Mobilität der Zukunft Was in autonomen Elektroautos alles möglich wird

Ein Garten im Auto – klingt absurd? Ist es aber nicht. Dank Elektromotoren können Autos künftig ganz anders gebaut, dank autonomem Fahren ganz anders genutzt werden. Wie die beiden Trends das Fahren umkrempeln werden.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Elektroautos zum wohnen. Quelle: PR

Noch kommt die automobile Zukunft etwas schüchtern daher. Teslas Model S tarnt sich im Straßenbild aller modernen Technik zum Trotz als klassische Limousine, das Model X erscheint als etwas plumpes SUV (wovon es auch einige Vertreter mit Verbrennungsmotor gibt) und ein e-Golf ist nur anhand von einigen LED-Streifen und Schriftzügen auf der Heckklappe und dem, was mal ein Kühlergrill war, als solcher zu erkennen.

Und auch das, was die deutschen Autobauer in den kommenden Jahren als den Durchbruch ihrer Elektro-Pläne sehen – also die Serienversionen des Mercedes EQ Concept, Audi e-tron oder Porsche Mission E – kommt zwar modern daher, aber keineswegs so futuristisch wie einige der Konzeptstudien, welche bereits auf verschiedensten Automessen gezeigt wurden.

Warum ist das so? Und wann kommt die automobile Zukunft wirklich auf der Straße an?

Wie sich die Autobauer den Innenraum der Zukunft vorstellen
Mercedes-Benz F 015 Luxury in Motion Quelle: Daimler
Mercedes-Benz F 015 Luxury in Motion Quelle: Daimler
Mercedes-Benz F 015 Luxury in Motion Quelle: Daimler
Mercedes-Benz F 015 Luxury in Motion Quelle: Daimler
Mercedes-Benz F 015 Luxury in Motion Quelle: Daimler
Toyota Concept-i Quelle: Toyota
Toyota Concept-i Quelle: Toyota

Stand heute sind in einem Auto mit Verbrennungsmotor viele Eckpunkte der Konstruktion vorgegeben: Irgendwo müssen die Ingenieure Platz für große Bauteile wie den Motor, Getriebe, Tank, den ganzen Abgasstrang mit vielen Rohren und Katalysatoren, und bei Heck- oder Allradantrieb auch eine Kardanwelle samt Differenzial mit einplanen. Und das alles noch an den richtigen Stellen platziert, damit Schwerpunkt und Gewichtsverteilung ein angenehmes Fahrverhalten ermöglichen.

Elektroautos bieten neue Möglichkeiten im Design

Ein Elektroantrieb ist da flexibler. Die Batterien werden meist so flach und tief wie möglich eingebaut, bilden gewissermaßen den Boden einer Elektroauto-Plattform. Zudem gibt es auch nicht einen großen Motor mit all seinen Nebenaggregaten, sondern je einen kleineren Elektromotor pro Rad oder Achse, je nach Auslegung. Kühlaggregate und die Steuerelektronik werden mit in die Fahrzeugplattform integriert. Und was dann auf diese Plattform aufgesetzt wird, folgt eben nicht mehr den technischen Vorgaben der Ingenieure, sondern der Fantasie der Designer (und Produktstrategen).

Nicht nur deshalb gehen Experten davon aus, dass es in Zukunft deutlich vielfältiger auf unseren Straßen zugehen wird. „Wir haben bereits heute unterschiedliche Fahrzeugklassen, die von den Kundengewohnheiten und -präferenzen geprägt sind – etwa Roadster, Vans oder SUV“, sagt Axel Schmidt, Geschäftsführer im Bereich Automotive bei der Unternehmensberatung Accenture. „Die werden nicht komplett verschwinden, sondern um neue Konzepte ergänzt werden, die wiederum ihrerseits unterschiedliche Kundenspektren abdecken.“

VW und Daimler geben unterschiedliche Ausblicke in die Zukunft

Zu den neuen Konzepten gehören Studien wie der VW Sedric oder Mercedes-Benz F015. Der Sedric, von Volkswagen am Vorabend des Genfer Autosalons im März präsentiert, ist eine Art vollautonomer Kleinbus, der die Möglichkeiten von Elektroantrieb und selbstfahrenden Autos aufzeigen soll. Der Wagen, der per Knopfdruck herbeigerufen wird, kommt ohne Lenkrad aus.

Ethische Grundregeln für autonome Autos

Der bereits 2015 vorgestellte F015 hat noch ein Lenkrad – nur muss es nicht immer benutzt werden. Ist der Wagen im Autopilot-Modus unterwegs, können die Sitze von Fahrer und Beifahrer gedreht werden, damit sich alle Insassen gegenübersitzen. So entsteht eine gemütliche Lounge oder ein Konferenzraum auf Rädern. Bei dem Stuttgarter Autobauer ist man sich sicher, dass die autonomen Autos der Zukunft einen neuen Typ Autofahrer hervorbringen wird – der eben nicht mehr unbedingt selbst fahren will. „Wir müssen uns heute schon fragen, welche Wünsche und Bedürfnisse die Menschen haben und wie man diese erfüllen kann“, sagte Anke Kleinschmidt, Chefin der Daimler-Konzernforschung, bei der Vorstellung des Concept Cars.

Neue Konzepte für Uber und Co

Während der Mercedes eher auf die Bedürfnisse von Privat- und Geschäftskunden ausgelegt ist, die ein Fahrzeug eher kaufen oder leasen, sieht Autoexperte Schmidt Fahrzeuge nach der Machart eines VW Sedric für einen ganz anderen Markt prädestiniert. „Bei den Mobilitätsdiensten werden wir eine große Vielfalt an Innenraumkonzepten sehen. In einigen Fällen brauche ich nur noch ein womöglich gesetzlich vorgeschriebenes Not-Lenkrad, bin aber ansonsten frei in der Gestaltung“, sagt der Accenture-Geschäftsführer.

„Es wird aber auch weiter den „klassischen“ Autofahrer geben, der auch künftig ein Auto mit einem konventionellen Innenraum und Fahrerlebnis haben will.“ Also jene Fahrer, die heute ein Tesla Model S und morgen womöglich einen Porsche Mission E fahren.

Gerade Porsche hat klar gemacht, dass es aus Zuffenhausen kein Auto ohne Lenkrad geben wird. Auch falls der Computer zwischendurch im Stau die Kontrolle übernehmen sollte, müsse ein Porsche auch immer den typischen Fahrspaß bieten, so der Tenor. Einen modernen Antrieb schließt das inzwischen nicht mehr aus. 2019 kommt die Serienversion des Mission E, jedoch unter einen anderen Namen. Einem Medienbericht zufolge soll Porsche-Chef Oliver Blume planen, die nächste Generation des SUV-Bestsellers Macan ab 2023 nur noch mit Elektroantrieb auf den Markt zu bringen.

Die fünf Stufen des automatisierten Fahrens

In den Elektro-Porsches wird es noch einigermaßen konventionell zugehen, weder Mission E noch ein E-Macan werden wohl drehbare Lounge-Sessel haben. Was bei Porsche noch der Sportwagen-Kundschaft geschuldet sein mag, ist bei anderen Herstellern für Frank Rinderknecht schlechtweg fehlender Mut. „Die Autoindustrie agiert inkrementell, nicht revolutionär“, sagt der Schweizer Automobildesigner. „Für einen radikalen Schritt braucht es Mut. Den sehe ich gerade aber nicht, deshalb zeigt sich auch bei den Neuwagen vor allem eine sanfte Weiterentwicklung.“

Ein Garten hinter der Windschutzscheibe?

Der Gründer der Schweizer Mobilitäts-Ideenschmiede Rinspeed, die mit seinen ungewöhnlichen Konzeptstudien auf dem Genfer Autosalon international einen Namen gemacht hat, gilt als Vordenker der Branche. „Wenn ich autonom unterwegs bin, kann ich mich von den Konventionen eines heutigen Autos lösen und das Konzept in Richtung einer Immobilie entwickeln“, beschreibt Rinderknecht seine Philosophie.

Veranschaulicht hat der Schweizer dieses Konzept in der Studie Oasis, die er erstmals im Januar auf der CES in Las Vegas gezeigt hatte. Der Wagen baut auf einer Elektro-Plattform von ZF auf, die von den kompakten Abmessungen und Eigenschaften (zum Beispiel ein extrem kleiner Wendekreis, der das Einparken erleichtern soll) voll auf die urbane Mobilität ausgelegt ist.

Die Antriebs-Plattform ist aber nicht das Wichtige an dem E-Auto-Konzept, sondern eben das, was Rinderknecht und seine Entwicklungspartner auf diese Plattform aufgebaut haben. Mit den extrem großen Fensterflächen wirkt der Innenraum freundlich und hell – ganz im Gegensatz zu dem verschlossen wirkenden Mercedes F015, bei dem die Fensterflächen auch als Bildschirm genutzt werden können. Das klappbare Lenkrad mutiert im Selbstfahrmodus zur mobilen Workstation, um auf dem Weg ins Büro schon einmal die Mails abrufen oder während der Fahrt zwischen zwei Terminen eine Videokonferenz abhalten zu können.

Mit der luftigen Gestaltung soll der Oasis aber nicht nur ein Büro auf Rädern werden, sondern vor allem großzügiges Wohnzimmer. Dazu sind nicht nur bequeme Sessel verbaut, in denen man auch gemütlich einen Film schauen oder anders entspannen kann, sondern auch ein kleiner Garten. Richtig gelesen, ein Garten im Auto. „Die Pflanzen hinter der Windschutzscheibe des Oasis war als Hingucker gedacht“, sagt Rinderknecht. „Das große Interesse des Publikums, aber auch gezielte Nachfragen aus der Industrie, waren dann doch überraschend.“

Wie lange hält ein autonomes Auto?

Die Autobauer sollten den Trend zu unkonventionellen Innenräumen nicht unterschätzen. Heute definieren sie sich über die Motorenbauart, ob die Zylinder in Reihe, einem V oder gegenüberliegend als Boxer-Motor angeordnet sind, mit oder ohne Turbolader. „Elektromotoren werden in allen Autos eine sehr ähnliche Charakteristik haben.

Der Antriebsstrang fällt also als markendifferenzierendes Merkmal weg“, sagt Axel Schmidt. „Deshalb wird dem Innenraum eine viel größere Aufmerksamkeit zukommen, wenn sich ein Mercedes von einem Audi oder BMW unterscheiden will.“

Doch dazu muss die Industrie erst einmal klären, was der neue Typ Autofahrer, den Daimler-Forscherin Kleinschmidt kommen sieht, von einem Auto und der Marke erwartet. Eine rasante Beschleunigung, besonders direkte Gasannahme oder ein messerscharfes Fahrverhalten werden es bei den Bewohnern von künftigen Megacities wohl nicht sein. „Für die Markenhersteller ist die Frage, ob im urbanen Raum Markenbilder wie „Freude am Fahren“ oder „Vorsprung durch Technik“ überhaupt noch tragen“, sagt auch Vordenker Rinderknecht.

In diesen Situationen möchten die Deutschen autonom fahren

„Durch die Möglichkeiten, die sich mit Elektroantrieben und dem autonomen Fahren auftun, wird eine Vielzahl an neuen Nutzern dazukommen, die wir uns heute noch nicht vorstellen können“, meint Accenture-Experte Schmidt. „Das wird aber nicht alles durch die Autobauer abgefangen, da wird es auch andere Player geben.“ Sprich: Unternehmen, die heute noch nicht in der Mobilitätsbranche unterwegs sind oder die es noch gar nicht gibt. Tesla hat beim Elektroantrieb gezeigt, wie neue Technologien die Einstiegshürden senken – ähnliches sieht Schmidt auch bei autonomen Autos kommen.

Die IT hält nicht lange genug

Eine Herausforderung, die Frank Rinderknecht auf alle Autobauer und künftigen Mobilitätsanbieter zukommen sieht, wird heute allerdings noch gar nicht diskutiert: Die Nutzungsdauer von autonomen Fahrzeugen. Im Schnitt wird in Deutschland ein Wagen nach 18 Jahren verschrottet, der Fahrzeugbestand ist laut dem Kraftfahrtbundesamt 9,3 Jahre alt. Das Problem: Autonom fahrende Autos sind in erster Linie Computer auf Rädern – und moderne IT hat eine deutlich kürzere Haltbarkeit. Haben Sie noch ein neun Jahre altes IT-Gerät, das fehlerfrei funktioniert und zu allen modernen Systemen kompatibel ist?

„Eine IT, die älter als fünf Jahre ist, kann nicht mehr so zufriedenstellend funktionieren, dass sie Menschen – zum Beispiel ihre Kinder – in einen fahrenden Computer setzen würden“, sagt Rinderknecht. „Da sehe ich einen großen Handlungsbedarf, neue Wege zu beschreiten.“

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%