Kürzlich erst hat es erneut an der Haustür von Hubert Klein (Name geändert) geklingelt. Und da stand sie wieder vor ihm, die Angst, die Unsicherheit. „Wissen Sie etwas Neues?“, wollte ein früherer Kollege von dem Ex-Opel-Manager wissen. Die Frage hört Klein derzeit oft. Auch beim Einkauf im Supermarkt kommen Angestellte des Autobauers auf die ehemalige Führungskraft zu.
Klein weiß nichts. Dabei würde auch ihn brennend interessieren, was bei seinem früheren Arbeitgeber gerade hinter verschlossenen Türen vor sich geht.
Seit August gehört der dem französischen Autobauer PSA (Peugeot, Citroën, DS). Dessen Chef Carlos Tavares hat der Opel-Geschäftsführung schwere Hausaufgaben gestellt. Innerhalb von 100 Tagen sollen die Manager einen Sanierungsplan erstellen, der dafür sorgt, dass Opel nach 18 Jahren mit Verlusten 2020 Gewinn macht. 2026 will Tavares sechs Prozent Gewinn vom Umsatz als Marge sehen. Klar ist, dass das nicht ohne Einschnitte geht. Klar ist auch, dass die Franzosen entschlossener durchgreifen als der frühere Eigentümer General Motors (GM).
Opels Produktionsstandorte in Europa
Am Opel-Hauptsitz arbeiten 14.850 Beschäftigte, davon gut die Hälfte im Entwicklungszentrum. Die Produktion hat rund 3000 Arbeitnehmer. Sie bauen den Mittelklassewagen Insignia in mehreren Varianten, den Zafira sowie Getriebe und Komponenten.
Quelle: Reuters, Stand: 19. April 2018
Der Standort in Rheinland-Pfalz hat 2130 Beschäftigte. Sie produzieren Motoren und Fahrwerkskomponenten.
In Thüringen laufen die Kleinwagen Corsa und Adam vom Band. Im Werk Eisenach arbeiten 1790 Menschen.
In dem polnischen Werk sind knapp 3050 Mitarbeiter beschäftigt. Sie bauen den Kompaktwagen Astra und das Cabrio Cascada und den Sportwagen Opel GTC. In Tychy stellen 400 Beschäftigte Motoren her.
In dem spanischen Standort bei Saragossa laufen Corsa, Meriva, der SUV Mokka und der Stadtgeländewagen Crossland X vom Band. Der Standort hat 5170 Arbeitsplätze.
Im Werk Ellesmere Port arbeiten 1470 Beschäftigte. Hier werden ebenfalls Astra-Modelle produziert.
Der Standort Luton nördlich von London hat 1240 Arbeitnehmer und baut den Kleintransporter Vivaro.
In dem österreichischen Werk nahe Wien arbeiten 1330 Menschen. Dort werden Motoren und Getriebe hergestellt.
Die Fabrik in Ungarn produziert mit 1160 Arbeitnehmern Motoren und Komponenten.
Immer wieder erklären Aufsichtsräte, Arbeitnehmervertreter und Kommunikationsabteilung von Opel in diesen Tagen, dass noch keine Details feststehen. Erst im November soll der Plan vorgestellt werden. Bis dahin brodelt die Gerüchteküche. Mal heißt es, dass im Entwicklungszentrum in Rüsselsheim Tausende Jobs auf der Kippe stehen, mal ist angeblich das Werk in Eisenach bedroht. Manche behaupten, dass PSA die neue Version des Geländewagens Mokka gestoppt hat, andere wollen wissen, dass es bald Angebote für Altersteilzeit gibt. Um Spekulationen zu beflügeln, reicht es schon, wenn Opel-Chef und Personaler über den Flur des Betriebsrats schlendern.
Arbeitnehmervertreter bitten um Geduld
Um die Verunsicherung in den Griff zu bekommen, hat die IG Metall bereits ein Flugblatt verteilt. Darin heißt es, dass Zahlen über die angebliche Höhe von Verlusten von Opel Spekulationen seien. „Es braucht nun ein wenig Zeit, die Situation des Unternehmens zu klären – auch wenn dies bei den vielen Gerüchten schwerfällt“, bitten die Arbeitnehmervertreter um Geduld. Eckpfeiler bleibe die Umsetzung der Tarifverträge. Die sichern bis Ende 2018 die Jobs bei Opel und bestimmte Produkte. Und dann? „Die Stimmung ist am Boden“, sagt ein Mitarbeiter. Manche hockten da und machten sich Sorgen, während andere „schon ihre imaginäre Abfindung ausrechnen“.
Auf die Hilfe der Politik vertrauen sie nicht. Dabei drängt Berlin darauf, dass die Übernahme keine Arbeitsplätze an deutschen Standorten kostet. „Wir hoffen, dass es bald eine zufriedenstellende Lösung auch für das Entwicklungszentrum in Rüsselsheim geben wird“, sagt Matthias Machnig. Der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium hatte die Verhandlungen zur Übernahme für die Regierung begleitet. „Es gibt die berechtigte Hoffnung, dass PSA eine Vielzahl von Entwicklungsprojekten, die der Konzern einst ausgelagert hat, wieder in die Gruppe zurückholt. Welche Projekte das sind und inwieweit der Standort Rüsselsheim davon profitieren kann, muss jetzt erarbeitet werden“, fordert Machnig.
Ob PSA-Chef Tavares auf ihn hört? „Das Einzige, was wir uns nicht leisten können, ist der Status quo“, hat der Hobbyrennfahrer schon klargestellt. Den Aufsichtsrat hat er bereits neu besetzt, nach 88 Jahren Eigentümerschaft haben die Vertreter von GM den Weg für zehn Abgesandte der Franzosen frei gemacht. Zu ihnen zählen der Europa-, der Entwicklungs- und der Finanzchef sowie der Personalvorstand von PSA – und Tavares selbst, der das Gremium anführt. „Gut, dass der Entscheider am Tisch sitzt“, urteilt ein Aufsichtsrat der Arbeitnehmerseite.
Mäßig erfolgreich umgeparkt
Weitere Personalien lassen zumindest erahnen, wohin die Fahrt künftig gehen soll. Der intern beliebte Chef Karl-Thomas Neumann hat Opel mit Vollzug der Übernahme verlassen. In vier Jahren Amtszeit war es auch ihm nicht gelungen, den Autobauer in die schwarzen Zahlen zu führen. Und die bekannte Marketingchefin Tina Müller startet am ersten November auf dem Chefposten der Kosmetikkette Douglas. Sie hat das Image von Opel mit Fußballtrainer Jürgen Klopp als Markenbotschafter und der aufwendigen Kampagne „Umparken im Kopf“ aufgemotzt. Der zählbare Erfolg ist überschaubar. „Die Marketingkampagnen waren eher für Deutschland ausgelegt und haben im Ausland deutlich weniger Resonanz erzielt“, sagt Ferdinand Dudenhöffer vom CAR-Center Automotive Research.
Der europäische Marktanteil von Opel und seiner britischen Schwestermarke Vauxhall stagniert laut Dudenhöffer zwischen sechs und sieben Prozent – stützend wirken steigende Eigenzulassungen in Deutschland. Dabei melden Hersteller oder Händler Neuwagen kurz selbst an und drücken sie anschließend mit Rabatt in den Markt. Trotz dieser Nachhilfe verkaufte Opel weniger Autos. Wenn er die Zulassungszahlen von Opel ansehe, dann sei „das gerade die größte Not“, sagt IG-Metall-Chef Jörg Hofmann.
PSA hat selbst den Turnaround geschafft
Neu in der Geschäftsführung sind zwei PSA-Manager, die der Portugiese Tavares auf Schlüsselpositionen gesetzt hat. Rémi Girardon leitet die Produktion. Wie man Werke auf Gewinn trimmt, weiß der 44-Jährige, der zuletzt für die Industriestrategie von PSA zuständig war. Er leitete unter anderem das Werk im slowakischen Trnava, das heute das produktivste im Konzern ist. Der gleichaltrige Philippe de Rovira ist Finanzchef. Er hat entscheidend am damaligen PSA-Sanierungsplan „Back in the Race“ mitgewirkt, mit dem der Pleitekandidat PSA innerhalb von nur zwei Jahren aus der Krise fuhr. 2012 hatte das Unternehmen fünf Milliarden Euro Verlust gemacht. Heute liegt die operative Marge bei 7,3 Prozent.
Hintergründe zur PSA Group
Der vom Staat gestützte französische Autobauer PSA Peugeot Citroën hat im vergangenen Jahr weltweit über 3,1 Millionen Fahrzeuge abgesetzt. Der französische VW-Konkurrent mit den Marken „Peugeot“, „Citroën“ und „DS“ sieht sich in Europa schon länger als Branchenzweiter.
Konzernchef Carlos Tavares fuhr in den vergangenen Jahren einen harten Sanierungskurs unter anderem mit Werkschließungen und Jobabbau. Um das vor drei Jahren stark angeschlagene Unternehmen zu retten, schoss unter anderem der französische Staat Geld zu und hielt zuletzt rund 14 Prozent der Anteile.
Auch der staatlich kontrollierte chinesische Hersteller Dongfeng stieg 2014 bei dem Traditionsunternehmen mit 14 Prozent ein. Der Einfluss der Peugeot-Familie sank im Zuge der Sanierung hingegen beträchtlich.
Der Umsatz betrug im vorvergangenen Jahr 54,7 Milliarden Euro; neuere Jahreszahlen liegen nicht vor. Der Konzern beschäftigte 184.000 Mitarbeiter.
Unlängst schaltete die französische Antibetrugsbehörde nach Untersuchungen zu Diesel-Abgasen bei PSA die Justiz ein. Ein entsprechendes Dossier ging an die Staatsanwaltschaft. Es liegt nun an der Justiz, über eventuelle Folgen zu entscheiden. Der Konzern betonte, er habe seine Fahrzeuge niemals mit Betrugs-Software ausgestattet.
Damals sparte PSA im Einkauf und zunächst auch bei Investitionen in alternative Antriebe, löste sich aus der Abhängigkeit vom südeuropäischen Markt und verschob den Schwerpunkt von Mittelklasse- und Kleinwagen zu teureren Fahrzeugen. Die Produktpalette schrumpfte von 45 auf 26 Modelle. Allein das hat die Entwicklungskosten laut PSA um 20 Prozent gesenkt. Das Programm hat sich Tavares, der 2014 von Renault zu PSA kam, ausgedacht.
Und so könne das Konzept für Opel ähnlich aussehen, meint Jean-François Kondratiuk, Mitarbeitervertreter im PSA-Verwaltungsrat. „Wir haben uns die Modelle bei Opel angesehen, es sind zu viele“, berichtet er von einem Treffen des Kontrollgremiums mit dem Vorstand. Unrentable Varianten dürften ausgemustert werden. Cabrios etwa gebe es bei PSA heute keine mehr. Auch Patrick Michel, Sekretär des Globalen Betriebsrats von PSA, meint, dass die beiden Franzosen in der Opel-Führung „zweifellos die Methoden von Tavares verkörpern, um wieder rentabel zu werden“.
Dass der PSA-Chef die erprobten Rezepte bei der deutschen Neuerwerbung für wirksam hält, deutete er selbst auf der Automesse IAA an. Wenn er Opel-Chef „Michael“ (Lohscheller) und anderen Führungskräften die Leistungsindikatoren beider Marken im Vergleich zeige, sei deren Reaktion: „Wow! Das ist unmöglich.“ Aber das stimme nicht. „Wenn ich das kann, können sie es auch“, sagt Tavares. Auch für seine Pläne bei PSA sei er zunächst ausgelacht worden. „Viele sagten, das werde nicht funktionieren. Wir haben es gemacht. Das ist es. Wir haben es einfach gemacht“, sagt er. Wenn Opel in einigen Jahren das Niveau von PSA erreicht habe, werde der Autobauer aus Rüsselsheim eine „great, great company“ sein.
In Frankreich hat PSA zwischen Ende 2012 und Ende 2015 fast 13.000 Stellen abgebaut. Dabei setzte der Konzern vor allem auf Vorruhestandsregelungen und Abfindungen. Zudem verzichteten die verbleibenden Mitarbeiter in Betriebsvereinbarungen auf Lohnerhöhungen und starre Arbeitszeiten. „Angesichts der fatalen Lage hätte die PSA-Führung gute Gründe gehabt, auf Entlassungen zu setzen. Aber genau das hat sie vermieden, und der Erfolg stellte sich trotzdem ein“, sagt Gewerkschafter Michel.
Tavares plant eine Effizienz-Offensive
Wenn durch die Übernahme schon Stellen wegfallen, so hoffen sie in Rüsselsheim, dann soll das bitte auf ähnlich verträglichem Weg passieren. An den Abbau von Arbeitsplätzen haben sie sich bei Opel gewöhnt. Unter der Führung von GM ist die Zahl der Angestellten von 70.000 auf 38.000 gefallen. „Trotzdem schreibt Opel immer noch rote Zahlen“, meint Tavares. „Das bedeutet, dass etwas fehlt.“ Was das ist, weiß er: Effizienz.
Opel-Übernahme durch PSA: Vorteil Frankreich
PSA verkauft mehr Autos pro Mitarbeiter als Opel
Opel/Vauxhall: 30,4
PSA: 35
Quelle: CAR-Center Automotive Research, 2016
Opel/Vauxhall: -6083 Euro
PSA: 24.742 Euro
Die will er dadurch steigern, dass er möglichst viele Teile von PSA bei Opel-Fahrzeugen einbaut. So soll der Einkauf günstiger werden. Das sorgt für Gesprächsstoff im Café des Rüsselsheimer Adam Opel Hauses. Mitarbeiter schlürfen ihren Kaffee, eine Gruppe von Männern gibt sich meinungsstark: Die Autos von Opel müssten sich auch künftig „optisch von Peugeot unterscheiden. Sonst gehen wir unter“, raunt einer. „Wenn Motor und Untergestell künftig von PSA kommen, darf Opel nur noch die Karosse obendrauf setzen“, moniert ein Betriebsrat.
Einschnitte in der Entwicklung
Doch genau so könnte es kommen. Auf der IAA sagte Tavares, dass man gerade mit Opel an einem neuen „CO2-Fahrplan“ arbeite. Die alten Opel-Motoren seien schlicht zu schlecht, um die bevorstehenden strengen Vorgaben der EU für den Ausstoß von Kohlendioxid einhalten zu können.
Tatsächlich droht Opel wegen zu hoher Stickoxidwerte im Abgas noch Ungemach. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hat mehrere Updates aus einer freiwilligen Rückrufaktion für schon im Verkehr befindliche Autos noch nicht freigegeben. Betroffen sind die Modelle Cascada und vor allem Zafira. Die Rede ist sogar schon davon, dass das KBA Opel einen Entzug der Typzulassung beim Zafira angedroht habe. Opel wollte sich zu laufenden Verfahren nicht äußern.
PSA-Entwicklungschef Gilles Le Borgne erklärte der „Automobilwoche“, dass „wir die Opel-Modellpalette nach und nach auf Plattformen und Motoren von PSA stellen werden“. Allerdings dauere das Jahre. Auf der Kippe dürften vor allem Jobs im Opel-Entwicklungszentrum Rüsselsheim stehen. Dort arbeiten 7700 Leute – mehr als im ortsansässigen Opel-Werk. Viele Entwickler arbeiten nur für Projekte von GM.
Bislang ist das Schicksal der Entwickler noch nicht entschieden. Laut Insidern wird aber schon diskutiert, dass zwischen 2000 und im Extremfall 4000 Stellen wegfallen könnten. „Wir analysieren noch“, sagt ein Insider. Das sei nicht einfach. Am Ende, sagt ein anderer Insider, werde es „auf jeden Fall“ irgendeine Form von Abbau im Entwicklungszentrum geben. „Mindestens 2000 Jobs“ seien betroffen. Der Plan sei, dies ohne Entlassungen durchzubringen. Freiwillige Programme sollten aufgelegt werden. Bei 2000 Jobs sei das möglich, nicht aber bei 4000. Opel spricht im Zusammenhang mit den Zahlen von „unverantwortlichen Spekulationen“.
Sicher ist bisher nur, dass das Budget für Forschung und Entwicklung zusammengestrichen wird. PSA-Finanzchef Jean-Baptiste de Chatillon hat jüngst vor Analysten betont, dass die Gruppe künftig insgesamt mehr in Technologien investieren wolle. Das Budget werde aber kleiner ausfallen als das beider Unternehmen zusammen. Kombiniert soll es von 3,3 auf 2,9 Milliarden Euro sinken.
Es kann nur besser werden
„Macht euch keine Sorgen! Ich werde euch zu 110 Prozent brauchen. 110 Prozent! Um den CO2-Fahrplan zu entwickeln, brauche ich alle Ressourcen“, hatte Tavares den Rüsselsheimer Entwicklern gerade erst zugerufen. Doch nicht nur für IG-Metall-Chef Hofmann ist klar, dass es nach dem 100-Tage-Plan „nachhaltig um die Frage gehen wird, was das mittelfristig für die Beschäftigung an den Standorten, insbesondere im Bereich der Entwicklung, aber auch für das Werk in Kaiserslautern“ heiße. In der Pfalz bauen die Opel-Mitarbeiter bisher auch Motoren zusammen. Den Standort müsse „PSA mit auslasten, damit das Ganze funktioniert“, meint Hofmann. Hoffnung macht die gute Auslastung von PSA. Der Autobauer könnte deshalb Aufgaben an Opel abtreten.
Allerdings hat Tavares schon gezeigt, was er unter effizienter Entwicklung versteht. 2500 regelmäßig für PSA arbeitende, aber dort nicht fest angestellte Entwicklungsingenieure und Informatiker mussten gehen. Dafür haben die heute rund 120 Projektabteilungen einen Großteil der Arbeiten ausgelagert, kooperieren nun auch mit Ingenieuren in Marokko und Rumänien. Um Kosten zu sparen, gehen mehr als 80 Prozent der Aufträge an nur vier Ingenieurbüros: Altran, Alten, Assystem und Segula. In den vergangenen drei Jahren hat PSA so je 300 Millionen Euro gespart – die Kosten für die Entwicklung eines neuen Modells.
Immerhin hat die IG Metall vorgebaut und vor Abschluss der Übernahme den Tarifvertrag für das Entwicklungszentrum mit Opel angepasst. Er legt fest, dass der Umfang der Projekte für einen Zeitraum von drei Jahren im Wesentlichen unverändert bleibt. Ganz sicher ist die Vereinbarung nicht: Sollten sich Grundlagen verändern, kann PSA den Notausgang wählen und neu verhandeln.
Der Chef schaut vorbei
Anfang September hat Tavares erstmals das Werk in Rüsselsheim besucht. Gemeinsam mit Opel-Chef Lohscheller und Produktionschef Girardon besichtigte er mehrere Stunden lang Getriebe-, Press- und Karosseriewerk, Lackiererei, Fertigung und Endmontage. In einem Artikel im Opel-Intranet heißt es, dass die jeweiligen Fertigungsleiter Ideen vorgestellt hätten, wie sich Prozesse vereinfachen ließen. Und Tavares habe sich artig dafür bedankt, was die Mitarbeiter „in den letzten Wochen bereits geleistet haben“. Die Ideen seien ein „guter Anfang“, ließ sich Werksleiter Michael Lewald zitieren. Deren Umsetzung „wird all unsere Energie in den nächsten Wochen und Monaten einfordern“. Man habe die einmalige Chance, die Zukunft „positiv zu gestalten“.
Die wichtigsten Premieren der IAA
Mit dem elektrischen Maybach Vision 6 Cabrio und einem 3 Millionen Euro teuren AMG-Sportwagen auf Formel-1-Basis sprengt Mercedes-Benz die üblichen Dimensionen. Auf höhere Stückzahlen dürfte die neue X-Klasse kommen, mit der Daimler in die Pick-up-Sparte startet. Mit dem Concept EQ zeigen die Schwaben ihre Elektro-Kompetenz. Technisch interessant ist auch der GLC F-Cell, der weite Strecken mit der Brennstoffzelle zurücklegt und über eine Batterie mit Strom geladen werden kann, wenn keine Wasserstoff-Tankstelle in der Nähe ist.
Bei Volkswagen ist der neue Polo die wichtigste Innovation. Der einstige Kleinwagen ist längst auf Golf-Niveau gewachsen und soll 2018 auch als SUV kommen. Aus dieser überaus beliebten Fahrzeugklasse stammen auch der etwas größere T-Roc und der „City-SUV“ Arona der Konzerntochter Seat. Deren Schwester Skoda hat mit dem Karoq ebenfalls einen neuen Hochbeiner im Programm. Die VW-Nobelmarke Audi stellt mit dem A8 ihr neues Flaggschiff vor, das bis 60 km/h vollständig autonom unterwegs sein soll. Der Elektro-Bulli I.D.Buzz gibt einen Ausblick in die elektrische Zukunft von Volkswagen.
Porsche lässt einstweilen die Finger von Stickoxid-verdächtigen Diesel-Motoren und präsentiert den dritten Cayenne-SUV vorerst ausschließlich mit zwei markentypischen Benzin-Sechszylinder-Motoren mit 340 beziehungsweise 440 PS.
Der zum französischen PSA-Konzern gewechselte Hersteller Opel kann bereits die zweite Kooperation mit den Franzosen vorzeigen. Nach dem Crossland kommt auf Basis des erfolgreichen Peugeot 3008 der Grandland als mittelgroßes SUV angefahren.
Auch BMW will weiter gut am SUV-Boom verdienen und stellt mit X3 und X2 gleich zwei neue Modelle in die Schauräume. Das etablierte Elektro-Mobil i3 wird um ein sportliches Modell i3s erweitert.
Noch ziemlich weit von der Serie entfernt sind autonome Fahrzeuge, die bei der IAA auf einem Extragelände unterwegs sind. Auf dem Parcours vor der Halle 3 sind unter anderem VW, Audi, Daimler sowie die Zulieferer Continental, ZF und Bosch aktiv.
Mehr, als fest daran zu glauben, bleibt den Opel-Beschäftigten kaum übrig. Immerhin hat Tavares einen Plan, wie er den Autobauer in eine bessere Zukunft führen will. Beim vorigen Eigentümer war der nicht erkennbar. Die Alternative bei GM, sagt IG-Metall-Chef Hofmann, sei ein „Sterben auf absehbare Zeit“ gewesen.
Es kann nur besser werden.