Denn auf den ersten Blick scheint der mögliche Deal vor allem für die amerikanische Muttergesellschaft Sinn zu ergeben. Nicht nur wilden Gerüchten zufolge, die sich derzeit in Rüsselsheim ausbreiten: GM, tönt es, wolle den Arbeitnehmern bloß drohen, damit diese harte Einschnitte mittragen würden.
Der Rückzug von GM aus Europa deutete sich spätestens Anfang Dezember an. In einem Treffen mit Analysten der großen US-Banken erklärte Finanzvorstand Chuck Stevens, der Konzern sei bereit für einen „signifikanten Strategiewandel“, erinnert sich ein Teilnehmer. GM, so die Ankündigung, wolle seine Investitionen überprüfen: weg von den Verlustbringern, hin zu den Produkten und Märkten, die höhere Gewinne versprechen.
Anders als vor einigen Jahren, als zum vorerst letzten Mal Verkaufspläne kursierten, scheint aus GM-Sicht eine Trennung auch praktikabel. Damals ließ GM die Gespräche kurz vor dem Abschluss platzen – aus Angst, Patente aus dem Entwicklungszentrum in Rüsselsheim könnten in russische Hände fallen, weil die Sberbank zum Bieter-Konsortium gehörte. „Diese Sorgen existieren heute nicht mehr, da GM insbesondere in der E-Mobilität, dem Zukunftsfeld der Branche, die Technologie bereitstellt – nicht Opel“, heißt es aus dem Umfeld des GM-Konzerns.
Die strategisch wichtige Batterieforschung sowie die gesamte restliche E-Auto-Expertise hat GM in Warren in Michigan gebündelt. Das mag die Trennung für GM leichter machen. Stellt aber umso dringender die Frage nach der Zukunftsfähigkeit eines PSA-Opel-Konzerns. Opel hat erst vor wenigen Wochen sein erstes reines Elektroauto präsentiert, den Ampera-E, das erste massenmarkttaugliche reine Elektroauto. Das Auto wurde aber hauptsächlich in den USA von GM entwickelt und wird dort gebaut. Auch PSA liegt in der E-Mobilität hinter den Amerikanern zurück. Ein Batterieauto ist nicht vor Ende 2019 zu erwarten.
Das mag man noch als Zukunftsprobleme abtun. Ein ganz akutes ist der aktuelle Opel-Kassenschlager, der Mini-SUV Mokka. Der kleine Geländewagen verfügt über die höchsten Zuwachsraten aller Opel-Modelle. Er wird aber von GM-Südkorea gebaut. Auch das als Firmenwagen erfolgreiche Modell Insignia basiert auf GM-Technik. Ob PSA-Opel diese wichtigen GM-Modelle weiter vertreiben darf, dürfte Teil der Verhandlungen sein.
Und so bleiben nach dem Überraschungsangriff auf Opel viele Fragen und eine Gewissheit: Sollte die Übernahme klappen, spricht sehr wenig dafür, dass sich Opel in seiner bisherigen Form retten lässt. Damit wäre freilich auch eines der Hauptproduktversprechen Opels der vergangenen Jahre perdu: Als Marketingvorständin Tina Müller vor einiger Zeit das Model Claudia Schiffer für Opel werben ließ, sagte Müller: „Schiffer steht für Erfolg, Perfektion und Eleganz.“ Kurz: für Qualität aus deutschen Landen. Das habe sie mit Opel gemein. „It’s a German“, sagte Schiffer dann auch am Ende des Spots. Das gälte in Zukunft nicht.
Immerhin an einer Stelle dieses ganzen Geschäfts gibt es Klarheit statt Problemen: Die EU-Fusionskontrolle dürfte bei einer Übernahme nicht eingreifen. Der Marktanteil der beiden Autobauer ist einfach zu klein. Dass das in diesen Tagen schon als gute Nachricht gilt, sagt auch etwas aus.