Opel Autobauer ist auf dem Weg in die Gewinnzone

Schafft Opel nach 17 verlustreichen Jahren die Rückkehr in die Gewinnzone? Experten sehen gute Chancen, dass die General-Motors-Tochter dieses selbstgesteckte Ziel 2016 erreicht.

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"Umparken im Kopf" - Wenn Firmen neugierig machen wollen
„Umparken im Kopf“Die Welt ist voller Missverständnisse – das greift die Werbekampagne „Umparken im Kopf“ auf ihren zahlreichen Plakaten in deutschen Innenstädten auf: „Aus Sicht der Physiker kann die Hummel unmöglich fliegen – Der Hummel ist das egal“ heißt es auf dem einen Plakat, auf dem anderen  „68 Prozent der Männer halten rothaarige Frauen für  feuriger – 90 Prozent davon haben noch nie eine kennen gelernt.“ Die dazugehörige Internetseite zeigt Videos von Prominenten, die sich über Vorurteile aufregen. Das werbende Unternehmen dahinter kommt nicht zum Vorschein. Dabei handelt es sich um eine sogenannte „Teaser“—Kampagne, die Neugier wecken will. In solchen Fällen folgt meist eine Auflösungs-Kampagne, die klar stellt wer oder was dahinter steckt. Hierbei soll es der angeschlagene Autobauer Opel sein, der dies jedoch nicht bestätigt. Werbeexperte Ronald Focken sieht darin einen Versuch, Opel von seinem staubigen Image zu befreien: „Opel hat seit seiner Neuaufstellung gute Kampagnen gemacht, aber konnte mit den herkömmlichen Werbemechanismen nicht von den alten Vorurteilen loskommen“, sagt der Geschäftsführer der Münchner Werbeagentur Serviceplan, die nicht in der Opel-Kampagne involviert ist. Solche Neugier weckenden Kampagnen lohnen sich immer dann, wenn es darum geht, eine alte Marke neu zu entdecken, oder neue Marken vorzustellen. Dies zeigen folgende Beispiele. Quelle: Screenshot
Ich bin ON Quelle: imago/Enters
Don't be a Maybe Quelle: imago / steinach
Daewoo und DuSchon 1995 bediente sich der südkoreanische Autohersteller Daewoo einer Teaser-Kampagne, um sich den deutschen Kunden vorzustellen. Die damals unbekannte Automarke bewarb sich, indem rote Lippen vor weißem Hintergrund eingängig „Daewoo! Daewoo und Du! Daewoo und Du, eine Freundschaft beginnt!“ sangen. Die Stimme dahinter kam von Popstar Jennifer Rush. Daraufhin wurde der Text eingeblendet: „Wenn Sie wissen wollen, wer oder was sich hinter Daewoo verbirgt, rufen Sie bis zum 27.02.1995 an und gewinnen Sie eine Reise nach Fernost.“ Auch hier sollte die Neugier wieder für eine ganze Marke geweckt werden, erklärt Ronald Focken von der Werbeagentur Serviceplan. „Wegen ihrer hohen Kosten gibt es Teaser-Kampagnen meist nie für einzelne Produkte, sondern immer für ganze Markenauftritte.“ Grundsätzlich gehen solche Kampagnen zurück – vor allem sind sie nicht mehr in dem großen Ausmaß zu finden, wie bei E.On 2002. Opel ist aktuell etwa mit weniger Plakaten vertreten und setzt stattdessen stärker aufs Internet.  „Marketingchefs haben heutzutage gar nicht mehr das Budget, in eine Kampagne mit so vielen Plakaten und Printanzeigen zu investieren, die letztlich nur Neugier schaffen soll.“ Quelle: Screenshot

In den vergangenen drei Jahren hat Opel-Chef Karl-Thomas Neumann seine Ausdauer gut gebrauchen können. In seinem wichtigsten Rennen ist der Marathon-Läufer aber noch längst nicht am Ziel, nämlich den einstmals stolzen Autobauer mit dem Blitz wieder profitabel zu machen. Nach dem schon von seinem Vorgänger verkündeten Plan soll Opel in diesem Jahr in die Gewinnzone zurückkehren - nach Jahrzehnten des Niedergangs mit Milliardenverlusten und schmerzhaften Schrumpfprozessen.

Dem übermächtigen Konkurrenten Volkswagen konnte die Europa-Tochter des US-Konzerns General Motors schon seit Jahrzehnten nicht mehr folgen, doch spätestens mit dem früheren VW-Manager Neumann ist die Hoffnung nach Rüsselsheim zurückgekehrt. „Umparken im Kopf“ lautete die Überschrift der Image-Kampagne, mit der Marketing-Chefin Tina Müller erfolgreich die Vorurteile über die allzu altbackene Marke aufs Korn genommen hat.

An Gewinne können sie sich in Rüsselsheim kaum noch erinnern. 1999 hat Opel letztmals schwarze Zahlen zum GM-Konzernergebnis beigetragen, zehn Jahre später wollte die selbst in Schwierigkeiten geratene US-Mutter ihre hässliche Europa-Tochter eigentlich nur noch loswerden.

Trotz höchster politischer und gewerkschaftlicher Rückendeckung scheiterte der Verkauf an das österreichisch-russische Konsortium Magna/Sberbank, und GM nahm das Schicksal der bereits 1929 erworbenen Tochter doch noch in die eigene Hand. Schmerzhaften Einschnitten mit Werksschließungen in Antwerpen und Bochum folgt nun der Wiederaufstieg.

Nach Einschätzung des Auto-Experten Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft Bergisch Gladbach hängt einiges an der Persönlichkeit Neumanns, der bei den GM-Managern in Detroit mit Mary Barra an der Spitze Vertrauen erzeugt habe.

Zehn Opel-Klassiker, die aus Bochum kamen
Im September 1963 feiert das Rekord „A“ Coupé Premiere. Einen Monat später startet das hier abgebildete Kadett „A“ Coupé mit 48 PS starkem 1,0-Liter-Motor. Gegenüber der Kadett Limousine bietet das Coupé 20 Prozent mehr Leistung  Quelle: Presse
1965: Im September feiert der Opel Kadett „B“ als Limousine, Caravan und Coupé Weltpremiere. Das flach abfallende Coupé-Heck erinnert an die Fastback-Modelle aus den USA und soll laut Opel schon im Stand Kraft und Geschwindigkeit suggerieren. Quelle: Presse
1965: Neues Opel-Flaggschiff wird das Diplomat V8 Coupé mit Karosserie von Karmann. Im Coupé debütiert ein 230 PS-V8-Triebwerk, das erst ein Jahr später für die Limousine lieferbar wird. Abgesehen vom Mercedes 600 avanciert der Diplomat so zum leistungsstärksten Serienautomobil aus deutscher Produktion. Quelle: Presse
1965 hatte Opel auf der IAA in Frankfurt die Studie Experimental-GT als Vorbote des zweisitzigen Sportcoupés Opel GT präsentiert. 1968 ist es endlich soweit: Die Produktion für den GT läuft an. Beworben wird die "Corvette des kleinen Mannes" später mit dem Spruch "Nur Fliegen ist schöner". Quelle: Presse
Ein besonderer Imageträger wird ab März 1970 das 150 PS starke Commodore GS/E Coupé mit D-Jetronic-Einspritzung. Quelle: Presse
1973: Im August debütiert der Kadett "C". Ab Herbst 1975 auch als GT/E Coupé mit 105 PS Leistung und schwarzgelber Kriegsbemalung. Heute ein gesuchter Klassiker. 1976 sorgte Walter Röhrl sorgt mit einem 220 PS leistenden Kadett "C" Coupé bei der Rallye Monte Carlo für Furore Quelle: Presse
1975 debütiert auf der IAA die zweite Generation des Manta, der erst jetzt zur ernstzunehmenden Sportwagenalternative wird, und u.a. gegen den Ford Capri antritt. 1978 kommt der Manta CC mit Heckklappe zur Auslieferung. Zehn Jahre später, 1988 läuft der letzte Manta vom Band. Quelle: Presse

Unverdrossen tragen die Amerikaner seit Jahren die Verluste mit, stellen immer neue Dollar-Milliarden für weitere Investitionen zur Verfügung. Ergebnis ist eine mit 2,9 Jahren Durchschnittsalter extrem junge Angebotspalette. Das wichtigste Opel-Modell Astra ist in der neuen Kombi-Ausführung gerade zu den Händlern gerollt, insgesamt liegen für das „Auto des Jahres 2016“ schon 150.000 Bestellungen vor.

Opel ist bislang auch gut durch die von Volkswagen ausgelöste Diesel-Krise gekommen. Neumann kämpft für den CO2-günstigeren Diesel, ist aber deutlich weniger abhängig von dieser Motorenart als die Konkurrenz. Nur rund 40 Prozent der aktuell verkauften Opels haben einen Selbstzünder an Bord, der herkömmliche Otto-Motor ist auch wegen des hohen Kleinwagenanteils eher die Wahl der Kunden.

Im ersten Quartal zogen die Opel-Verkäufe an

Das allerdings wird sich ändern, denn auch Nachzügler Opel setzt bei seiner Modell-Offensive vor allem auf bullige SUV-Modelle in allen Größen, die bevorzugt mit durchzugstarken Diesel-Motoren bestückt werden. Hier sollen aufwendige Harnstoff-Katalysatoren (Ad-Blue) die gefährlichen Stickoxide binden.

Dass Opel vor allem in neue Geländelimousinen investiert, ist nach Bratzels Überzeugung der richtige Weg. Zwar wisse niemand, wie lange der Boom mit den Großautos noch laufe, doch die Nachfrage sei inzwischen so bestimmend, dass jeder Hersteller ihr nachkommen müsse.

Auto-Werbung, die die Deutschen nicht kapieren
Die Kölner Agentur Endmark hat das Verständnis englischsprachiger Werbesprüche in der Autobranche untersucht. Dafür wurden rund 1000 Personen im Alter zwischen 18 und 59 Jahren befragt. Fiat wirbt mit "Simply more" - "Einfach mehr" und erreicht damit satte 72 Prozent der Probanden. Ein skurriler Übersetzungsversuch lautete etwa: "Ein einfaches Morgen". Quelle: Screenshot
59 Prozent der Probanden konnten mit Hondas "Power of Dreams" - "Die Kraft der Träume" etwas anfangen. Doch es gab auch skurrile Übersetzungsversuche wie: "Das Puder der Träume". Quelle: Screenshot
In Sachen Verständlichkeit ebenfalls noch ganz gut dabei ist Peugeot. Immerhin 58 Prozent der Befragten verstanden den Slogan "Motion & Emotion" richtig. Gemeint ist "Bewegung und Gefühl". Einige Probanden übersetzten die Werbebotschaft aber auch als "Motoren mit Gefühlen" oder, besonders schön: "Umzug mit Gefühl". Quelle: Screenshot
"Drive the Change" heißt es bei Renault. Das verstehen schon wesentlich mehr Menschen nicht richtig. Nur jeder Dritte verstand die Botschaft "(Er)fahre die Veränderung" richtig. Skurrile Fehldeutungen waren etwa: "Fahre mit Wechselgeld" oder "Wechsel den Fahrer". Quelle: Screenshot
Jaguars Werbebotschaft "How alive are you?" - "Wie lebendig bist du?" verstehen 25 Prozent der Befragten. Einige schlugen stattdessen als Übersetzung "Wie überlebst du?" vor. Quelle: Screenshot
Auch bei dem Werbeslogan für das Jaguar Coupé XK hatten die Deutschen so ihre Probleme. "Life by Gorgeous" konnten jedenfalls nur acht Prozent der Befragten richtig übersetzen. Statt "Leben auf prächtige Art" übersetzten viele "Leben in Georgien" oder "Leben bei George". Laut der Jaguar-Pressestelle habe man mit der Botschaft allerdings auch gar nicht die breite Bevölkerung, sondern nur einen elitären Kreis erreichen wollen. Quelle: REUTERS
Hyundai hätte sein "New Thinking. New Possibilities" gerne als "Neues Denken. Neue Möglichkeiten" verstanden. Den Gefallen tun dem Autobauer aber nur 24 Prozent der Befragten. Andere versuchten es mit "Neu gedacht. Neue Besitztümer." Quelle: Screenshot

Nach Einschätzung des Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer vom Car-Center der Universität Duisburg-Essen profitiert Opel bei weiteren Zukunftsthemen stark von der Konzernmutter GM. „Die ganzen Themen wie Vernetzung, autonomes Fahren, Carsharing und so weiter kommen alle aus den USA und können kostengünstig auf hiesige Verhältnisse übersetzt werden“, sagt der Auto-Professor.

Am deutlichsten zeigt sich das bei der Elektromobilität: Opel lässt im kommenden Jahr das vollelektrische US-Modell Chevrolet Bolt als Ampera-E auf den Europamarkt rollen.

Trotz des politisch bedingten Rückzugs vom russischen Markt, der pro Jahr für rund 80.000 Verkäufe gut war, hat Opel seine europaweite Produktion 2015 auf 1,14 Millionen Autos gesteigert und auch im ersten Quartal 2016 zogen die Opel-Verkäufe weit stärker an als im Gesamtmarkt.

Das schafft auch Arbeitsplätze: Gesamtbetriebsratschef Wolfgang Schäfer-Klug hat bereits die Rückkehr zum Dreischichtbetrieb im Rüsselsheimer Stammwerk angekündigt. Von Ende 2013 bis 2019/2020 entstünden dort mehr als 3000 Arbeitsplätze, mit denen der Verlust von rund 2700 Jobs im Rahmen der Restrukturierung mehr als wett gemacht werde. Insgesamt beschäftigt Opel in Europa etwa 35.600 Mitarbeiter.

Dudenhöffer sieht Opel „sportlich unterwegs“ auf dem Weg in die Gewinnzone. 2015 hatten die Europäer allerdings noch einen Verlust von 813 Millionen Dollar (744 Millionen Euro) in Detroit abgeliefert. Doch Opel/Vauxhall habe sich rechtzeitig aus Russland verabschiedet und leide 2016 auch nicht mehr unter den Kosten für die Werkschließung in Bochum. Ein Millionengewinn und damit mehr als die schwarze Null sollte in diesem Jahr drin sein, sagt der Experte. Erste Hinweise geben die für Donnerstag angekündigten Zahlen fürs erste Quartal.

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