Peter Modelhart, Deutschlandchef von Jaguar Land Rover "Jaguar bleibt dem exklusiven Charakter treu"

In den vergangenen Jahren sind Jaguar und Land Rover hierzulande zweistellig gewachsen. Im Interview spricht Deutschland-Chef Peter Modelhart über die Markenstrategie, den Handel und neue Modelle.

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WirtschaftsWoche Online: Die SUVs von Land Rover und Range Rover sind im Moment sehr beliebt – auch bei Autodieben. Zuletzt wurden auch aus Ihrem Trainingszentrum in Neuss einige Fahrzeuge gestohlen. Sind Range Rover so leicht zu knacken?
Peter Modelhart: Zu den Diebstählen in Neuss können wir nichts sagen, da aktuell noch die Ermittlungen laufen. Fahrzeugentwendungen sind ein industrieweites Problem, das betrifft Deutschland derzeit massiv. Wir hatten in der Summe 192 gestohlene Fahrzeuge, im Verhältnis zum Wettbewerb ist das immer noch sehr wenig. Aber wir reagieren natürlich darauf. 

Und wie?
Wir haben dieses Jahr bereits das vierte Software-Update gebracht, um unsere Fahrzeuge besser abzusichern. Wir haben ein Sicherheitssystem namens „InControl Secure“eingeführt. Damit kann das Auto erfasst und verfolgt werden, wenn es im Alarmmodus ist – und diese Daten können auch mit der Polizei geteilt werden. 

Zur Person

Wie können Dritte überhaupt an Ihre Fahrzeugsoftware kommen, um etwa die elektronische Wegfahrsperre zu überlisten?
Wir sind gesetzlich dazu verpflichtet, alle Diagnostikinformationen auch an andere Werkstätten freizugeben –und nicht nur an unsere eigenen. Sicherheitsrelevante Informationen dürfen aber jetzt erst nach Freigabe durch uns an nicht autorisierte Werkstätten weiterleitet werden.

Kann auch der Kunde etwas zur Sicherheit seines Autos beitragen?
Ja, selbstverständlich. Unsere Autos haben zum Beispiel ein „Secure Lock“. Dieses System wird aktiviert, wenn der Fahrer beim Abschließen zweimal auf die Verriegeln-Taste drückt –die meisten machen es aber nur einmal. Um darauf hinzuweisen, haben wir auch eine neue Broschüre aufgelegt, in der solche Informationen nochmals zusammengefasst werden. 

Jaguar-Rover-CEO Peter Modelhart Quelle: Auto-Medienportal.Net / Manfred-Zimmermann

Ist es für einen Nischenhersteller wie Jaguar Land Rover schwieriger oder einfacher als für einen Premium-Volumenhersteller mit einer riesigen Entwicklungsabteilung, die IT-Sicherheit der Fahrzeuge zu gewährleisten?
Da können wir sicherlich mithalten, denn so klein sind wir gar nicht mehr. Heute arbeiten über 7.000 Entwickler bei Jaguar Land Rover, in diesem Bereich sind wir enorm gewachsen. Deshalb haben wir da keine Nachteile gegenüber den großen Herstellern.

Sowohl Jaguar als auch Land Rover sind im vergangenen Jahr in Deutschland im zweistelligen Prozentbereich gewachsen. Wann werden sich diese enormen Wachstumsraten abflachen?
Im nächsten Jahr auf gar keinen Fall. Vergangenes Jahr ist Land Rover um zwölf Prozent gewachsen, in diesem Jahr sind wir nach elf Monaten 18 Prozent im Plus. Jaguar hat 2013 um 30 Prozent zugelegt. Bei Land Rover führen wir am 28. Februar den neuen Discovery Sport ein, der neben dem Evoque das zweite Volumenmodell werden soll. Und bei Jaguar kommt der XE, der als Mittelklasse-Limousine für das strategische Wachstum der Marke ganz entscheidend ist. Für neue, attraktive Modelle ist also gesorgt, die unseren Absatz weiter antreiben werden.

Jaguar Land Rover in Zahlen

Was erwarten Sie sich vom Discovery Sport?
Wir glauben, mit dem neuen Modell den Nerv der Kunden zu treffen. Sie wollen einen Geländewagen, der gut aussieht, komfortabel ist, wenig verbraucht und einen vielseitigen Innenraum hat. Da ist der Discovery Sport mit seinem 5+2-Sitzkonzept ein einzigartiges Modell in dieser Klasse – bei nur 4,60 Metern Außenlänge. Planzahlen zum Absatz will ich aber derzeit nicht nennen.

Obwohl im Discovery Sport nur Vierzylinder-Motoren angeboten werden, stammt keiner aus Ihrer neu entwickelten Ingenium-Baureihe. Werden die Ingenium-Motoren überhaupt beim Discovery Sport eingesetzt werden oder setzen Sie hier weiterhin auf zugekaufte Motoren?
Die ersten Ingenium-Motoren werden im Jaguar XE zum Einsatz kommen, der im Juni auf den Markt kommt. Ab diesem Zeitpunkt werden dann die Vierzylinder-Motoren Schritt für Schritt gegen die Ingenium-Motoren ausgetauscht. 

Das Abkommen mit Ford über den Kauf von Motoren – auch die V6- und V8-Aggregate – läuft noch bis 2017. Was kommt danach?
Wir sind mit Ford nicht nur als ehemaligen Mutterkonzern eng verbunden. Die Zusammenarbeit ist sehr intensiv und fruchtbar. Was wir nach 2017 machen, ist noch nicht entschieden.

Der Mythos der Marke

Nicht nur optisch rückt der Discovery Sport für einen Land Rover nahe an den Range Rover Evoque, auch viele Bauteile kommen in beiden Modellen zum Einsatz. Gibt es noch eine klare Trennlinie zwischen den beiden Marken?
Wir haben uns entschieden, dass wir die Modellfamilie –und damit auch das Design – in drei Säulen aufteilen: die Range-Rover-Modelle – unter die der Evoque fällt –, die Discoverys und den Defender. Wenn man den Discovery Sport und den Evoque nebeneinander stellt, sieht man sehr wohl, wie unterschiedlich die Autos trotz aller Gemeinsamkeiten sind. Eine grundsätzliche Ähnlichkeit zu einem so erfolgreichen Design wie das des Evoque ist aber nichts Schlechtes. Das hat uns auch die Reaktion der Kunden gezeigt, als wir den Discovery Sport auf dem Pariser Autosalon präsentiert haben.

Sie bezeichnen Jaguar immer als exklusiven Nischenanbieter. Mit dem XE zielen Sie aber direkt auf A4, 3er und C-Klasse und wollen Stückzahlen machen. Wie groß ist diese Nische, wann ist sie ausgereizt?
Wenn man die Nische über das absolute Volumen definiert, haben wir noch viel Luft nach oben. Das Wichtige für uns ist, dass wir mit jedem neuen Modell unserem exklusiven Charakter treu bleiben. Das heißt nicht nur, dass der Kunde ein etwas exotischeres Auto fährt. Die Exklusivität ist auch ein Anspruch im Design und etwa in der Betreuung beim Handel. Wenn wir diesen Werten treu bleiben, können wir sowohl bei Jaguar als auch bei Land Rover neue Produktvarianten auf den Markt bringen, ohne dass die Marke verwässert.

Ist es für Sie wegen des hohen Premium-Bewusstseins und des Stellenwerts von luxuriösen Autos in Deutschland einfacher für Sie oder schwerer, weil die heimischen Premium-Marken so stark sind?
Sicher ist beides der Fall. Deutschland ist ein sehr großer Premium-Markt, das macht es uns leichter. Wir glauben aber, mit den Modellen unserer beiden Marken mehr als eine attraktive Alternative für Kunden zu sein, die bisher immer deutsche Modelle gefahren sind. Auch bei der Technologie haben wir einen großen Sprung gemacht und müssen uns sicher nicht verstecken – etwa mit der einzigen Voll-Aluminium-Karosserie in der Mittelklasse beim Jaguar XE.

Werbeslogans wie „How alive are you?“ oder „It’s good to be bad“ wirken für eine Marke wie Jaguar zunächst etwas ungewöhnlich. Wie ist das Feedback der Kunden?
Wenn man die Marke Jaguar nur in den vergangenen 20 Jahren verfolgt hat, mag das durchaus ungewöhnlich wirken. Den Mythos der Marke hat aber in den 1950er und 1960er Jahre begründet, das Jaguar immer nach vorne geschaut hat und zum Teil auch ein wenig rebellisch war. Die Technik hat Zeichen gesetzt, die Modelle mit Konventionen gebrochen. Aus diesem „Wesenskern“ ist die aktuelle, langfristige Strategie entsprungen. Von daher sehen wir das mehr als konsequenten denn als ungewöhnlichen Schritt. Und das kommt auch beim Kunden so an. Vielleicht hat man das nur zu lange vergessen.

Wenn die Marke modernisiert werden soll, muss auch der Kontaktpunkt des Kunden mit der Marke, der Händler, mit der Entwicklung Schritt halten. Was erwarten Sie von Ihren Vertragshändlern?
Die Händler haben es geschafft, das Wachstum in Deutschland umzusetzen – und das mit einer sehr guten Umsatzrendite von fast drei Prozent. Das ist momentan einzigartig im deutschen Autohandel. Die Kraft liegt auch sicher im Wissen, welche Produkte 2015 kommen werden und was noch weiter so alles in der Pipeline ist. Deshalb haben wir eine sehr hohe Bereitschaft im Handel, weiter zu investieren.

Mit Investitionen meinen Sie sicher die neue Corporate Identity (CI), die bei den Händlern zahlreiche Umbauarbeiten erfordert. Im vergangenen Jahr hat der erste Jaguar Land Rover Händler unter der neuen CI eröffnet. Wann wird die Umwandlung bei allen Händlern abgeschlossen sein?
Zum ersten Mal treten Jaguar und Land Rover gemeinsam auf, mit einer gemeinsamen Corporate Identity. Wir wollen mit mehr Premium-, aber auch mehr Wohlfühl-Charakter auftreten. Dazu gehört auch ein architektonischer Plan, um die Autohäuser selbstbewusst und mit hochwertig nach außen zu präsentieren. Nach dem Händler in Frankfurt haben inzwischen zehn weitere Betriebe die neue CI umgesetzt. Bis 2017 soll die Umstellung dann flächendeckend vollzogen sein.

Bei anderen Autobauern rebellieren die Händlerverbände zum Teil gegen die Vorgaben aus der Konzernzentrale. Wie haben Sie es geschafft, dass Ihre Händler ohne Murren bei so tiefgreifenden Umbauarbeiten mitziehen?
Wir sind seit vielen Jahren mit den Händlern im Dialog. Dass es eine neue CI geben wird, haben wir bereits vor vier Jahren angekündigt – und gebeten, mit Umbauten der Showrooms zu warten. Von daher war keiner überrascht, als dann die Pläne auf dem Tisch lagen. Auch ohne die neue CI ist der durchschnittliche Absatz eines Händlers von 130 Autos im Jahr 2010 auf heute über 250 angewachsen. Es ist auch nicht unsere Strategie zu wachsen, indem wir 50 oder 60 neue Händler eröffnen. Wir wollen wachsen, und dabei wird es für jeden Händler mehr geben. Deshalb ziehen sie auch gerne bei Investitionen mit.

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