Neuer Mercedes-Entwicklungschef Ola Källenius ist eine Entscheidung für die Zukunft

Daimler schickt Entwicklungsvorstand Thomas Weber zum Jahresende in den Ruhestand und befördert Kronprinz Ola Källenius auf den Posten. Der Personalwechsel ist keine Entscheidung gegen Weber, sondern für die Zukunft.

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Ola Källenius: Daimler stellt die Weichen für einen jüngeren Vorstand. Quelle: dpa

Dass der Vertrag von Vorstandschef Dieter Zetsche um drei Jahre bis Ende 2019 verlängert wird, ist kein Wunder. Schließlich ist Zetsches Kurs für die aktuellen Rekordzahlen maßgeblich – äußere Faktoren wie die konjunkturelle Lage bleiben natürlich außen vor.

Mit derzeit 62 Jahren ist Zetsche am Ende der Vertragsdauer im perfekten Alter, um seinen Spitzenposten im operativen Geschäft abzugeben. Nach ein oder zwei Jahren "Abkühlphase" könnte er dann den Aufsichtsratsvorsitz übernehmen – der aktuelle Chefkontrolleur Manfred Bischoff ist schon 74 Jahre alt. Ein Szenario wie gemalt, ohne Machtkämpfe und überstürzte Wechsel – die Konkurrenz schaut neidisch nach Stuttgart.

Deutlich interessanter ist eine andere Entscheidung: Der Aufsichtsrat bestellt zum 1. Januar 2017 den heutigen Vertriebsvorstand Ola Källenius zum Vorstand für die Daimler-Konzernforschung und zum Entwicklungschef der Autosparte Mercedes-Benz Cars. Thomas Weber, der die beiden Posten bislang inne hat, scheidet mit dem Auslaufen seines Vertrags Ende 2016 aus der Daimler AG aus. Über eine Nachfolge für den dann vakanten Posten des Vertriebsvorstands soll im Laufe des Jahres 2016 entschieden werden.

Der Personalwechsel im Vorstand ist aber keine Entscheidung gegen die Arbeit Webers. Der promovierte Maschinenbauer hat seit 2004 die Entwicklungsabteilung der damaligen Daimler-Benz AG geleitet. Technische Fehltritte haben sich die Stuttgarter in dieser Zeit kaum geleistet – das Elchtest-Debakel fand vor Webers Zeit statt. Auch die zu ihrer Zeit größten Rückrufaktion der Automobilgeschichte im Jahr 2005, als Mercedes 1,3 Millionen Exemplare der E-, CLS- und SL-Klasse wegen fehlerhaften Bremsen in die Werkstätten holen musste, ist nicht Weber anzulasten: Das elektrohydraulische SBC-Bremssystem wurde 2001 entwickelt – und 2006 von Weber bei der E- und CLS-Klasse wieder aussortiert.

Wie Daimler 2015 abgeschnitten hat

Unter Weber hat Daimler nicht nur die A-Klasse vollkommen neu aufgestellt, sondern auch mit den Neuauflagen von S-, C- und jetzt der E-Klasse in den jeweiligen Segmenten neue Maßstäbe gesetzt. Dabei ist Weber stets zwei Prämissen gefolgt:

  • Eine neue Technologie wird nur dann in ein Serienauto eingebaut, wenn sie zuverlässig funktioniert und die Vorteile überwiegen. Damit war man zwar oft etwas später dran als die Konkurrenz, hatte aber ein ausgereiftes System – um Fehler wie bei der SBC-Bremse zu vermeiden.
  • Weber hat sich aktiv gegen Touchscreen-Displays entschieden – was bei der Konkurrenz inzwischen gang und gäbe ist. Die Ablenkung sei zu groß, die Bedienung über einen Controller oder die Spracheingabe viel besser, hatte Weber stets betont. In Zeiten, in denen bei einer Modellpflege bereits die Bildschirmdiagonale des Touchscreens groß gefeiert wird, in den Augen mancher Kritiker wohl ein Manko.

Der Personalwechsel ist eine Entscheidung für die Zukunft. Weber ist 61 Jahre alt. Noch vor wenigen Wochen stand sogar eine Vertragsverlängerung im Raum, nachdem der Wunschkandidat für seine Nachfolge, Stefan Knirsch von Audi, im Zuge des Abgasskandals doch in Ingolstadt bleib und dort den Posten des Entwicklungschefs übernahm. Am Ende fiel die Entscheidung aber auf Källenius. Aus einem einfachen Grund: um seinen Werdegang bei Daimler zu vervollständigen.

Es ist der nächste Schachzug von Aufsichtsratschef Bischoff, damit der nächste Übergang 2019 ebenfalls so glatt läuft wie das Szenario für Dieter Zetsche: Dann muss natürlich auch ein neuer Vorstandsvorsitzender her, der 46-jährige Källenius ist der ausgemachte Kronprinz. An Benzin im Blut mangelt es dem gebürtigen Schweden keineswegs – neben dem wichtigen SUV-Werk in den USA hat er auch schon die Mercedes-Powersparte AMG geleitet. Auch heute lässt Källenius kaum eine Möglichkeit aus, das Formel-1-Team der Stuttgarter an der Rennstrecke zu besuchen.

Einen einzigen Makel – wenn man es so nennen will – hat sein Lebenslauf: Er ist kein Techniker. Källenius ist direkt im internationalen Management groß geworden, war seit den 1990er Jahren Teil des Daimler-internen Förderprogramms. Wenn er die Entwicklungsabteilung zwei Jahre lang ähnlich solide und erfolgreich wie zuletzt Weber führt, kann ihm kein Kritiker im Aufsichtsrat mehr vorwerfen, er habe den Kern der Autos und des Konzerns nicht verstanden. Die Chance hat er jetzt.

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Mercedes E-Klasse Quelle: Daimler
Mercedes E-Klasse Quelle: Daimler
Mercedes E-Klasse Quelle: Daimler
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Mercedes E-Klasse Quelle: Daimler
Mercedes E-Klasse Quelle: Daimler
Mercedes E-Klasse Quelle: Daimler

Für Daimler ist es auch eine Chance, den Generationswechsel entschieden voran zu treiben. Im Vertrieb hat Källenius bereits seine Spuren hinterlassen – ein vom Image teils angestaubter Konzern testete unter ihm den Direktverkauf von Autos über das Internet oder hat mit den Mercedes-me-Lounges ein vollkommen neues Händlerkonzept entwickelt. Stichworte wie Digitalisierung und Vernetzung werden Källenius auch auf seinem neuen Posten stets begleiten – egal ob im Handel oder im Auto selbst.

Ob der Vorstand wie angepeilt auch jünger und internationaler wird, hängt dann vor allem von der Neubesetzung des Vertriebsvorstands ab. Bis dahin wird Källenius das Bild prägen. Nach dem Vorbild Zetsches haben Dinge wie eine Krawatte im Daimler-Vorstand ohnehin ausgedient. Da passt es auch ins Bild, dass Källenius sich direkt mit dem Du vorstellt: "Hi, ich bin der Ola." Mit Weber, obwohl kein verschlossener Mensch, hätte es das nicht gegeben.

Statt den üblichen Floskeln in der Pressemitteilung hätte Aufsichtsratschef Bischoff auch schlicht sagen können: "Danke Herr Weber – hi Ola!" Und es wäre alles gesagt gewesen.

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