Piëch steigt bei Porsche aus Der mühsame Abschied des Ferdinand P.

Vor zwei Wochen war bekannt geworden, dass Ferdinand Piëch seine VW-Anteile verkaufen will. Jetzt hat er sich mit den Familien Porsche und Piëch geeinigt. Ganz aus dem Rennen ist der 79-Jährige aber noch nicht.

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Ferdinand Piëch verkauft den Großteil seiner VW-Anteile. Quelle: dpa

Der Ausstieg von Ferdinand Piëch bei Volkswagen ist vollzogen. Die Porsche Automobil Holding SE (PSE) teilte am Montag mit, dass die „wesentlichen Anteile“ Piëchs an der PSA an weitere Mitglieder der Familien Porsche und Piëch übertragen wurden. Vollständig trennt sich Piëch aber nicht: Seine Privatstiftung Ferdinand Karl Beta bleibt weiterhin „geringfügig“ an der PSE beteiligt. Eine genaue Prozentzahl nannte die Holding in der Ad-hoc-Mitteilung nicht.

Piëchs Ausstieg war für die kommenden Tage erwartet worden. Noch am Wochenende hieß es, er wolle den Verkauf seiner Anteile bis zu seinem 80. Geburtstag, dem Ostermontag, über die Bühne gebracht haben. Jetzt haben sich die Familien früher geeinigt. In einigen Punkten herrscht damit Klarheit, andere Fragen bleiben aber offen, wie unsere Übersicht zeigt.

Was bedeutet der Deal für den Einfluss Piëchs auf die Porsche SE und Volkswagen?
Überraschend soll er vorerst im Aufsichtsrat der Porsche SE bleiben – und sogar wiedergewählt werden. Auf der Hauptversammlung der Firma Ende Mai in Stuttgart soll er in seinem Amt bestätigt werden, wie die PSE mitteilte. Wie stark er sich danach noch in die Belange der PSE einbringt und von den restlichen Familienmitgliedern auch gehört wird, ist noch unklar. Der 79-Jährige sitzt schon seit 1981 in dem Kontrollgremium von Porsche, damals firmierte das Unternehmen noch in der Rechtsform Porsche KG.

Aktionärsverteilung der Volkswagen AG

Wie die „Bild am Sonntag“ berichtet hatte, sollen Familienmitglieder geplant haben, Piëchs Aufsichtsratsmandat nicht zu verlängern. Daraufhin bot Piëch seinen Verwandten Mitte März den Großteil seines Aktienpakets zum Kauf an. Die griffen nun zu, billigten zugleich aber einen Verbleib von Piëch im Aufsichtsrat der PSE. Allerdings dürfte er dieses schon wenige Monate später niederlegen. Denn laut Firmenmitteilung hat sich Piëch bereiterklärt, der PSE nur „bis zum vollständigen Vollzug der vorstehend genannten Übertragungen als Aufsichtsrat zur Verfügung zu stehen“. Soll heißen: Wenn die Finanz-Aufsichtsbehörden mehrerer Staaten wie erwartet grünes Licht geben für die Übertragung der Anteile, will Piëch seinen Stuhl räumen.

Ist der Deal schon über die Bühne gegangen?
Nein, noch müssen das Kartellamt und die Finanzaufsichtsbehörden mehrerer Länder ihn prüfen. Erst dann können die Transaktionen vollzogen werden.

Wie ändern sich die Machtverhältnisse in der Porsche SE?
Das ist unklar, weil die PSE nicht mitgeteilt hat, welche Familienmitglieder die Anteile übernommen haben. Das soll Geheimnis der Familie bleiben. Klar ist aber: Ferdinand Piëch ist nicht komplett ausgestiegen – wie das „Handelsblatt“ unter Berufung auf Unternehmenskreise berichtet, soll Piëch weniger als ein Prozent der PSE-Anteile halten. Damit hat er sich einen kleinen Rest seines Einflusses bewahrt – vorerst.

Wie war Piëch an der Porsche SE beteiligt?
Über seine beiden Privatstiftungen Ferdinand Karl Alpha und Ferdinand Karl Beta hielt der 79-Jährige lange Zeit 14,7 Prozent der PSE-Aktien. Von einem Großteil hat er sich jetzt getrennt, aber eben nicht von allen Anteilen: Ferdinand Karl Beta bleibt mittelbar an der PSE beteiligt. Die genaue Höhe der Beteiligung ist nicht bekannt.

Piëch und seine Figuren

Wie viel Geld hat der Deal Piëch eingebracht?
Der Wert des Pakets wurde zuletzt auf gut eine Milliarde Euro geschätzt. Wie viel der Deal Piëch einbringt, hängt natürlich davon ab, wie viele Anteile er wirklich verkauft hat und was er noch selber hält.

Ist der familieninterne Machtstreit damit gelöst?
Vermutlich nicht. Noch Anfang März auf dem Genfer Autosalon hatte Piëchs Cousin Wolfgang Porsche gesagt, die Familie könne man sich nicht aussuchen. Zwischen den Familienoberhäuptern herrsche Sprachlosigkeit. Dass die Familie dem 79-jährigen Ferdinand noch das Aufsichtsratsmandat gelassen hat, scheint eher ein Kompromiss zu sein, um den Verkauf der Anteile kurzfristig möglich zu machen.

Welche Familienangehörigen bei VW das Sagen haben.

Was bedeutet das für den anstehenden Generationswechsel in der Porsche SE?
Er ist aufgeschoben. Im Aufsichtsrat der Porsche SE sitzt weiterhin nur ein Mitglied der vierten Generation: Ferdinand Oliver Porsche. Neben dem Sprecher des Porsche-Clans, Wolfang Porsche, sitzt noch dessen Bruder Hans-Peter in dem Gremium. Auf Piëch-Seite sind es Ferdinand und dessen Bruder Hans Michel. Zudem sitzt noch Ulrich Lehner im Aufsichtsrat der PSE.

Wer sind die aussichtsreichen Mitglieder der vierten Generation?
Seitens des Piëch-Clans sind in den vergangenen Jahren vor allem zwei Frauen aufgefallen: Hans Michels Tochter Julia Kuhn-Piëch und Louise Kiesling, Tochter von Louise Daxer-Piëch, einer Schwester von Hans Michel und Ferdinand. Louise Kiesling sitzt seit dem Rückzug Ferdinands und seiner Gattin Ursula im VW-Aufsichtsrat. Damals wurde auch Julia Kuhn-Piëch in das Kontrollgremium berufen – musste aber diesen Posten nach wenigen Monaten wieder räumen, damit der damalige Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch in den Aufsichtsrat aufrücken konnte. Aktuell sitzt Kuhn-Piëch im Aufsichtsrat der VW-Töchter Audi und MAN – dort wird sie inzwischen geschätzt und überraschte durch technisches Know-how und Detailfragen.

Der Porsche-Clan hat eine Mehrheit

Im Porsche-Clan tauchen drei Namen aus der nächsten Generation regelmäßig auf. Mark Philipp, Christian und Peter Daniell Porsche. Vor allem Mark Philipp Porsche vertritt als Vorstand der Familien-Stiftung nun die Interessen der Porsches. Zweiter starker Mann der Autodynastie wird der Arzt Christian Porsche, der in zwei Aufsichtsräten des VW-Konzerns sitzt. Und Peter Daniell, Mitglied des Skoda-Aufsichtsrats, kommt ohnehin eine Sonderrolle zu: Der Sohn von Wolfgangs Bruder Hans-Peter Porsche ist ein Einzelkind – als einziger der nächsten Generation.

Wie sind die Familien organisiert?
Der Porsche-Clan hat heute schon eine kleine Mehrheit: Sämtliche Mitglieder des Porsche-Zweigs haben ihre Anteile in eine gemeinsame Stiftung eingebracht, die Ferdinand Porsche Familien-Privat-Stiftung. Damit treten sie geschlossen auf, während die PSE-Aktionäre auf Seiten des Piëch-Zweigs jeweils eigenständig auftreten.

von Melanie Bergermann, Martin Seiwert

Das aktuelle Übergewicht für Porsche rührt daher, dass, wie die WirtschaftsWoche bereits im April 2016 berichtete, Louise Kiesling aus dem Piëch-Clan übergelaufen ist und ihre Anteile in die Porsche-Stiftung eingebracht hat. Die Familienstiftung hält damit 51,7 Prozent der PSE-Anteile.

Wie steht die aktuelle VW-Führung zu Piëch?
Es scheint fast so, als ob Piëch in Wolfsburg zur „Persona non grata“ geworden ist. Vorstandschef Matthias Müller, einst ein enger Vertrauter Winterkorns, sagte erst kürzlich: „Ich stehe nicht in Kontakt mit Piëch.“ Stephan Weil, VW-Aufsichtsrat und Niedersachsens Ministerpräsident, warf dem „Alten“ gar vor, „fake news“ zu verbreiten. Und auch der Betriebsrat, früher lange ein enger Verbündeter, ist auf ihn alles andere als gut zu sprechen.

Die Opfer des Ferdinand Piëch
Porsche-Miteigner und VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch Quelle: dapd
Audi Quelle: dpa
Franz-Josef Kortüm Quelle: obs
Herbert Demel Quelle: dpa
Franz-Josef Paefgen Quelle: AP
José Ignacio López Quelle: REUTERS
Bernd Pischetsrieder Quelle: dpa

Auch Audi-Chef Rupert Stadler, Mitglied des VW-Vorstands und lange Zeit Büroleiter Piëchs, hat sich inzwischen von seinem Ziehvater distanziert – oder anders herum, das ist nicht genau bekannt. Klar ist, dass Stadler seit einigem Monaten nicht mehr die beiden Stiftungen Ferdinand Karl Alpha und Ferdinand Karl Beta führt – also jene Stiftungen, über die Piëch in der PSE investiert ist.

Wie hat der Streit angefangen?
Im Frühjahr 2015 braute sich bei VW hinter den Kulissen – trotz Rekordzahlen – bereits das Unheil zusammen: Im März 2015 spricht Ferdinand Piëch auf dem Genfer Autosalon mit dem damaligen Vorstandschef Winterkorn über die möglichen Diesel-Probleme in den USA. Er will auf die Probleme hingewiesen haben, auf mögliche Manipulationen – und auch den innersten Machtzirkel bei VW, das Präsidium des Aufsichtsrats mit Leuten wie Weil und Osterloh, heißt es in Berichten. Die Kontrolleure weisen diese Anschuldigungen scharf zurück. Der Vorstand prüft Schadenersatzansprüche gegen Piëch.

Dann, im April 2015, folgt das mittlerweile legendäre Zitat Piëchs im „Spiegel“: „Ich bin auf Distanz zu Winterkorn.“ Der Satz war intern, aber nicht mit der Familien abgesprochen. Die Folge: ein beispielloser Machtkampf. Eine Allianz aus Land, Betriebsrat und Wolfgang Porsche stützt am Ende – zur Überraschung vieler – Winterkorn. Piëch tritt als Aufsichtsratsvorsitzender zurück.

Seitdem ranken sich die Spekulationen über Piëchs Motive. So unter anderem, dass Piëch seine 19 Jahre jüngere Ehefrau Ursula in einer Art dynastischer Erbfolge als Nachfolgerin an der Spitze des Aufsichtsrats durchsetzen möchte, Winterkorn – im späteren Jahresverlauf 2015 über den Abgas-Skandal gestürzt – selbst wollte diesen zentralen Posten.
Es halten sich aber auch Gerüchte, Piëch sei höchst unzufrieden mit der Entwicklung von Volkswagen in den USA gewesen – vor dem Hintergrund der später bekanntgewordenen Diesel-Probleme.

Aber Genaues weiß man nicht, schriftliche Belege darüber soll es nicht geben. Piëch selbst hat sich seit fast zwei Jahren nicht mehr öffentlich geäußert, Interview-Anfragen sind zwecklos.

Mit Material von dpa.

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