VW-Chef Herbert Diess und der Dieselskandal. Das ist eine Geschichte, die das Zeug zum Drehbuch hat.
Und so geht sie: 2014 will Diess unbedingt Vorstandschef des Münchner Autokonzerns werden. Er unterliegt im Rennen um den Chefposten seinem Vorstandskollegen Harald Krüger, macht auf dem Absatz kehrt und heuert als Chef der Konzernmarke VW an.
Auch in Wolfsburg kennt Diess nur ein Ziel: Chef des Konzerns zu werden. Dieselgate, so scheint es, muss er nicht fürchten, weil er zur Zeit der Betrügereien noch gar nicht bei VW war.
In der vergangenen Woche gelingt dem Ex-BMW-ler schließlich der Sprung an die Spitze von Volkswagen. Doch nur wenige Wochen zuvor ist bei seinem alten Arbeitgeber ein schwerwiegendes Abgasproblem aufgeflogen, das ihm zum Verhängnis werden könnte. Wie bei VW könnte es auch bei BMW illegale Softwaremanipulationen gegeben haben – und das exakt in der Zeit, als Diess bei BMW die Verantwortung für Forschung und Entwicklung trug. Es ermittelt inzwischen die Staatsanwaltschaft.
Könnte also auch Diess über Dieselgate stolpern? Ausgerecht der Mann, der vom früheren VW-Patriarchen Ferdinand Piëch auch deshalb zu VW geholt wurde, weil er unbelastet schien von irgendwelchen Abgasskandalen?
Es war im Jahr 2014, als sich in der Produktion des BMW-Konzerns merkwürdige Dinge zutrugen. Tausenden Dieseln der 5er- und 7er-Reihe soll eine falsche Motorsteuerungssoftware verpasst worden sein – aus Versehen, wie BMW heute behauptet. Durch diese Software sind die Emissionen der Autos höher, als von BMW offiziell angegeben. 11.500 Fahrzeuge des sportlichen Mittelklassemodells M550d und des BMW-Flaggschiffs 750d sollen nach bisherigem Stand betroffen sein.
Die Abgase der beiden Modelle wurden mit einem sogenannten Speicherkatalysator gefiltert. Diese Katalysatoren sammeln schädliche Stickoxide und müssen in regelmäßigen Abständen „freigebrannt“ werden. Bei dieser Regenerierung werden die angesammelten Schadstoffe chemisch umgewandelt und verbrannt. Nur wenn der Katalysator ständig regeneriert wird, behält er seine Wirkung. Doch die Diesel-Autos mit der fehlerhaften Software regenerierten möglicherweise statt alle zwei nur alle 20 bis 30 Minuten, wie „Auto Bild“ unlängst berichtete.
Zur Person: Herbert Diess
Herbert Diess wurde am 24. Oktober 1958 in München geboren. Trotz seines Geburtsortes ist Diess österreichischer Staatsbürger.
1977 begann Diess ein Studium der Fahrzeugtechnik an der Fachhochschule München. Nach nur einem Jahr wechselte er an die TU München und studierte fortan Maschinenbau. Nach dem Abschluss als Diplom-Ingenieur 1983 arbeitete er fünf Jahre als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU, 1987 promovierte er zum Dr. Ing. auf dem Gebiet der Fertigungstechnik.
1989 zog es Diess nach Stuttgart zur Robert Bosch GmbH, wo er an Planung eines neuen Werks arbeitete. Von 1990 bis 1993 leitete er Planung und Instandhaltung des Bosch-Werks Trento in Spanien, 1993 wurde er zum Technischen Geschäftsführer des Werks befördert. Diese Stelle hatte er bis 1996 inne.
1996 kam Diess zu BMW, zunächst als Leiter der Langfrist- und Strukturplanung. Über verschiedene Stationen (unter anderem die Leitung der Werke in Birmingham und Oxford und der BMW-Motorradsparte) wurde er 2007 in den Vorstand berufen. Dort war er bis 2012 für die Ressorts Einkauf und Lieferantennetzwerk verantwortlich, bevor er die Position des Entwicklungsvorstands übernahm. Diese Funktion hatte er bis zu seinem Ausscheiden bei BMW im Dezember 2014 inne.
Im Dezember 2014 wurde bekannt, dass Diess nach Wolfsburg wechselt. Zum 1. Juli 2015 übernahm er als Mitglied des Vorstands die Führung der Marke VW. Im Juni 2016 wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Braunschweig gegen Diess im Zuge des VW-Abgasskandals wegen des Verdachts der Marktmanipulation ermittelt.
Im Februar 2015 wurde Diess zum Mitglied des Aufsichtsrats bei Infineon bestellt.
War diese Abgasmanipulation wirklich nur ein Versehen? Oder manipulierte BMW die Autos, weil sie auf legalem Weg keine guten Abgaswerte geschafft hätten?
Dass bei so leistungsstarken Autos wie der 5-er und 7er-Reihe von BMW ein Speicherkatalysator ausreichen soll, überraschte Experten schon bei der Markteinführung 2012. Standard wäre bereits damals eine modernere und effektivere Reinigung mit Harnstoffeinspritzung (AdBlue) gewesen. Doch BMW sah es anders: Auch ganz ohne den Aufwand einer AdBlue-Reinigung schafften die Autos die strenge Euro-6-Schadstoffnorm, verkündeten die Bayern bei der Markteinführung voller Stolz.
Sich die Kosten einer moderneren Abgasreinigung zu sparen, wäre ein Motiv gewesen für BMW, mit der Software zu tricksen. Ein weiteres mögliches Motiv wäre der CO2-Ausstoß der Fahrzeuge: Das Regenieren des Speicherkatalysators verbraucht Sprit – je seltener regeneriert wird, umso geringer ist der Spritverbrauch und der damit einhergehende CO2-Ausstoß.