach verschiedenen Stationen in den USA und in Griechenland im Classic Center auf den Neuzustand herausgeputzt wurde.

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Die schwergängige Lenkung, das komfortable, aber nicht zu weiche Fahrwerk und dann dieser grandiose Reihensechszylinder, der Rennwagen in den 50er Jahren ebenso zu Siegen trieb, wie Chauffeure am Steuer der 300er Prunklimousine mit seiner Souveränität beeindruckte. Alles Details, die einem durch den Kopf schwirren, wenn es entlang am morgenkühlen Pazifik geht. „Dieser Roadster ist nahezu unverwüstlich“, lacht Mercedes-Techniker Nate Landers, „man muss den Motor nur langsam warm fahren. Das ist das ganze Geheimnis.“

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Bei zurückhaltender Fahrt dauert es gut und gerne 15 Minuten, bis das träge Ölbad des Sechszylinders in Stimmung gekommen ist. Dann kann das Triebwerk gedreht werden, was das Zeug hält. Der drei Liter große Reihensechszylinder ist mit 215 PS und 275 Nm maximalen Drehmoment genauso stark wie das Flügeltürer-Coupé, das von 1954 bis 1957 gebaut wurde. Nur wenige wissen, dass der Flügeltürer mit 1.400 Fahrzeugen rarer ist als der Roadster, von dem insbesondere Dank des US-Marktes 1.858 Fahrzeuge produziert wurden.

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Fast schon lässig lassen sich händisch die vier Gänge durchschalten, um den Direkteinspritzer zu Höchstleistungen herauszufordern. Und wem der Fahrtwind bei über 180 km/h die Frisur zerreißt, dem kommen nicht zum ersten Mal die grandiosen Rennsporterfolge des 300 SL in den Sinn. Die meisten feierten in den 50ern allerdings die Flügeltürer und die Rennversionen des 300 SLS, die die Gegner auf Mille Miglia, Panamericana und Nordschleife oftmals pulverisierten.

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Es ist schwer sich nicht in diesen blau-grauen Mercedes 300 SL zu verlieben – gerade hier in Kalifornien, wo ihn Generalimporteur Max Hoffman einfach herbeigeredet hatte. Jener Max Hoffman, ohne den es wohl kaum deutschen Luxussportwagen in den USA gegeben hätte. Porsche 356, Mercedes 300 SL oder eben der nicht weniger elegante BMW 507 – sie alle kamen in die USA, weil der deutsche Auswanderer es so wollte.

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Hoffman überzeugte Mercedes-Benz den 300 SL zu bauen, indem er kurzerhand 1.000 Autos bestellte, bevor der schwäbische Autobauer das Projekt überhaupt gebilligt hatte. Jaguar war vom Engagement des Geschäftspartners wenig angetan und kündigte den Vertrag. Das kam Hoffman gerade recht, denn er wollte sich ohnehin auf Mercedes konzentrieren, nicht ohne sich von den Briten den Ausstieg teuer bezahlen zu lassen: Er ließ sich von Jaguar Tantiemen für jedes Modell zusichern, der in den nächsten Jahren seinem Einzugsgebiet verkauft wurde.

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Ihm war klar, dass ein preisgünstiger Sportwagen mit einem guten Motor in den USA ein Erfolg würde. Immer wieder wurde er daher bei BMW-Entscheidungsträgern vorstellig und drängte auf die Umsetzung seiner Idee. Potente Triebwerke hatten die Münchner im Portfolio und Albrecht Goertz entwarf die passende Karosserie dazu. Das Ergebnis war legendäre BMW 507. BMW erkannte, dass man mit Hoffman gute Geschäfte machen konnte. Denn sein Handschlag war genauso viel Wert, wie ein Vertrag.

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Neben dem BMW 507 blieb der Mercedes 300 SL Roadster das Lieblingsauto von Max Hoffman. Und bereits lange vor ihrem 60. Geburtstag sind die Roadster längst aus dem Schatten der Flügeltürer herausgetreten.

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„Die Pagoden sind stark im Kommen“, sagt Klaus Reichert vom Classic Center, „hier gibt es mittlerweile auch eine größere Nachfrage nach Werksrestaurierungen wie allgemein bei den SL. Viele kaufen auf dem freien Markt vermeintlich gut erhaltene Modelle und erschrecken sich hinterher, wenn sie von uns eine ehrliche Meinung bekommen.“

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Wer – bei welchem Auto auch immer – eine rechte Werksrestaurierung will, muss Zeit und viel Geld mitbringen. „Eine komplette Werksrestaurierung kostet rund 500.000 Euro und dauert zwei Jahre. Ein Flügeltürer liegt schnell bei 650.000 Euro oder mehr“, erklärt Projektleiter Andreas Häberle in tiefstem Schwäbisch, „man könnte das auch in etwas mehr als einem Jahr durchboxen, aber wenn es perfekt sein soll, braucht es mit Rohkarosse und allem Drum und Dran eben einfach seine Zeit.“

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Das tat es auch beim blau-grauen Mercedes 300 SL, der nach seiner Teilnahme beim Concours d’Elegance käuflich zu erwerben ist. Die ersten Interessenten hat es in Monterey bereits gegeben.

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