Pleite einer Metropole Detroit ein Opfer der Autogewerkschaft?

Detroit konnte von der Wiedergeburt der amerikanischen Autoindustrie nicht profitieren. Schuld hat auch die amerikanische Autogewerkschaft United Auto Workers.

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Detroit plagt eine Schuldenlast von 18,5 Milliarden Dollar (14 Milliarden Euro). Der Niedergang der Metropole vollzog sich über Jahrzehnte. 1950 hatte die Stadt noch 1,8 Millionen Einwohner, heute leben dort knapp 700.000 Menschen. Quelle: REUTERS

Detroit ist pleite und die große Frage dahinter lautet: Warum? Die als Autostadt schlechthin bekannte Metropole siechte über viele Jahre dahin. Und das, obwohl sich die amerikanischen Autobauer nach der großen Krise 2008, in der die Obama-Regierung hunderten Milliarden Dollar zur Rettung von General Motors und Ford zur Verfügung stellte, in den letzten Jahren blendend erholt hat.

In und um Detroit sitzen nach wie vor die Big Three - General Motors, Ford in Dearborn und Chrysler im nahegelegenen Auburn Hills. Doch als Produktionsstandort hat die Region massiv an Bedeutung verloren. In den Krisenjahren 2008/2009 fielen binnen 20 Monaten mehr als 50 Prozent der Stellen den Sparprogrammen der Autobauer zum Opfer. Sechs Werke schlossen, 400.000 Menschen verloren ihren Arbeitsplatz.

Doch trotz des Kahlschlags bleibt das Lohnniveau hoch in Detroit. Die Gewerkschaft United Auto Workers UAW verhandelt gut. Ein Stundenlohn von 28 bis 30 Dollar ist die Regel. Das ist für die verbliebenen Arbeiter ein Glück, doch es führt dazu, dass sich die Konzernchefs beim Aufbau neuer Kapazitäten längst nach günstigeren Standorten umsehen. Ausländische Autobauer gehen von vorneherein in die amerikanischen Südstaaten. Dort sind die Gewerkschaften traditionell schwach oder völlig machtlos, die Löhne niedrig. Nissan und Toyota siedelten sich in Mississippi an, Mercedes-Benz, Hyundai und Honda in Alabama, Kia in Georgia, BMW in South Carolina und Nissan und Volkswagen in Tennessee. Im VW-Werk Chattanooga wird 2011 mit 15 Dollar je Stunde der niedrigste Einstandslohn im Land gezahlt. Detroit dagegen ist aus dem Rennen. Die Arbeitsplätze wandern immer weiter in den Süden - bis nach Mexiko. Dort sind die Löhne noch niedriger.

Grafik: Autofabriken in Mexiko

In den vergangenen zwei Jahren haben die Autobauer Investitionen von insgesamt fast acht Milliarden Dollar in Mexiko angekündigt, sagt Sean McAlinden vom Center for Automotive Research in Ann Arbor im US-Staat Michigan. Während die drei US-Konzerne General Motors (GM), Ford und Chrysler Fabriken in ihrer Heimat schlössen, bauten sie bei ihrem südlichen Nachbarn aus. Allein GM hat seit 2007 rund drei Milliarden Dollar in Mexiko investiert und besitzt nun drei Werke, Ford und Chrysler bringen es auf jeweils zwei.

Das war es nun also für das gute alte Detroit - 1950 noch die viertgrößte Metropole der USA. Der Niedergang Detroits hat auch die UAW schwer getroffen. Von 1,5 Millionen Mitgliedern sind heute weniger als 400.000 geblieben. Das soll sich ändern. Die United Auto Workers haben sich auf die Fahnen geschrieben, den Arbeitnehmern in den Südstaaten-Werken zu besseren Arbeitsbedingungen zu verhelfen.

Aktuell geht es vor allem um die Volkswagen-Mitarbeiter in Chattanooga, Tennessee. Für die dortigen Republikaner sind Betriebsräte und starke Gewerkschaften in den Betrieben eine Horrorvorstellung. Doch die UAW bekommt sogar Unterstützung aus Deutschland. Vor knapp zwei Wochen ließ Volkswagen-Betriebsratschef Bernd Osterloh verlauten, er setze sich gerne mit den republikanischen Politikern zusammen, um ihre Bedenken zu hören und ihnen das Anliegen der Arbeitnehmervertreter nahe zu bringen. Osterloh ist fest entschlossen auch in Chattanooga Mitbestimmung nach dem Volkswagen-Modell durchzusetzen. "Spätestens 2014 sollte es soweit sein", so der Betriebsratschef.

Wiederholt sich die Geschichte? Wandern die Arbeitsplätze aus den Südstaaten der USA weiter nach Mexiko? Wohl kaum. Die Autokonzerne sind recht glücklich mit ihren Produktionsstätten im Süden der USA und würden moderate Lohnsteigerungen verkraften. Trotzdem ist Detroit ein Mahnmal für die UAW.

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