Klar ist damit aber auch, dass der heute übliche Vertragshändler vielerorts zum Auslaufmodell wird. „Das Drehen einzelner Stellschrauben reicht nicht. Es geht um nichts weniger als die Daseinsberechtigung des Autohandels“, sagt Patrick Bendfeld, Referent beim Zentralverband des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes ZDK. Für ihn steht die Branche vor dem größten Umbruch in ihrer Geschichte. Das Internet ist nur einer der Treiber. Dazu kommen das Überangebot an Modellen sowie die immer noch schwache Nachfrage in Deutschland.
Den Händlern sind die Zigtausenden Eigenzulassungen der Hersteller ein Dorn im Auge. Durch sie schaffen die Marken den Sprung in publikumswirksame Statistiken. Aber eben diese Tageszulassungen direkt vom Hersteller fluten den Markt und verderben die Preise. So rechnet sich das Geschäft mit den Neuen für die Händler kaum noch.
Viele Autohäuser müssen ihr Geld mit Reparaturen und Wartung verdienen, um das Neuwagengeschäft zu subventionieren. „Wenn das Service-Geschäft nicht wäre, wären 80 Prozent der Händler heute schon pleite“, sagt Willi Diez, Professor und Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft (IFA) im schwäbischen Geislingen.
Doch auch dieses Standbein wackelt. Denn die Wartungsintervalle werden immer länger, die Kundenkontakte seltener und damit die Anlässe weniger, jemanden persönlich zu einem Verkaufsgespräch zu bekommen. „Am Ende wird sich der Handel völlig neu erfinden müssen“, prophezeit ZDK-Funktionär Bendfeld. Autohändler müssten zu umfassenden Mobilitätsberatern werden und neue Erlösquellen wie Carsharing erschließen.
Händler sind Marionetten der Hersteller
Noch steht dem die Konstruktion des hiesigen Autohandels im Wege. Die Krux liegt darin, dass die Händler auf dem Papier zwar selbstständige Unternehmer sind, in Wirklichkeit aber über weite Strecken wie Marionetten der Hersteller handeln müssen, die sie mit Vorgaben einengen. So geben Hersteller genau vor, wie viel Fläche der Händler zur Präsentation der Modelle zur Verfügung stellen muss oder wie die Übergabe an den Kunden abzulaufen hat.
Das schlägt direkt auf die Ausgaben für Baumaßnahmen und Personalschulung nieder. Erfüllt der Händler die Vorgaben nicht, bekommt er nicht den vollen Bonus. Und die Boni werden immer wichtiger. „Vor zehn Jahren noch betrug der Anteil der Boni an der Händlermarge von 17 Prozent zwei Prozentpunkte. Heute sind es acht Prozentpunkte“, sagt IFA-Chef Diez.
Geht es nach dem Händlerverband ZDK, braucht es ein neues Vertriebsmodell mit sogenannten Kommissionsagenten: Der Händler kauft dem Hersteller die Autos nicht mehr ab, sondern verkauft diese nur in dessen Namen. Der Hersteller gibt den Preis vor, der Händler darf selbst keine Rabatte gewähren – die Rabattschlacht hätte ein Ende.
Der Händler erhält für seine Verkaufsleistung, für die Kundenpflege und Probefahrten ein Entgelt. Der Hersteller trägt das Preisrisiko, der Händler gibt sich dafür exklusiv der einen Marke hin.
Kleine Importmarken buhlen um Händler in guten Lagen
Das könnten sich aber nur die starken Automarken leisten, meint Diez. Marken mit ein, zwei oder drei Prozent Marktanteil in Deutschland sind froh, überhaupt Händler in guten Lagen für sich zu gewinnen. In diese Kategorie fallen nach aktueller Statistik des Kraftfahrtbundesamts etwa Honda, Mazda, Kia, Citroën oder Fiat.
Das Beratungshaus PwC geht davon aus, dass bis 2020 von den aktuell 7800 Händlern in Deutschland nur 4500 übrig bleiben. Gleichzeitig wächst der Internet-Handel. Mobile.de etwa, das bei Gebrauchtwagen nahezu alle Händler im Lande und bei Neuwagen rund die Hälfte zu seinen Kunden zählt, meldet für seine Web-Site einen rasanten Anstieg der Nutzer, die Neuwagen suchen: binnen eines Jahres von 2,9 auf 4,0 Millionen.
Die Zahl der sofort verfügbaren Fahrzeuge hat sich auf 150.000 mehr als verdoppelt. Langfristig will mobile.de-Geschäftsführer Malte Krüger 30 Prozent des Umsatzes über Neuwagen erzielen.
Die bekannten Hersteller fahren aber erst einmal auf ihre neuen Erlebnis-Schuppen in prominenter Lage ab. Audi-Vertriebs- und Marketing-Chef Luca de Meo wird jedenfalls nicht müde, seine schier unglaubliche Geschichte aus der Audi-City in London zu erzählen: „Ein Herr kam herein, um nach dem Weg zum nächsten Zigarrenladen zu fragen. Er blieb zwei Stunden und ging als neuer Besitzer eines R8.“