Opel-Strategie Klein anfahren, groß rauskommen

Mit drei Kleinwagen will Opel zurück in die schwarzen Zahlen. Auf dem 85. Autosalon in Genf demonstriert vor allem der neue Karl, dass in Rüsselsheim wieder die Rationalität regiert. Geträumt werden darf später.

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Wenn Opelaner träumen wollen, dann gehen sie in ihr Werksmuseum in Rüsselsheim. Hier stehen die großen Erfolge der Vergangenheit: Ein feuerroter Opel GT zum Beispiel, schnittig und sportlich. Oder ein weißer Opel Kapitän, verziert mit Blattgold. Es waren Autos wie diese, die immer wieder dafür sorgten, dass man in Rüsselsheim die vermeintlich gute alte Zeit beschwor – und darüber ein wenig die Gegenwart vergaß.

Auf dem Autosalon in Genf zeigt Opel nun, dass man auch ganz rational kann. Mit dem Karl haben sie ein neues Einstiegsmodell mitgebracht, das nicht nur einen sehr deutschen Namen hat, sondern auch knapp kalkuliert ist. Mit einem Einstiegspreis von 9.500 Euro soll der Kleine den Konkurrenten wie dem VW Up oder dem Kia Picanto einheizen – und den Opel-Absatz kräftig ankurbeln. Immerhin ist das Segment in Europa das drittgrößte. Nur das SUVs sind in der Zulassungsstatistik noch erfolgreicher.

Schon vor dem offiziellen Start deutet sich an, dass der Karl durchaus das Potenzial zum Bestseller hat. Obwohl die meisten Autokäufer bisher nicht mehr als ein Prospekt und ein paar Fotos von ihm gesehen haben, liegen schon 15.000 Bestellungen für den Kleinen vor – allein in Deutschland. Damit dürfte der Karl auf Anhieb erfolgreicher sein als das bisherige Einstiegsmodell Agila, das sich im Gesamtjahr 2014 in Europa etwa 12.000 Mal verkauft hat.

„Unsere Kleinwagen spielen eine wichtige Rolle bei unseren Wachstumszielen“, sagt Opel-Vertriebschef Peter Christian Küspert. Fast jeder dritte Opel wird in diesem Segment verkauft. Und die Modellpalette ist gerade runderneuert worden.

Um den stylischen Adam hat Opel eine ganze Modellfamilie gebaut, die auf über 130.000 Bestellungen kommt. Der Corsa ist auch noch kein halbes Jahr alt und hat mit über 120.000 Vorbestellungen ebenfalls die Erwartungen übertroffen.

Die Messlatte für den jüngsten Zuwachs liegen darum hoch: Bei den neuen Modellen Adam und Mokka können sich die Eroberungsraten, also der Anteil der Autokäufer, die vorher keinen Opel gefahren haben, sehen lassen. Sie liegen bei über 60 Prozent.

So hoch dürfte sie beim Karl wohl nicht ausfallen. Denn auch erfahrene Opel-Fahrer sollen mit dem neuen Modell gelockt werden. In dem Segment sind viele Zweitwagen unterwegs, der Markt gilt als umkämpft. Als Bonus soll es das in den USA verbreitete „OnStar-Sytem“ vom Mutterkonzern GM, das beispielsweise einen Diebstahlschutz und mobiles Wifi ermöglicht, im ersten Jahr kostenlos dazu geben – allerdings nur für die höheren Ausstattungsvarianten.

Dabei schwingt auch die Hoffnung mit, dass die Käufer auch bereit sind, für den Karl ein bisschen mehr Geld als den Einstiegspreis in die Hand zu nehmen. Ohnehin geben sich die Opelaner große Mühe, trotz des geringen Kaufpreises nicht in eine Reihe mit Billigheimern wie Dacia gestellt zu werden. „Nicht der Preis, sondern die Ausstattung entscheidet“, sagt Opel-Chef Karl-Thomas Neumann.

Schon bei der Ankündigung des neuen Modells via Twitter hatte Neumann betont, dass der kein Billigmodell sei, sondern ein echter Opel – mit deutscher Ingenieurskunst. „Alles, was Sie als Kunde sehen und anfassen, wurde in Rüsselsheim entwickelt und designed“, betont auch Martin Golka, Kleinwagen-Experte bei Opel.

PS-Protze auf dem Genfer Autosalon
Der 85. Genfer Automobilsalon, der am 5. März seine Pforten für Besucher öffnet, schwelgt in Leistung und Luxus. Doch nicht nur die Mobile der Schönen und Reichen dürfen PS-Orgien feiern. Auch die Großserienhersteller brennen bei Studien und Neuheiten ein Feuerwerk der bürgerlichen Boliden ab. Quelle: Presse
So darf sich ein Ford Focus RS mit 320 PS produzieren, der Audi A3 RS mit 367 PS, der Honda Civic Type R mit 280 PS (hier im Bild) oder der Opel Corsa OPC künftige Kunden mit 207 PS locken. Quelle: Presse
46,25 Dollar sind der magische Betrag, um den derzeit die Autoindustrie und ganze Volkswirtschaften kreisen. Die umgerechnet 39,50 Euro waren vergangene Woche in London für ein Barrel Rohöl der Sorte „Nordsee Brent“ fällig. Nie zuvor in diesem Jahrhundert waren 158,98 Liter Öl (entspricht einem Barrel) so preiswert. Förderländer stöhnen unter dem Preisverfall. Des einen Leid, des anderen Freud: Autofahrer auf der ganzen Welt begeistern die tiefen Spritpreise, die positiven Impulse für viele nationale Konjunkturen sind unverkennbar, und die Autoindustrie profitiert vom Sexappeal großer und leistungsstarker Fahrzeuge. Quelle: Presse
Offenbar vollkommen vergessen ist das Krisenjahr 2008, als der Ölpreis die Marke von 150 Dollar pro Barrel riss und drohte auf die 200 Dollar zu marschieren. Damals mussten Messe-Premieren in puncto Leistung in Sack und Asche gehen und um jeden Tropfen Verbrauchssenkung ringen. Aber nun darf erst einmal wieder gebolzt werden. Den Trend zu Selbstbewusstsein und Status läutete bereits die erste wichtige Automesse des Jahres, die Detroit-Motorshow im Januar ein. Nun geht die Party in Genf weiter. Quelle: Presse
Mercedes-Benz überlässt die besten Bühnenplätze der Spaß-Tochter AMG. Die enthüllt ihre Interpretation des CLA Shooting Brake (360 PS). Neu sind auch die AMG-Beiträge zur C-Klasse. Mit 476 PS so stark wie keine C-Klasse zuvor. Alpina will mit dem B6, seiner Interpretation des BMW 6er-Gran Coupé glänzen, das 600 PS aus seinem aufgeladenen 4,4-Liter-V8 mobilisiert. Quelle: Presse
Mercedes hat für den Dauerbrenner G-Modell ein neues Paket geschnürt. Der G 500 4x4² verdoppelt quasi das bereits legendäre Vermögen des Off-Roaders über Stock und Stein zu fahren. Vorausgesetzt genügend solvente Genf-Besucher skandieren „Haben wollen!“, geht das Modell Ende des Jahres für rund 300.000 Euro in Kleinserie. Mit 422 PS sollen dann auch fast senkrechte Felswände kein unüberwindliches Hindernis für den Kraxler mehr errichten. Quelle: Presse
Die Exoten und extrem Getunten gehören zu Genf wie der See, das Verkehrschaos und Preise, die den Messebesucher selbst am Würstelstand in Schnappatmung versetzen. McLaren toppt mit dem 675LT seine Straßensportler. Der Name ist Programm: 675 PS ... Quelle: Presse

So richtig deutsch ist der Karl trotz seines Namens aber nicht. Technisch setzt er auf dem Chevrolet Spark auf, der vom Mutterkonzern GM in Südkorea entwickelt wurde. Und genau dort wird der Opel Karl auch gebaut. Anders als beim Adam bietet das neue Einstiegsmodell der Opelaner darum auch deutlich weniger Möglichkeiten zur Individualisierung.

Immerhin dauert es zwei bis drei Monate um einen Karl aus Korea nach Deutschland zu schiffen – da darf man bei den Spezifikationen nicht zuviel Auswahl geben. Der Käufer hat die Wahl aus drei Ausstattungslinien und zehn Farben.

Für Experimente haben sie in Rüsselsheim keine Zeit

Damit der Karl dem Adam nicht das Leben schwer macht, ist das Design nicht so progressiv wie beim Konzernbruder. Trotzdem ist der Karl längst nicht so schmucklos wie die Konkurrenten in seiner Klasse. Vor allem auf dem Fahrersitz merkt man ihm seinen geringen Einstiegspreis kaum an, das Lenkrad ist wie im Corsa. Das Navigationssystem ist baugleich mit anderen Opel-Modellen. Je näher man dem Kofferraum kommt, desto mehr offenbart sich, wo gespart wurde. Doch für die Preisklasse ist die Qualität durchaus ansehnlich.

So stand es 2014 um Opel

Stimmt der Absatz im ersten Jahr, könnte der Karl sogar irgendwann auch in Europa gebaut werden. Immerhin lege man bei GM Wert darauf, die Autos dort zu bauen, wo sie auch verkauft werden, betont Opel-Chef Karl-Thomas Neumann. „Wenn sich der Karl entsprechend gut verkauft, werden wir anfangen zu überlegen, ihn nach Europa zu holen“, sagt Neumann. Schon beim Kompakt-SUV Mokka hatte Opel die Produktion von Südkorea ins spanische Saragossa verlegt.

Dass der Karl sich gut verkauft, ist auch wichtig für das übergeordnete Ziel der Opelaner. 2016 soll wieder Gewinn gemacht werden. Erste Schritt hat Opel dazu gemacht: Die europäischen Zulassungszahlen legten im Januar um 15,8 Prozent zu – zumindest wenn man die Konzernschwester Chevrolet nicht mitrechnet. Und auch die die Auslastung der Werke dürfte durch die Schließung des Opel-Werks in Bochum steigen.

Gute Zulassungszahlen alleine reichen aber nicht: Auch im Ergebnis muss langsam die Kehrtwende eingeleitet werden. Nach dem Umparken im Kopf, ist das Umparken in der Bilanz dieses Jahr Pflicht. Denn dort hat der Umbruch deutliche spuren hinterlassen.

Alleine die Werksschließung in Bochum hat mehrere hundert Millionen gekostet. Unterm Strich stand im Gesamtjahr 2014 darum ein Verlust von 1,4 Milliarden Euro – und damit mehr als im Vorjahr. Zusätzlich drückt das schwache Geschäft in Russland drücken auf die Bilanz, wo es derzeit vor allem um Schadensbegrenzung geht.

Zeit, sich strategisch zu fokussieren. Für die neue Rationalität ist man in Rüsselsheim offenbar auch bereit, sich von einigen Prestigeprojekten zu verabschieden. Zur Nachfolge des halbelektrischen Ampera, immerhin das „Auto des Jahres 2012“, gibt es wenig Konkretes. Im abgelaufenen Jahr wurde der Hybrid-Pionier weniger als 1000 Mal verkauft. Die aktuelle Modellreihe hat keine Zukunft – danach soll es einen Nachfolger geben. Doch wie der aussieht, ist noch unklar.

Auch zu einem kleineren Elektroauto, hält man sich bei Opel noch bedeckt. Opel-Chef Neumann lobt zwar den rein elektrischen Bolt, den die Konzernschwester Chevrolet kürzlich in Detroit präsentierte. Doch bis ein elektrischen Kleinwagen mit dem Blitz fährt, dürfte wohl noch etwas Zeit ins Land gehen. Bisher sei das Geschäft mit den Elektroautos „derzeit nicht besonders lukrativ“, es gebe in Europa derzeit keinen Markt, betont Neumann.

Für Experimente haben sie in Rüsselsheim dieses Jahr keine Zeit. Im Jahr 2015 müssen die Opelaner zumindest einen großen Schritt Richtung Profitabilität gehen. Wichtig wird dabei auch die Premiere des neuen Astra auf der IAA in Frankfurt im Herbst. Gelingt die Offensive im Brot- und Buttergeschäft, darf in Rüsselsheim auch wieder ein bisschen geträumt werden.

Zum Beispiel von einem Spitzenmodell wie dem Monza, einem Konzept-Auto, das Opel-Chef Karl-Thomas Neumann vor zwei Jahren auf der IAA enthüllte. Längst kursieren Gerüchte, dass das angekündigte Spitzenmodell als SUV unter gleichem Namen ab 2019 in Rüsselsheim gebaut werden könnte. Im Opel-Museum wäre noch Platz für neue Träume.

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