Opel-Gesamtbetriebsrat "Großteil der Verluste in Abfindungen geflossen"

Der Chef des Opel-Gesamtbetriebsrates Wolfgang Schäfer-Klug kritisiert die Opel-Mutter General Motors (GM). Sie habe Investitionen in die Werke versäumt und dem Opel-Management einen Maulkorb verpasst. Ärger droht.

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Wolfgang Schäfer-Klug ist seit 2012 Chef des Opel-Betriebsrats. Quelle: Presse

WirtschaftsWoche Online: Herr Schäfer-Klug, Opel soll von seiner amerikanischen Mutter GM an den französischen Autobauer PSA Peugeot Citroën verkauft werden. Der Chef von PSA, Carlos Tavares, hat gesagt, dass Opel sich selber sanieren müsse. Beginnt die Sanierung noch unter GM?
Wolfgang Schäfer-Klug: Bis wir nicht final verkauft sind, sind Opel und PSA immer noch Konkurrenten. PSA hat ja noch keine Eigentümerschaft über uns und kann und darf noch gar nichts entscheiden und wir dürfen derzeit auch mit PSA nicht sprechen.

Wo könnte Opel sich denn verbessern?
Ich bin Realist und weiß: Wenn Tavares hier rein guckt, sieht er noch Produktivitätsthemen. Denn viele Jahre lang ging GM sehr restriktiv mit Investitionen in die Technologie der Werke um. Normalerweise ist es so, dass man in Billiglohnländern wie Polen eher in die Menschen investiert und in Hochlohnländern wie Deutschland mehr in Automation. Doch an vielen Stellen ist das in unseren deutschen Werken nicht mehr gemacht worden. Besonders im letzten halben bis dreiviertel Jahr hat GM das dramatisch versäumt. Das könnte man auch als unfreundlichen Akt begreifen. Denn es ist noch der Job des aktuellen Eigentümers, dafür zu sorgen, dass die Werke effizient und produktiv laufen.

Zur Person

Im Fahrzeug-Rohbau könnte man wesentlich mehr tun. Ein Beispiel: Wir haben einen Prozess, wo wir uns gemeinsam die Wirtschaftlichkeitsrechnung von Projekten angucken. Immer wieder hatten wir zuletzt die Situation, dass wir eine Wirtschaftlichkeitsrechnung mit einem positiven Geschäftsszenario hatten – und das Geld dafür ist nicht freigegeben worden. Heute verstehe ich, wieso nicht mehr viel Geld von GM in die Hand genommen worden ist – weil die wahrscheinlich schon die Idee hatten, dass sie Opel verkaufen wollen. Doch will Herr Tavares die Werke an technische Standards anpassen, bekommen wir also ausstehende Investitionen, dann kann das am Ende auch bedeuten, dass dafür weniger Leute benötigt werden.

Opel hat seit dem Jahr 2000 Verluste geschrieben, muss da nicht mehr passieren, als schnellere Roboter zu kaufen und ein paar weniger Menschen in den Werken zu haben?
Dazu möchte ich folgendes anmerken: Opel hatte in der Vergangenheit 70.000 Beschäftigte, ist dann runter auf 35.000 und wir konnten dann in den letzten Jahren dafür sorgen, dass wieder tausende Jobs geschaffen wurden. Ein Großteil der Milliardenverluste von Opel sind daher im Grunde in Abfindungen geflossen. Hier ist ein Werk nach dem anderen von GM ohne nachhaltigen Erfolg geschlossen worden – es hat nicht zur Profitabilität geführt.

Opels Produktionsstandorte in Europa

Das war das alte Denken: Hauptsache weniger Leute. Dieses Geld hat GM immer gerne ausgegeben. Aber Fakt ist auch: Jede Werkschließung belastete die Bilanz. Nicht davon zu sprechen, was es für die Betroffenen und ihre Familien bedeutet hat. Das Problem ist aber auch, dass in der Diskussion viele Themen miteinander vermischt werden. Gehen wir die Themen mal durch.

Bitte.
Opel ist wie viele andere auch ein Hersteller in einem Umfeld, was von einem dramatischen Umbruch gekennzeichnet ist. Damit meine ich die ganzen Vorschriften zu Emissionen, zum Beispiel gilt ab 2020 die Grenze von nur noch 95 Gramm Kohlendioxid, CO2. Vor dieser Herausforderung steht jeder Autohersteller im Moment. Das wird viel Geld kosten. Und dann ist da noch das Thema der Elektrifizierung. Kann man mit E-Autos künftig überhaupt Geld verdienen und die CO2-Ziele erreichen? Wer die nicht erreicht, riskiert hohe Strafen. Und dieser ganze Umbruch kommt unabhängig vom Kauf durch PSA auf uns zu.

Was bedeutet das für Opel?
Die Frage ist: Wie schnell vollzieht sich der Wandel? Wenn wir uns anschauen, welche Wertschöpfung in einem elektrifizierten Antrieb drin steckt, dann sprechen wir von einem Siebtel der Wertschöpfung im Vergleich zu konventionellen Antrieben. Das sind also ungefähr ein Siebtel weniger Teile, das heißt da steckt insgesamt weniger Wertschöpfung drin. Die Herausforderung für alle ist also: Wie gestaltet man diesen Wandel? Da gibt es Bereiche in den Unternehmen, die in der Zukunft nicht mehr so stark oder gar nicht mehr gebraucht werden, wenn irgendwann die Vollelektrifizierung kommen sollte. Alle Hersteller müssen also neue Kompetenzen aufbauen und Beschäftigte anders qualifizieren. Wir müssen uns in diesem Zusammenhang auch über die Nutzung der bestehenden Altersteilzeitmodelle Gedanken machen. Und das sind Themen, die wir mit PSA diskutieren müssen, wenn der Verkauf zustande kommt.

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