Auf dem riesigen Parkplatz vor dem GM Werk in Orion, etwa 25 Meilen nördlich von Detroit, parkt im eisigen Dezemberwind noch die automobile Gegenwart: Geräumige Vans und SUV zumeist, auch ein paar Benziner-Limousinen, haben die Fabrikarbeiter und Ingenieure des GM-Autowerks hier während ihrer Schicht abgestellt.
Fast verschämt ducken sich ein paar kleine E-Autos unter die vielen V6- und V8-Karossen: Acht funkelnagelneue Opel Ampera-e – vier dunkelblaue, vier in Metallic-Orange – glitzern frisch gewaschen, gewachst und gesaugt im klaren Winterlicht.
Sie sind die erste Vorhut der automobilen Zukunft, die drinnen ab Januar in Serie von den Bändern laufen soll.
Das Werk in Michigan wird die ersten Modelle der neuen GM-Elektro-Offensive bauen. Es bekam den Vorzug vor Rüsselsheim und den anderen europäischen Werken. Die Vorbereitungen für den neuen Elektro-Hoffnungsträger der Opel-Mutter laufen auf Hochtouren: den voll Batterie-betriebenen (BEV) Chevrolet Bolt und den baugleichen Opel Ampera-e, wie er in Europa heißen wird.
Flexibel in die Fertigung geschleust
„Da GM bereits drei andere Kleinwagen für den nordamerikanischen Markt hier in Orion baut, können wir die Opel Amperas und Chevy Bolts sehr effizient in die ohnehin laufende Produktion einfließen lassen, und so die Produktion der Nachfrage flexibel anpassen“, erklärt Ralf Hannappel, Director Electrification Europe bei Opel, der das Auto mit seinem Team mitentwickelt hat.
Der Clou: Werden viele Ampera-e und Bolt bestellt, laufen sie einfach auf den selben Bändern wie die Verbrenner-Kleinwagen Chevrolet Sonic Hatchback und Sonic Sedan sowie Buick Verano mit.
An einer fest definierten Stelle im Fertigungsprozess, an der sonst der Benzin-Antriebsstrang (Motor, Getriebe, Tank und Auspuff) in das Chassis gebaut wird, kommen in Orion einfach Batterie, Einganggetriebe und E-Motor ins Fahrgestell – alle anderen Fertigungsprozesse bleiben davon unberührt. Anders etwa bei BMW, das für seinen i3 und i8 ein eigenes Werk in Sachsen gebaut hat.
Rund 260 Millionen Dollar hat GM in den vergangenen zwei Jahren in das 32 Jahre alte 400.000-Quadratmeter-Werk investiert, das während der Pleite 2009 von der Schließung bedroht war, allein 160 Millionen davon letztes Jahr in neue Werkzeuge für die E-Autos Bolt und Ampera-e.
GM verspricht sich viel von den neuen E-Autos
Das Werk in Orion gehört zu den größeren der Welt und ist hochautomatisiert. Es kann pro Jahr bis zu 170.000 Autos bauen. Weiterer Standort-Vorteil: Gleich nebenan, im Städtchen Warren, hat GM seine Batterie-Kompetenz im globalen Testlabor gebündelt.
General Motors, das pro Jahr fast zehn Millionen Autos baut, bisher fast ausschließlich Verbrenner, verspricht sich viel vom neuen Voll-Elektro-Auto. Das verfügt, anders als Hybride, über keinerlei Verbrennungsmotor mehr. Ab Januar sollen hier Ampera-e und Chevrolet Bolt in Massenproduktion gehen und der E-Mobilität zum Durchbruch im Mainstreamsegment verhelfen. So, wie das Konkurrent Tesla im Luxuscluster vorgemacht hat.
Realistische 400 Kilometer rein-elektrisch für 30.000 Dollar
Die Voraussetzungen dafür hätte der Opel respektive Chevrolet: Knapp 500 Kilometer Reichweite pro Akkuladung – nach Laborstandard, realistisch sind bei zurückhaltender Fahrweise um die 400 – zu einem Preis von wahrscheinlich rund 30.000 Euro (den genauen nennt Opel noch nicht) soll das 4,17 Meter lange Kompaktmodell bieten. Damit wäre das Duo Opel/Chevrolet aus dem Stand das reichweitenstärkste Voll-E-Auto außerhalb der Tesla-Welt, in die man nach wie vor über 70.000 Euro Eintrittsgeld bezahlt.
Dazu gibt es ein für E-Autos in dieser Preisklasse mehr als reichhaltiges Platzangebot auf allen fünf Sitzen, E-Auto-typische (und Mittelklasse-untypische) rasante Beschleunigung und, dank der schweren Batterie im Fahrzeugboden, eine enorm fehlerverzeihende und rasante Straßenlage. Entwickler-Chef Hannappel führt sie mit Genuss vor, in dem er mit Tempo 50 in rasante Links-Rechts-Kombinationen wedelt, dass die Mitfahrer auf dem Rücksitz übereinander purzeln. „Die Batterie übernimmt durch ihre Lage im Unterboden auch Funktionen der Fahrzeugstatik. So liegt der Schwerpunkt extrem tief und das Auto kippt auch bei enormen Fliehkräften nicht um“, sagt Hannappel.
Neuzulassungen von Elektroautos in Deutschland 2009-2015
Im Jahr 2009 wurden in Deutschland 162 Elektroautos zum ersten Mal zugelassen.
Quelle: Kraftfahrt-Bundesamt
Im Jahr 2010 wurden in Deutschland 541 Elektroautos zum ersten Mal zugelassen.
Im Jahr 2011 wurden in Deutschland 2.154 Elektroautos zum ersten Mal zugelassen.
Im Jahr 2012 wurden in Deutschland 2.956 Elektroautos zum ersten Mal zugelassen.
Im Jahr 2013 wurden in Deutschland 6.051 Elektroautos zum ersten Mal zugelassen.
Im Jahr 2014 wurden in Deutschland 8.522 Elektroautos zum ersten Mal zugelassen.
2015 stieg der Elektroauto-Absatz auf 12.363 Exemplare. Für das Ziel von einer Million Elektroautos bis 2020 ist das weiter viel zu wenig. Der Bestand liegt derzeit bei rund 19.000 Elektroautos.
Gespart haben die GM-Designer dagegen am Kofferraum: Der ist reichlich kurz geraten und erlaubt den Transport sperriger Gegenstände nur bei umgeklappten Rücksitzen. Aber immerhin: Zusammen mit dem zweiten Staufach im vorderen Bereich bietet der Elektroflitzer ein Gütervolumen von 381 Litern. Annehmbar. Auch das Design ist im Vergleich zu Tesla und Renault noch eher konventionell: Der Ampera-e verfügt noch über traditionelle Armaturen und einen Schalthebel mit vier Positionen (wie bei einem Automatik-Verbrenner): Start, Rückwärts, einen City- und einen Langstreckengang.
Um den Skeptikern etwas Wind aus den Segeln zu nehmen, will GM, wie Tesla, acht Jahre Garantie auf den Akku geben – allerdings ist sie auf eine Laufleistung von 100.000 Meilen (ca. 160.000 Kilometer) begrenzt.