Die Ankündigung alleine sorgte schon für Furore: Mercedes Benz zeigt auf dem diesjährigen Autosalon ein rein elektrisches Fahrzeug. Jetzt ist es da, heißt EQ und zeigt als Crossover-Studie, wie elektrisch fahren bei den Schwaben zukünftig ausschauen soll. Es ist der Auftakt für eine ganze Reihe elektrischer Modelle, einer neuen Submarke.
Elektroautos in der deutschen Premiumliga - dieses Feld hatte bisher BMW mit der i-Serie (i3, i8) besetzt. Mercedes war zwar auch elektrisch unterwegs, aber deutlich weniger sichtbar. Den Smart Fortwo gibt es seit 2007 als Elektro-Flitzer. Auf dem Autosalon zeigt Mercedes jetzt sowohl Fortwo, als auch Fortwo Carbrio und Forfour als Elektroversion.
Da darüber hinaus weder die elektrische Mercedes B-Klasse noch das chinesische Kooperationsmodell von Denza Verkaufsschlager sind, hat sich Daimler nun für die eigenständige Submarke für zukünftige Elektromobile entschieden. Sie soll ebenso stark werden wie die Daimler-Ableger Smart, AMG und Maybach. Bis zum Jahre 2025 plant Konzern-Chef Dieter Zetsche insgesamt zehn Elektromodelle; mindestens zwei davon mit einem Smart-Logo. „Emissionsfreie Automobile sind die Zukunft. Und unsere neue Marke EQ geht weit über das E-Fahrzeug hinaus. EQ steht für ein umfassendes elektrisches Ökosystem aus Services, Technologien und Innovationen", sagt Daimler-Chef Dieter Zetsche.
So ganz neu klingt das, was der Daimler-Chef da verkündet nicht. Ähnlich machte es vor Jahren BMW mit dem Elektro-Annex namens „i“. Mit gigantischem Aufwand wurde die Submarke für visionäre Elektromobilität kreiert, sogar eigene Produktionsstätten für Karbon geschaffen. Damit nicht genug, die i-Modelle sollten das Glanzstück nachhaltiger Produktion sein. Deshalb wurden besonders viele recycelte Materialien verwendet - vor allem im Innenraum.
Das Marketing verschlang Millionen. Der i8 bekam sogar einen Auftritt im Blockbuster Mission: Impossible mit Tom Cruise. Im echten Leben trafen die Fahrzeuge jedoch nicht den Geschmack der Kunden. Der BMW i3 polarisiert mit seinem Design, schmalen Ökoreifen und einem wenig hochwertigen Innenraum. Dem BMW i8 fehlt die Leistung, um als hybrider Supersportler ernsthaft gefürchtet zu werden.
Ehe das elektrisierende Doppelpack aus i3 und i8 im BMW-Werk Leipzig zu hybrid- beziehungsweise Elektrofahrzeugen werden, haben deren Karbonkomponenten eine Weltreise hinter sich. Das Grundmaterial Pre-Curser kommt per Schiff aus Japan an die Nordwestküste der USA, wo es über Seattle zum SGL-Werk nach Moses Lake im Bundesstaat Washington gebracht wird.
Vor Jahren hat sich BMW die Firma SGL, Spezialist für Karbonfaserentwicklung und -produktion, einverleibt. Um das Rohmaterial zu den Kohlefaserfäden zu brennen, ist ein gigantischer Energieaufwand nötig. Diese Energie holt sich SGL aus zwei gigantischen Staudämmen des Columbia River im Norden des Bundesstaates. So reduzieren sich die Energiekosten auf bis zu ein Siebtel. Alles in allem: Ein immenser Aufwand - für einen überschaubaren wirtschaftlichen Erfolg.
Was Mercedes aus den BMW-Fehlern gelernt hat
Bei Mercedes hat man das Projekt BMW i seit seinem Start intensiv beäugt und will dem Modell einer Submarke nun folgen, ohne die Fehler der Bayern zu wiederholen.
1. BMW koppelte die Elektromobilität untrennbar an den gigantischen Kostentreiber Karbon. Gewichtsersparnis und Anerkennung beim Kunden blieben jedoch überschaubar.
Während man am Münchner Petuelring schaut, wie man bei zukünftigen Produkten aus der Karbon-Einbahnstraße wieder herauskommt, setzt Daimler stattdessen von vorneherein auf einen Materialmix aus Stahl, Aluminium und Karbon. Damit will man sowohl Leichtbau als auch Stabilität und Kosteneffizienz unter einen Hut bringen.
2. BMW setzte auf eine spezielle Fahrzeugarchitektur aus einem so genanntem Lifemodul - der Fahrgastzelle aus Karbon - und einem Drive-Module, dem Alurahmen, in dem sich Antrieb, Fahrwerk und Akkuzellen befinden. Die Fahrgastzelle sollte - so der Plan - abgewandelt werden können. So hätte man Derivate und andere Karosserieformen mit überschaubarem Aufwand umsetzen können. Das stellte sich jedoch als Irrtum heraus. Die Kosten waren schlicht zu hoch. Die einfache Ableitung weiterer Karosserie- und Fahrzeugvarianten ist beim BMW i3 nicht machbar. Die Idee starb in der Entwicklung.
Die neuen E-Smarts
Leistung (60 kW / 81 PS, 160 Nm Drehmoment), Reichweite (160 km) und Höchstgeschwindigkeit (130 km/h) sind überschaubar und kaum besser als beim Vorgänger.
Allein bei der Ladung soll es ab 2017 nennenswerte Verbesserungen geben. In 45 Minute soll sich der Elektro-Winzling mit einem Schnelllader wieder vollends erstarken lassen.
Daimler setzt dagegen auf eine eigens für batterieelektrische Modelle entwickelte Elektrofahrzeugarchitektur. Die soll sich skalieren lassen und modellübergreifend einsetzbar sein.
Radstand und Spurweite sowie alle übrigen Systemkomponenten wie die Batterien, sind dank des modularen Systembaukastens variabel. Das Fahrzeugkonzept sei, so Daimler, „damit für alle Anforderungen einer zukunftsorientierten, batterieelektrischen Modellfamilie optimiert“. Außerdem werde man zusätzlich eine Milliarde Euro in den Ausbau der weltweiten Batterieproduktion investieren, kündigte Zetsche auf dem Autosalon an.
Der Mercedes Generation EQ
Der Allradler wird in verschiedenen Leistungsstufen bis hin zu 300 kW / 403 PS angeboten.
Die maximale Reichweite soll ebenso wie beim GLC Fuel Cell bei 500 Kilometern liegen. Induktives Laden wird möglich sein.
Die Paris-Studie Generation EQ hat insbesondere in der Bodengruppe technische Gemeinsamkeiten mit dem 4,66 Meter langen Mercedes GLC; jedoch ist das Elektromodell etwas größer. Die Akkupakete mit einer Kapazität von bis zu 70 kWh befinden sich im Fahrzeugboden.
Der Preis des neuen EQ soll etwa dem eines gut ausgestatteten GLC entsprechen, so der Daimler-Chef auf dem Autosalon. Nach Liste beginnt der GLC bei 38.000 Euro (Diesel) bzw. 37.750 Euro (Benzin).
Die Lithium-Ionen-Batterie stammt von der Daimler-Tochter Deutsche Accumotive in Kamenz. Ab Oktober wird das Werk erweitert. Bereits ab Ende 2017 sollen in dem neuen Teil Akkus produziert werden.
Trotz mancher Probleme und Fehler beim Konkurrenten BMW, Fakt ist: Die Bayern haben einen Vorsprung in Sachen Elektromobilität. Mercedes kommt mit der eigenen Elektro-Marke und mit einem eigens entwickelten Elektrofahrzeug sehr spät.
Mercedes EQ nicht vor Ende 2018
Während Hersteller wie Tesla, Nissan / Renault oder BMW seit Jahren eigens kreierte E-Mobile verkaufen, dürfte der Mercedes EQ nicht vor Ende 2018 einrollen. Fehler kann man sich nicht mehr erlauben. So ist es keine Überraschung, dass die Schwaben auf einen Crossover größerer Ausmaße setzen - dem Fahrzeugsegment mit dem stärksten Wachstum. Schließlich hat man gerade Tesla mit dem neuesten Model X (einer Mischung aus Geländewagen und Van) und nicht nur BMW im Fokus.
Auch VW-Chef Matthias Müller stellte am Vorabend des Pariser Autosalons die Elektrostudie „ID“ vor. VW-Marken-Chef Herbert Diess kündigte eine Reichweite von 400 bis 600 Kilometern an. Der elektrische VW soll 2020 auf den Markt kommen und laut Diess in einer Reihe mit traditionsreichen Massenmodellen der Hausmarke des Konzerns wie Käfer und Golf stehen. Im Jahr 2025 will VW rund eine Million E-Autos jährlich verkaufen und damit weltweiter Marktführer sein. Das Rennen hat begonnen.