Neue Automarke Lynk&Co Das Auto als Smartphone

Nachdem sich Landwind, Qoros und Brilliance die Finger verbrannten, kommt mit Lynk&Co ein Autobauer aus China, der ein Smartphone auf vier Räder stellen will – und sich schamlos an das Prinzip Airbnb anlehnt.

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Die Vorstellung des Lynk&Co 01 fand in Berlin statt. Quelle: REUTERS

Wer in der Autowelt etwas gelten möchte, der muss in Europa hell erstrahlen. Es ist genauso wie in Frank Sinatras Evergreen „New York, New York“. Wer es dort schafft, der schafft es überall. Und das New York der Autoindustrie liegt in Europa – sein schlagendes Herz Manhattan ist Deutschland.

Auch wenn viele chinesische Autohersteller die alte Welt in den vergangenen Jahren im Sturm erobern wollten: Jeder scheiterte. Manche wie Qoros sogar vor dem eigentlichen Marktstart.

Lynk&Co will als Ableger des chinesischen Geely-Konzerns die bisweilen 100 Jahre alten Konventionen und Ertragsmodelle der Automobilgeschichte revolutionieren – wie fast jeder derzeit in der Branche, die nicht weiß, wo ihr der Kopf steht. Als Neuling im Reigen der großen Toyota, Mercedes, Volkswagen oder BMW tut man sich da ein bisschen leichter, da verkrustete Strukturen fehlen und Fehler bisweilen verziehen werden.

Was das Volvo-SUV aus China bietet
Lynk&Co 01 Quelle: Lynk&Co
Lynk&Co 01 Quelle: Lynk&Co
Lynk&Co 01 Quelle: Lynk&Co
Lynk&Co 01 Quelle: Lynk&Co
Lynk&Co 01 Quelle: Lynk&Co
Lynk&Co 01 Quelle: Lynk&Co
Volvos Kompakt-SUV XC40 Quelle: Volvo

Bei der Namensgebung gab sich das derzeit noch überschaubar dimensionierte Lynk&Co Team rund um Marketing- und Vertriebschef Alain Visser (ehemals Manager bei Volvo, Ford und GM) immerhin Mühe einen Markennamen mit digitalem Hintergrund zu kreieren. „Lynk“ kommt vom Grundgedanken „link to the future“ und den Namensannex „& Co“ holte man sich aus den Lifestylegedanken, deren englischsprachige Begriffe wie connection, cool oder community allzu oft mit den Buchstaben „co“ beginnen. In der Aussprache soll das „&“ übrigens weggelassen werden, also „Lynkco“. Versteh das einer.

Der nächste Rohrkrepierer oder echte Marktchance?

Lynk&Co gibt sich alle Mühe, in erster Linie den Europäern zu gefallen und keine allzu großen chinesischen Animositäten aufkommen zu lassen. Immer wieder wird die Nähe zur Volvo unterstrichen. Die chinesische Marke selbst sei in ebenso in Schweden entworfen worden, wie das allemal ansehnliche Design, mit dem Modelle wie der SUV Lynk&Co 01 – entsprechend elektrisiert – am kommendem Jahr international auf Kundenfang gehen möchten. Produziert werden die Fahrzeuge in China und von hieraus verteilt.

Wird Lynk&Co der nächste chinesische Rohrkrepierer oder gibt es eine echte Marktchance? Wird Lynk&Co gar ein chinesisches Tesla? Schon wegen des niedrigen Preisniveaus wohl kaum, doch es gibt auch Parallelen. Alle Fahrzeuge werden mit einem Elektromodul ausgestattet; sind jedoch nicht nur mit Elektroantrieb verfügbar. Wenn es nächstes Jahr zunächst auf dem chinesischen Heimatmarkt losgeht, sind neben einem reinen Benzinermodell des 01 auch Elektro-, Hybrid- und Plug-In-Hybridvarianten geplant. In Europa gelten Diesel als gesetzt.

Das erste Modell, der 01, ist ein unspektakulärer, aber allemal gefälliger SUV aus der Feder von Chefdesigner Andreas Nielsson, der auf Volvo-Technik aufbaut. Die Proportionen des rund 4,50 Meter langen SUV sind eher klassisch. Motorhaube und Seitenlinie haben Charakterelemente, die auch von einem Porsche Cayenne stammen könnten. Die Überhänge sind kurz, die Schulterlinie ist kraftvoll ausgeformt. Das Dach läuft weich nach hinten in ein markantes, aber zerklüftetes Heck aus.

Der Wagen basiert der Compact Modular Architecture (CMA), die man sich mit Plattformgeber Volvo teilt, der hierauf ab kommendem Jahr seinen XC40 losschickt, um gegen BMW X1 oder Audi Q3 zu bestehen. Der Lynk&Co 01 startet zunächst mit aufgeladenen Drei- und Vierzylindermotoren in einem Leistungsspektrum von 150 bis knapp 200 PS und ist wahlweise mit Front- oder Allradantrieb sowie mit Sechsgang-Handschaltung oder Siebengang-Doppelkupplung zu bekommen.

Das Smartphone ersetzt den Schlüssel

Topmodell dürfte ein Plug-In-Hybride sein, dessen 180 PS starker Benzinmotor von einem 70 PS starken Elektromotor unterstützt wird und bis zu 210 km/h schnell ist. Sein Normverbrauch soll 1,5 Litern auf 100 Kilometern liegen. Die normalen Versionen verbrauchen zwischen knapp fünf und sechs Litern Kraftstoff. Die Plattform kann nicht nur konventionelle Antriebe und Hybride aufnehmen, sondern auch reine Elektroversionen mit entsprechenden Batteriepaketen, die in einer zweiten Welle folgen sollen.

Fahrzeugproduktion und -absatz in China seit 2008

Die Fahrzeuge aus dem Hause Lynk&Co werden dabei immer und überall mit der digitalen Welt verbunden sein. Jeder Fahrer – egal ob alleinigen Eigentümer oder Kurzzeitnutzer – bedient sich für zentrale Fahrzeugfunktionen seiner ganz eigenen Cloud. So wird das Fahrzeug per Smartphone geöffnet und gestartet; die wichtigsten Einstellungen übernehmen Fahrzeuge wie der Lynk&Co 01 dabei vollautomatisch mit dem Einsteigen. Sitze fahren in die gewünschten Positionen, Radiosender, Lieblingsmusik und Klimafunktionen werden ebenso wie Navigationsdaten aus den persönlichen Präferenzen übernommen.

Klassische Händler wird es nicht geben

Die chinesische Geely-Submarke Lynk&Co will seine potenziellen Kunden auf verschiedenste Arten locken. So kann man seinen 01 nur online oder bei kleinen Markenshops kaufen – echte Händler soll es nicht geben. Ein Land wie Deutschland könnte so mit 50 und 100 Shops abgedeckt werden, wo nicht nur die Fahrzeuge selbst, sondern in erster Linie die mobilen Dienste drum herum angeboten werden. Für die Wartung sind spezielle Servicepunkte ebenso denkbar wie ein Teil des Volvo-Händlernetzes.

Jedoch versprechen sich die Chinesen nicht nur in ihrem Heimatland einen signifikant ertragreiches Kuchenstück von Teilzeit-Nutzern, die ihr Auto nach der Fahrt am Straßenrand abstellen und ähnlich wie bei Mietmodellen von Car2go oder DriveNow anderen Nutzern zur Verfügung stellen.

Eine entsprechende App von Lynk&Co wird daher Dreh- und Angelpunkt bei der neuen Chinamarke. Wer sein eigenes Fahrzeug auch anderen nach dem Prinzip der Wohnraum-Vermietplattform Airbnb zur Verfügung stellen will, kann dies mit einem Share-Button einfach tun. Die interessierten Nutzer stellen dann eine Anfrage und der Eigentümer kann sie per Smartphone für eine Fahrt oder eine bestimmte Nutzungsdauer freischalten lassen. Die Abrechnung geschieht danach ebenfalls über die App.

Bei Kauf oder Miete ist ein Komplettangebot in Sachen Service inbegriffen. Fünf Jahre Garantie oder 150.000 Kilometer sollen beim potenziellen Interessenten ebenso für Sicherheit sorgen wie vermeintliche Bestwerte in den jeweils Crashversuchen. Bei aller Sicherheit will Lynk&Co will seine Kosten reduzieren, in dem die Möglichkeiten der Individualisierung minimiert werden. So wird es nur zwei – allerdings vergleichsweise gut ausgestattete – Modellvarianten geben, die nach Volvo-Vorbild mehr als einen Hauch Premiumcharme vermitteln sollen.

Mit genauen Informationen zu Preisen hält sich Lynk & Co erst einmal zurück. „Ein komplett ausgestattetes Premiumfahrzeug zum Preis eines Volumenmodells“, fabuliert Alain Visser. Heißt, ein Mittelklasse-SUV dürfte bei unter 30.000 Euro starten. Falls man den eigenen Lynk überhaupt kaufen oder mieten/leasen will.



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